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Thyssenkrupp-Stellenabbau: 11.000 Jobs fallen bis 2030 weg - die Thyssenkrupp-Aktie steigt

Deutschlands größte Stahlfirma Thyssenkrupp reagiert auf Nachfrageschwäche und steigenden Druck durch Billigimporte: Massive Einschnitte bei Produktion, Standortschließungen und Ausgliederungen stehen bevor. Bis 2030 sinken die Arbeitsplätze von 27.000 auf 16.000 – darunter 6.000 durch externe Auslagerungen. Die Thyssenkrupp-Aktie sendet ein Lebenszeichen - und steigt!
25.11.2024 16:13
Aktualisiert: 26.11.2024 07:54
Lesezeit: 3 min
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Deutschlands größte Stahlfirma Thyssenkrupp Steel Europe will in den kommenden Jahren mehrere tausend Stellen abbauen. Die Zahl der Arbeitsplätze soll innerhalb von sechs Jahren von aktuell rund 27.000 auf 16.000 schrumpfen, wie das Unternehmen mitteilte. Demnach sollen etwa 5.000 Stellen bis Ende 2030 durch „Anpassungen in Produktion und Verwaltung“ abgebaut werden. 6.000 weitere Stellen sollen durch Ausgliederungen auf externe Dienstleister oder Geschäftsverkäufe ausgelagert werden.

Die Personalkosten sollen darüber hinaus in den kommenden Jahren im Schnitt um zehn Prozent gedrückt werden. Dies gehöre zu wesentlichen Eckpunkten für ein industrielles Zukunftskonzept. Die IG Metall bewertete das Vorhaben als „Kahlschlag“, der für die Beschäftigten und den Industriestandort NRW „eine Katastrophe“ sei. Mit dem Konzept reagiert das Unternehmen, das mehrheitlich dem Industriekonzern Thyssenkrupp gehört, auf die Nachfrageschwäche. Die Produktionskapazitäten sollen von 11,5 Millionen Tonnen pro Jahr auf nur noch 8,7 bis 9,0 Tonnen gesenkt werden. Das entspreche der Versandmenge des vergangenen Geschäftsjahres. ·Im Rahmen der Neuaufstellung bleibe es erklärtes Ziel, betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden.

Man wolle für möglichst viele Beschäftigte langfristige Perspektiven schaffen, sagt Thyssenkrupps Stahlchef Dennis Grimm. Deshalb werde man sich durch gezielte Kapazitätsanpassungen und Kostensenkungen an die veränderten Marktbedingungen anpassen. „Um uns zukunftsfest aufzustellen, ist eine umfassende Optimierung und Verschlankung unseres Produktionsnetzwerkes und unserer Prozesse notwendig.“

Stilllegung des Standortes Kreuztal-Eichen

Ein wesentliches Element zur notwendigen Kapazitätsreduzierung bleibe die Trennung von den Hüttenwerken Krupp Mannesmann (HKM), hieß es weiter. Das vorrangige Ziel sei, die Unternehmensanteile an der HKM zu verkaufen. Sollte ein Verkauf nicht möglich sein, werde Thyssenkrupp Steel mit den weiteren Gesellschaftern Gespräche über einvernehmliche Schließungsszenarien führen. Zudem soll den Angaben zufolge der Weiterverarbeitungsstandort in Kreuztal-Eichen geschlossen werden. Dort sind 500 Mitarbeiter beschäftigt.

Parallel zu dem Sparprogramm will die Konzernmutter Thyssenkrupp die Verselbstständigung des Stahlbereichs vorantreiben. Derzeit hält das tschechische Energieunternehmen EPCG des tschechischen Milliardärs Daniel Kretinsky schon 20 Prozent, in einem nächsten Schritt soll dieser Anteil auf 50 Prozent steigen.

Grünstahl-Anlage soll weitergebaut werden

Deutschlands größte Stahlfirma ist schon lange unter Druck, Billigimporte aus Asien, hohe Kosten und eine schwache Nachfrage haben zu verlustreichen Geschäften geführt. Im Sinne des Klimaschutzes sind zudem hohe Investitionen nötig, um die CO2-Bilanz der energieintensiven Stahlproduktion zu verbessern. In Duisburg soll in der Zukunft mit Wasserstoff „Grünstahl“ produziert werden, der Bund und das Land NRW fördern eine teure neue Anlage mit insgesamt zwei Milliarden Euro.

Trotz der kräftigen Finanzspritze des Staates ist das Vorhaben für Thyssenkrupp Steel eine teure Sache. Medienberichten zufolge war intern über einen Ausstieg aus dem Vorhaben nachgedacht worden. Nun betont das Unternehmen, dass man an dem Plan festhalte, die bereits im Bau befindliche Direktreduktionsanlage fertigzustellen. Gleichzeitig führe man „konstruktive Gespräche“, „um die Wirtschaftlichkeit dieses großen Investitionsprojekts unter den sich schnell verändernden Rahmenbedingungen sicherzustellen“.

IG-Metall-Bezirksleiter Knut Giesler, der stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender von Thyssenkrupp Steel Europe ist, sagte: „Wer über 11.000 Beschäftigte abbauen und einen Standort schließen will, muss mit dem erbitterten Widerstand der IG Metall rechnen.“ Er monierte, dass es keinen Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen und Standortschließungen gebe. „Genau das sind die roten Linien, die wir immer wieder kommuniziert haben.“ Zu den geplanten Kürzungen bei den Personalkosten sagte Giesler: „Wer in Zeiten des Fachkräftemangels auf solche Ideen kommt, hat nichts verstanden.“

Thyssenkrupp-Aktie steigt

So schlimm der Thyssenkrupp-Stellenabbau für die Arbeitnehmer ist und so verständlich die Kritik der Gewerkschaft ist, so gut finden die Anleger diese Meldung: Zum Wochenbeginn steigt die Thyssenkrupp-Aktie und verbucht am späten Nachmittag ein Plus von annähernd 1,3 Prozent. Weil das Papier des Stahlkonzerns nur noch wenige Euro wert ist, entsprechen diese 1,3 Prozent nur 0,05 Euro - dennoch ist das ein wichtiges Signal für Investoren. Doch warum steigt die Thyssenkrupp-Aktie? Was finden Anleger an einem Stellenabbau gut?

Zunächst einmal ist der Wegfall von Jobs nie gut. Doch das Thyssenkrupp-Management scheint den Ernst der Lage erkannt zu haben. Aus Anlegersicht ist das wichtig, denn an der Börse wird die Zukunft gehandelt - und ab sofort kann es besser werden. Weniger Angestellt kosten weniger Geld, es bleibt möglicherweise mehr Geld für dringend notwendige Investitionen. Und deshalb steigt auch die Thyssenkrupp-Aktie.

Die Analysten scheinen von diesem Schritt nicht überzeugt zu sein, ihnen reicht der Stellenabbau nicht aus. Die britische Investmentbank Barclays hat nach Bekanntwerden der Pläne das Kursziel für Thyssenkrupp von 4,40 auf 4,00 Euro gesenkt und die Einstufung auf "Underweight" belassen. Tom Zhang kappte in seiner am Montag vorliegenden Branchenanalyse seine Ergebnisschätzungen für Karbonstahlhersteller wie Thyssenkrupp und Arcelormittal um vier bis neun Prozent. Vor Thyssenkrupp liege noch eine schwierige Restrukturierung, so der Aktienspezialist.

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