Unternehmensporträt

EPEA macht Produkte kreislauffähig: Cradle to Cradle als Erfolgsrezept für Unternehmen

Ob die Carlsberg Brauerei, der Spielzeughersteller Schleich oder Liebherr als Produzent von Kühlgeräten – die EPEA GmbH aus Hamburg unterstützt Mittelständler und Großkonzerne dabei, ihre Produkte nach dem Prinzip „Cradle to Cradle“ kreislauffähig zu machen und so zu gestalten, dass sie nach ihrer Nutzung vollständig in den biologischen oder technischen Kreislauf zurückgeführt werden können. Ein Besuch bei EPEA in Hamburg.
08.11.2024 14:11
Aktualisiert: 10.11.2024 13:47
Lesezeit: 5 min
EPEA macht Produkte kreislauffähig: Cradle to Cradle als Erfolgsrezept für Unternehmen
EPEA-Geschäftsführer darüber, wie seine Firma Unternehmen durch Cradle to Cradle nachhaltig macht. (Foto: Schleich)

Ludwig-Erhard-Straße 1 in der Hamburger Speicherstadt. Im 9. Stock eines modernen Bürowürfels steht Jan von der Lancken vor einem bodentiefen Fenster und schaut über die Elbphilharmonie und den Hafen mit seinen Terminals und Frachtern, während unten die Alster in den Binnenhafen fließt. „Definitiv der Raum mit dem schönsten Ausblick bei uns, der mich immer daran erinnert, dass alles in Bewegung ist – und wir Kreisläufe schaffen müssen, die funktionieren“, sagt von der Lancken, einer der drei Geschäftsführer der EPEA GmbH.

Von der Lanckens Blick aus dem Konferenzraum, spiegelt ziemlich genau wider, was EPEA ausmacht: Stoffströme entschlüsseln und in Bewegung halten, Materialkreisläufe schaffen und gemeinsam mit den Kunden in einem kooperativen Ansatz Co-Evolutionen entwickeln. „Bei EPEA geht es nicht darum, den ökologischen Fußabdruck zu minimieren, sondern darum, einen positiven Fußabdruck zu hinterlassen“, erklärt der promovierte Chemiker, der das Unternehmen mit einer klaren Vision führt: „Wir wollen nicht nur etwas weniger schlecht sein. Unser Ziel ist es, mit allem, was wir tun, einen positiven Mehrwert zu schaffen.“

„Dass die Teppichfliese kreislauffähig ist, war keine Frage mehr”

EPEA verfolgt den Ansatz, nicht bloß Abfälle zu vermeiden, sondern Nährstoffkreisläufe zu schaffen. So sollen Materialien, egal ob Kunststoffe oder Baustoffe, am Ende ihres Lebenszyklus nicht entsorgt, sondern immer wieder verwendet werden. Ein Beispiel dafür ist die Zusammenarbeit mit Tarkett, einem Hersteller von Teppichfliesen. „Die Teppichfliese”, erklärt von der Lancken, „säubert aktiv die Luft von Feinstaub, der durch Luftzirkulation gebunden wird. Damit ist die Luftqualität in Innenräumen besser als draußen.” Neben der Funktionalität war es selbstverständlich, dass die Teppichfliesen kreislauffähig sind und nach ihrer Nutzung in einem geordneten Rücknahmesystem wiederverwertet werden. „Es geht längst nicht mehr nur darum, ein Produkt nachhaltig zu machen, sondern darum, einen zusätzlichen Mehrwert zu schaffen.“

Kreislauffähig und ungiftig: Schleich-Spielzeug als Kohlenstoffsenke

Ein weiteres Beispiel für die Innovationskraft der Firma ist ein laufendes Projekt mit dem Spielzeughersteller Schleich. „Wir verfolgen die Vision, mit kreislauffähigen Spielfiguren von Schleich eine technische Kohlenstoffsenke zu schaffen. “, erklärt der 34-Jährige. Das Ziel ist es, für Kunststoff, der in den Figuren verwendet wird, CO2 aus der Atmosphäre als Rohstoff zu verwenden. „Die Herausforderung besteht darin, die Produkte kreislauffähig zu machen und gleichzeitig sicherzustellen, dass der Basiskunststoff CO2-ready ist. Das bedeutet zum einen, dass der Kunststoff künftig CO2 als Rohstoff nutzt und zum anderen, dass Schleichfiguren ohne Qualitätsverlust recycelt werden können. 2024 ist ein erster Meilenstein erreicht: Die ersten Cradle to Cradle-zertifizierten Schleichfiguren sind auf dem Markt.

„Produkte müssten so gestaltet werden, dass sie Nährstoffe bleiben und nicht Abfall werden“, betont von der Lancken und beschreibt damit den Kern der EPEA-Philosophie, die unter anderem auf dem Cradle to Cradle-Konzept basiert. Cradle to Cradle-Produkte sind so gestaltet, dass sie am Ende ihres Lebenszyklus entweder technisch wiederverwertet oder biologisch abgebaut werden können.

Wie das aussehen kann, zeigte die Zusammenarbeit mit Liebherr, einem der weltweit führenden Anbieter von Kühl- und Gefriergeräten. Gemeinsam mit Liebherr hat EPEA einen Gefrierschrank entwickelt, dessen Isolationsmaterial, statt schwer recycelbarem Polyurethan, aus kreislauffähigem Perlit besteht. „Perlit bietet bessere Dämmeigenschaften und lässt sich problemlos in neue Produkte zurückführen“ Für die Endkunden des Liebherr-Kühlschranks bedeutet das: Mehr Platz im Inneren des Gefrierschranks und gleichzeitig eine längere Lebensdauer des Materials.

Gründung und Ursprung des Cradle to Cradle-Konzepts

Die Wurzeln von EPEA reichen ins Jahr 1987 zurück, als das Unternehmen mit einer Handvoll Leute von Michael Braungart, einem der Pioniere der Nachhaltigkeitsbewegung, gegründet wurde. Gemeinsam mit dem US-amerikanischen Architekten William McDonough entwickelte Braungart das Cradle to Cradle-Konzept, das heute weltweit als einer der wichtigsten Ansätze für nachhaltiges Design und Kreislaufwirtschaft gilt.

Die Idee hinter Cradle to Cradle (von der Wiege zur Wiege) basiert darauf, Produkte und Prozesse so zu gestalten, dass sie am Ende ihres Lebenszyklus nicht zu Abfall werden, sondern in biologische oder technische Nährstoffkreisläufe zurückgeführt werden können. Braungart und McDonough legten damit den Grundstein für eine neue Art der nachhaltigen Produktgestaltung. Fast 40 Jahre später beschäftigt das Unternehmen 60 Mitarbeitende in Deutschland und den Niederlanden.

Innovationsgetrieben durch kooperative Netzwerke

Für EPEA ist der Erfolg in der Kreislaufwirtschaft untrennbar mit Partnerschaften und Vernetzung verbunden. Wir verstehen uns als Co-Entwickler”, erklärt von der Lancken, “es ist immer ein gemeinschaftlicher Prozess, der über die Optimierung von Materialien und Produkten hinausgeht.” Gerade in der Circular Economy sei Vernetzung entscheidend, denn der Kreislauf ende nicht bei einem Unternehmen, sondern umfasse zahlreiche Akteure entlang der Lieferkette.

Ein weiterer Erfolgspartner ist der dänische Biergigant Carlsberg. „Wir haben für Carlsberg eine nachhaltige Verpackung entwickelt, die komplett kreislauffähig ist“, erzählt der von der Lancken. “Dabei ging es nicht nur um die Flasche, sondern auch um das Etikett und den Pappträger – alles musste unter Berücksichtigung des biologischen Kreislaufs entwickelt werden.” Dieser ganzheitliche Ansatz hebt EPEA von anderen Akteuren ab und macht das Unternehmen zu einem unverzichtbaren Partner in Sachen Nachhaltigkeit.

Flache Hierarchien und diverse Teams als Innovationsmoto

Basis dafür bildet die Firmenkultur des Hamburger Unternehmens. „Wir arbeiten in flachen Hierarchien”, so der Geschäftsführer, „und fördern bewusst die Zusammenarbeit über Abteilungen hinweg.“ Dies sei besonders im Zusammenspiel zwischen den beiden wichtigsten Bereichen des Unternehmens, Industrie und Real Estate, maßgeblich, da hier die meisten Synergien entstehen. Regelmäßige Quartalsmeetings, in denen Leuchtturmprojekte ausgetauscht werden, sorgen für eine ständige Weiterentwicklung.

Eine weitere Besonderheit ist der interdisziplinäre Ansatz. Das Team von EPEA setzt sich aus Chemikern, Bauingenieuren und Architekten zusammen – eine Diversität, die laut von der Lancken bewusst gefördert wird: „Kein Projekt wird bei uns von einer Person allein bearbeitet. Wir setzen auf diverse Teams, um kreative und innovative Lösungen zu finden.“

Nachhaltigkeit als Anziehungspunkt für Talente

Ein weiterer Aspekt, der EPEA von vielen Mittelständlern unterscheidet, ist der ständige Austausch mit jungen Talenten. „Wir haben immer Praktikantinnen und Praktikanten im Team, denn ihre frischen Ideen und ihre Unvoreingenommenheit sind eine wichtige Inspirationsquelle für unsere Projekte“, erklärt von der Lancken. Dieser „unverstellte Blick“, wie er es nennt, helfe dem Unternehmen, betriebliche Abläufe kritisch zu hinterfragen und neue Denkansätze zu entwickeln.

Angesichts des Fachkräftemangels, der viele Branchen belastet, stellt sich bei EPEA ein anderes Bild dar: „Wir haben keinerlei Probleme, Talente zu finden. Auf eine Stellenausschreibung bewerben sich bei uns rund 150 Personen“, sagt von der Lancken. “Die Attraktivität von EPEA liegt in der klaren Ausrichtung auf Nachhaltigkeit und dem innovativen Arbeitsumfeld, das Talente aus aller Welt anzieht.” Mitarbeitende aus Spanien, Peru oder den USA sind der Beweis.

Jan von der Lancken: “Nachhaltigkeit wird zum Unternehmenswert”

„Wir haben kein Energie-, sondern ein Umwandlungsproblem”, erklärt Jan von der Lancken. Die größte Herausforderung für Unternehmen liege seiner Meinung nach in der Sicherstellung intelligenter Stoffkreisläufe, die in allen Branchen implementiert werden müssten. „Das eigentliche Problem liegt nicht bei der Energie – die bekommen wir hin. Es ist die Materialität und die Art und Weise, wie wir von jetzt an Stoffkreisläufe schließen.”Gleichzeitig sei er optimistisch, dass der regulatorische Druck durch Nachhaltigkeitsgesetze wie die europäische Green Claims Directive (GCD) in der gesamten Wirtschaft weiter vorantreiben werde. „Das Thema positiver Mehrwert, also nicht nur etwas weniger schlecht zu machen, sondern Produkte zu entwickeln, die aktiv einen Nutzen für Umwelt und Menschen stiften, wird künftig der Schlüssel zur Differenzierung für Unternehmen sein.”

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