Politik

Iranisches Atomprogramm: Teheran will mehr Uran anreichern

Droht der Iran dem Westen mit neuen Atomwaffen? Die IAEA warnt, Teheran wehrt sich – und eskaliert die Urananreicherung. Jetzt könnten neue Sanktionen folgen, doch die internationale Gemeinschaft ist uneins.
22.11.2024 14:33
Lesezeit: 3 min
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Iranisches Atomprogramm: Teheran will mehr Uran anreichern
Atomstreit: Der iran kündigt an, neue Zentrifugen in Betrieb zu nehmen, um Uran schneller anreichern zu können. (Foto: Pixabay / ar130405 )

Im Streit über das iranische Atomprogramm hat die internationale Aufsichtsbehörde IAEA den Druck erhöht und damit den Unmut der Führung in Teheran auf sich gezogen. Das iranische Außenministerium verurteilte eine kritische Resolution der Atomenergiebehörde, in der dem Iran mangelnde Kooperation vorgeworfen wird, und kündigte an, neue Zentrifugen in Betrieb zu nehmen, um Uran schneller anreichern zu können. Da für den Bau von Atomsprengköpfen hoch angereichertes Uran benötigt wird, gibt es Befürchtungen, dass die Islamische Republik entgegen aller Beteuerungen nach Atomwaffen streben könnte.

„Diese politisch motivierte und destruktive Resolution sabotiert den Beginn der konstruktiven Zusammenarbeit Irans mit der IAEA“, teilte das Außenministerium in einer Presseerklärung mit. Die Resolution sei lediglich ein Vorwand der westlichen Initiatoren, „ihre politisch illegitimen Ziele“ gegen den Iran voranzutreiben. Als erste Gegenmaßnahme werde die iranische Atomorganisation mehrere neue und moderne Zentrifugen in Betrieb nehmen, um den Prozess der Urananreicherung zu beschleunigen.

Israels Außenminister Gideon Saar lobte die Resolution der IAEA als wichtigen Teil der diplomatischen Bemühungen, den Iran daran zu hindern, Atomwaffen zu entwickeln. Die Welt müsse den Druck auf Teheran erhöhen, forderte er auf der Plattform X.

Iran soll Fragen beantworten – und wenn nicht?

Der Gouverneursrat der IAEA hatte Behördenchef Rafael Grossi in seiner Resolution beauftragt, bis zum Frühling einen Bericht über ungeklärte Fragen zum iranischen Atomprogramm vorzulegen. IAEA-Inspektoren fordern von Teheran seit Jahren schlüssige Erklärungen für Spuren, die auf geheime Atomanlagen und frühere Aktivitäten hinweisen. Falls Teheran weiterhin keine Antworten liefert, könnte Grossis Bericht als Grundlage dienen, um den UN-Sicherheitsrat einzuschalten, erklärten westliche Diplomaten.

Während der Gouverneursrat keine Zwangsmaßnahmen durchsetzen kann, hätte der Sicherheitsrat die Möglichkeit, neue Sanktionen zu verhängen. Allerdings ist das mächtigste UN-Gremium seit geraumer Zeit politisch blockiert, weil vor allem die Veto-Staaten USA, Russland und China gemeinsame Resolutionen verhindern. Russland erhält in seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine Rückendeckung von China und vom Iran, der die russische Armee mit Waffenlieferungen unterstützt.

Die IAEA-Resolution wurde von Deutschland, Großbritannien, Frankreich und den Vereinigten Staaten eingebracht. Insgesamt stimmten 19 Staaten im Gouverneursrat für den Text, 12 enthielten sich der Stimme. Russland, China und Burkina Faso lehnten ihn ab.

Vom Wiener Atomabkommen ist kaum etwas übrig

Grossi sagte, dass im Iran in der Vergangenheit nukleare Aktivitäten stattgefunden haben könnten. Es gebe jedoch Zweifel, ob dies zuletzt wieder der Fall war. „Uns liegen keine Informationen vor, die das Vorhandensein von Kernmaterial bestätigen würden“, sagte er.

Der Iran strebt laut seiner offiziellen Doktrin nicht nach Nuklearwaffen. Dennoch stellt das Land Uran her, das annähernd waffentauglich ist – was insbesondere in Israel mit Argwohn verfolgt wird, da beide Staaten einander feindlich gesinnt und nur knapp 1.000 Kilometer voneinander entfernt sind. Grossi führte dazu in der vergangenen Woche Gespräche mit Präsident Massud Peseschkian und anderen Spitzenpolitikern in Teheran. Laut Grossi sagte der Iran zu, seinen Vorrat an hochangereichertem Uran nicht zu erhöhen.

Das 2015 geschlossene Wiener Atomabkommen sollte den Iran vom Bau einer Atombombe abhalten. Nach dem Ausstieg der USA aus dem mühsam erarbeiteten Deal ignorierte auch der Iran ab Mai 2019 schrittweise alle technischen Vorgaben in dem Abkommen. Das Land begann etwa mit einer höheren Urananreicherung sowie der Produktion von Uranmetall, nahm die Arbeit mit schnelleren Zentrifugen auf und lagerte weitaus mehr Uran, als es der Atomdeal erlaubt.

Wie Gaszentrifugen arbeiten

Um das natürlich vorkommende Uran in Atomkraftwerken nutzen zu können, muss das Schwermetall zuvor angereichert werden. Das bedeutet: Der Anteil des spaltbaren Isotops 235 muss erhöht werden. Im Natururan sind davon nur etwa 0,7 Prozent enthalten, der Rest ist nicht spaltbares und daher nicht benötigtes Uran-238.

In Gaszentrifugen werden mit bis zu mehr als 70.000 Umdrehungen pro Minute die schwereren U-238-Atome im gasförmigen Uranhexafluorid an den Rand der Röhre gedrängt, während sich das leichtere U-235 in der Mitte sammelt. Die Isotope werden dann getrennt entnommen. Da eine Zentrifuge nur sehr begrenzt anreichern kann, werden in der Regel sehr viele hintereinander geschaltet. Zur Verwendung für die Energiegewinnung muss die Konzentration an Uran-235 bei zwei bis fünf Prozent liegen, für Atomwaffen bei häufig mehr als 90 Prozent.

Grossi warnt Israel vor Angriffen auf Atomanlagen

Nach dem iranischen Raketenangriff auf Israel am 1. Oktober reagierte das israelische Militär wenige Wochen später mit einem Gegenschlag. Am Montag berichtete der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu im Parlament, dass dabei eine Komponente des iranischen Atomprogramms beschädigt worden sei. Details nannte er nicht. Laut der US-Nachrichtenseite „Axios“ wurde eine Anlage in Parchin zerstört. Die Anlage sei vor mehr als 20 Jahren Teil des geheimen iranischen Atomwaffenprogramms gewesen und zuletzt wieder aktiviert worden, hieß es in dem Bericht unter Berufung auf israelische und US-Beamte. Offiziell bestätigt wurde dies von keiner Seite.

Grossi mahnte die Einhaltung von internationalem Recht an. Atomanlagen sollten nicht ins Visier genommen werden, sagte er am Rande einer IAEA-Tagung in Wien. Er hoffe, „dass die Vernunft siegt“. Grossi kündigte zudem Gespräche mit der israelischen Regierung an.

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