Donald Trump hat jüngst mal wieder für bitterböse Schlagzeilen in den USA gesorgt, als er vorschlug, gegebenenfalls die US-Armee zur Bekämpfung des „Feindes im Inneren“ einzusetzen, sollte nicht er, sondern die „irre Demokratin Kamala Harris“ die Wahl gewinnen. Die Bedenken, die derlei Rhetorik auslöst in den Vereinigten Staaten, sind mehr als begründet. Ganz ähnlich war der Effekt, als er im Januar 2021 den Mob zur Stürmung des Kapitals angestiftet hat.
Erstaunlich ist, wer sich mittlerweile am deutlichsten als Gegner Trumps outet und öffentlich in die Offensive begeben hat. Hochrangige Militärs sind es, die unter ihm gedient haben, die unentschiedenen Wähler im Lande jetzt geradezu dringlichst zu warnen und aufzurütteln versuchen. Der ehemalige Vorsitzende der Vereinigten Stabschefs der US-Truppen, General Mark Milley, zum Beispiel. Im neuen Buch von Bob Woodward, dem legendären Reporter der „Washington Times“, der zusammen mit seinem Kollegen Carl Bernstein, schon Richard „Tricky Dick“ Nixon zu Fall brachte (als Folge der Watergate-Affäre), hat dieser den Ex-Präsidenten als „die gefährlichste Person für dieses Land“ bezeichnet. „Ein Faschist durch und durch“, so wird Milley in Bob Woodwards Buch mit dem krassen Titel „War (Krieg)“ zitiert.
Unterdessen ist auch bekannt geworden, dass selbst General Jim „Mad Dog“ Mattis im populären Bulwark-Podcast dieser Einschätzung angeblich zustimmt. Mattis, der als Verteidigungsminister unter Trump gedient hat, habe Bob Woodward dies unterdessen per E-Mail bestätigt, gab der Reporter zu Protokoll. Der Tenor der E-Mail sei gewesen: „Wir sollten nicht versuchen, die Bedrohung herunterzuspielen, denn die Bedrohung ist hoch.“ Die von Mattis bislang zwar nicht offiziell bestätigten Äußerungen gegenüber Woodward geben einen seltenen Einblick in die Sichtweise des Generals zur Wahl wieder. Der Ex-Verteidigungsminister hat geschwiegen, seitdem Trump erneut als Präsidentschafts-Kandidat hervorgetreten ist und sich im Auswahlprozess gegen seine Konkurrentin Nikki Haley durchgesetzt hat.
Das Militär hat ihm die Flausen ausgetrieben, aber offenbar auf Neue in den Kopf gesetzt
Es heißt, Donald Trump sei seit frühster Jugend vom Militär fasziniert und verehrt die Generäle George Patton und Douglas MacArthur aus dem Zweiten Weltkrieg. Fred Trump, Vater und Begründer des Trump'schen Immobilienunternehmens, hatte ihn 1959 zur Maßregelung an die 100 Kilometer von New York entfernte „New York Military Academy“ in Cornwall geschickt. Es handelt sich um ein Internat mit vormilitärischer Ausbildung, in dem strenge Disziplin herrschte und Donald Trump auf jeglichen Luxus verzichten lernte.
„Trump arrangierte sich und fand Gefallen daran, Auszeichnungen für das sauberste Zimmer und die glänzendsten Schuhe zu bekommen", so heißt es in Trumps Bio auf Wikipedia. „Erstmals entwickelte der verzogene Sohn auch einen Ehrgeiz für schulische Leistungen.“
Später drückte sich Donald Trump um die Einberufung zur Armee und einer drohenden Verpflichtung zur Teilnahme im Vietnamkrieg. Nachdem er mehrfach – trotz attestierter Tauglichkeit – zurückgestellt worden war, ist er letztlich aus medizinischen Gründen vom Militärdienst frei gestellt worden. Laut Trump selbst handelte es sich bei den Wehwehchen angeblich um schmerzhaften Fersensporn.
Als Trump als Präsident ins Weiße Haus einzog, schmückte er sich in seinem Kabinett mit hochrangigen Generälen. Mattis wurde als pensionierter Vier-Sterne-General, zum Leiter des Pentagon. Stabschef John Kelly war ebenfalls ein Vier-Sterne-General. Auch zwei der Nationalen Sicherheitsberater waren einst Drei-Sterne-Generäle – sowohl Michael Flynn als auch H. R. McMaster. Keiner von ihnen ist heute noch Pro-Trump!
Forderte zum Wahlsieg in Washington eine Militär-Parade wie bei Putin vor dem Kreml
„Agent Orange“, wie er gerade unter Soldaten spöttisch (als Hinweis auf das im Vietnamkrieg eingesetzte Entlaubungsmittel) genannt wird, wurde während seiner Amtszeit stets für seine Vorliebe für Pomp und Glitter sowie militärische Zeremonien verhohnepipelt. Nach dem überraschenden Wahlsieg wünschte er sich ernsthaft eine große Parade im Kreml-Stil mitten durch die Hauptstadt Washington, D.C. - dazu ist es allerdings dann doch nicht gekommen.
Das Militär ist ihm jedenfalls in höchster Verachtung zugetan, könnte man sagen. Einige scheinen sogar der Meinung zu sein, dass der Ex-Präsident der wahre „innere Feind“ ist. Bereits vor vier Jahren erklärte Jim Mattis gegenüber dem Magazin The Atlantic: „Donald Trump ist der erste Präsident in meinem Leben, der nicht versucht, das amerikanische Volk zu vereinen - er gibt nicht einmal vor, es zu versuchen. Stattdessen versucht er, uns zu spalten.“ Trumps Stabschef Kelly gab Jake Tapper bei CNN zu Protokoll, dass Trump nur „Verachtung für die demokratischen Institutionen, unsere Verfassung und die Rechtsstaatlichkeit übrig" habe.
„Ego und Selbstliebe brachten Trump dazu, seinen heiligen Eid auf die Verfassung zu brechen“
In McMasters Buch „At War with Ourselves“, einem Erinnerungsbuch über seine Zeit im Weißen Haus mit Trump, schrieb der General nach der Trumps Wahlniederlage anno 2020 „Ego und Selbstliebe dazu brachten, seinen heiligen Eid zu brechen, also die Verfassung zu unterstützen und verteidigen, die höchste Verpflichtung eines jeden Präsidenten.“
Auch General Stanley McChrystal, der das Joint Special Operations Command, jene Einheit, die 2011 für die Tötung von Osama bin Ladens verantwortlich war, revolutioniert hat, bestätigte vor drei Wochen in der „New York Times“, er werde wegen ihres „Charakters“ für Vize-Präsidentin Kamala Harris stimmen. McChrystal äußerte sich im Meinungsbeitrag zwar nicht dezidiert. Doch hat er Trump schon in der Vergangenheit als „unmoralisch“ und „unehrlich“ bezeichnet.
Der Leiter der Bin-Laden-Operation wiederum, Admiral Bill McRaven, schrieb schon anno 2020 in der „Washington Post“ einen Kommentar, in dem er über Trump sagte: „Wenn präsidiales Ego und Selbsterhaltung wichtiger sind als die nationale Sicherheit – dann gibt es nichts mehr, was den Triumph des Bösen aufhalten könnte.“ Ziemlich deutliche Worte!
Generalstabschef Mullen widerte es an, als Trump Demonstranten am Weißen Haus entfernen ließ
Generalstabschef Admiral Mike Mullen wiederum zeigte sich gegenüber „The Atlantic“geradezu „angewidert“, als er im Fernsehen sah, wie friedliche Demonstranten, die gegen die kürzliche Ermordung von George Floyd durch die Polizei protestiert hatten, gewaltsam vor dem Weißen Hauses entfernt wurden.
CNN kommt in einer Analyse zu dem Urteil, dass es wohl kaum einen amerikanischen Präsidenten gibt, der sich jemals mehr „die Missbilligung so vieler hochrangiger Offiziere zugezogen“ wie Donald Trump. Das bedeutet zwar nicht, dass Soldaten und Offiziere eher den Demokraten zuneigen als den Republikanern – das ist sicherlich nicht der Fall. Es gibt auch noch Fans von Donald Trump im Militärrang: Generalleutnant Keith Kellogg etwa, früher Sicherheitsberater von Trumps Vizepräsident Mike Pence. Er ist einer der wenigen hochrangigen Berater im Weißen Haus, die während Trumps Amtszeit nicht zurückgetreten – oder gefeuert worden sind. Kelloggs Loyalität könnte ihn womöglich in eine leitende Funktion zurückbringen, so spekulieren Pentagon-Beobachter bereits, sollte Trump im November gewinnen. Mike Pence indessen wird vermutlich nicht einmal für Trump stimmen.
Warum vermutlich die US-Soldaten Übersee diesmal ihre Stimmen besonders sorgsam wägen
Zuversichtlich, dass nicht gleich am Wahltag bzw. nach der Auszählung Chaos in den USA ausbricht, sind die US-Bürger vor allem aber deshalb, weil die Verfassung die Amtsgabe aus guten Gründen in den Januar des Folgejahres verlegt hat. Bis dahin sollte der erste Pulverdampf verzogen sein. Das Militär ist so lange erst einmal Garant für Ordnung in den USA – eine bislang sehr verlässliche Größe. Wie es, nach einem möglichen Wahlsieg Trumps in 2025 dann weitergeht, ist ein anderes Thema.
Als Oberbefehlshaber könnte Trump zusammen und mit einem dann wohl sehr willfährigen Verteidigungsminister dem Pentagon befehlen, was er mag. Viele Offiziere in den USA halten dies für „sehr beunruhigende Aussichten“. Gut möglich aber, dass die Soldaten in Übersee darüber besser Bescheid wissen als ihre Kameraden in den USA selbst. Sie dürften eine Ahnung haben, was die Welt befürchtet, nach den kommenden Wahlen am 5. November. Denkbar, dass sie diesmal ihre Stimmen deshalb besonders umsichtig wägen.