Die Lage für die Ukraine im Krieg gegen Russland wird immer ernster: Die russische Armee gewinnt im Osten des Landes immer mehr Gelände. Nachts terrorisiert Moskau die Bevölkerung in zahlreichen ukrainischen Städten mit Drohnen- und Raketenangriffen. Derweil ringt Europa nach der US-Wahl um einen neuen Kurs rund um den Ukraine-Krieg. Doch dem könnte nun Donald Trump in die Quere kommen. Der Republikaner gilt als unberechenbar; er könnte nach seiner Amtseinführung die Unterstützung für Kiew einkürzen oder extrem ausbauen, um womöglich einen Waffenstillstand zu erreichen.
Frieden durch Stärke? Und wie wird sich Deutschland weiter im Ukraine-Krieg verhalten? Deutschland hat 2024 die Ukraine in Ihrem Abwehrkampf mit Geld und Waffen in Höhe von rund 7,1 Milliarden Euro unterstützt, für 2025 sind weitere 4 Milliarden geplant.
Ukraine-Krieg nach der US-Wahl: Wie kann 2025 Frieden gelingen?
Nach der Wahl von Donald Trumps zum US-Präsidenten und dem Ende der Ampel-Koalition steht Deutschland vor großen Herausforderungen – mit Folgen auch für die eigene Verteidigungspolitik. Die Unterstützung der Ukraine soll trotz prekärer Haushaltslage anhalten. Ein Grund für den Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marcus Faber (FDP), eine Steigerung der deutschen Investitionen in die Verteidigung auf 3 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung zu fordern: „Deutschland erreicht dieses Jahr zum ersten Mal das 2-Prozent-Ziel der Nato. Das hatte Donald Trump in seiner ersten Amtszeit immer gefordert. Deutschland hat daher eine gute Verhandlungsbasis für die Zukunft. Klar wird aber bei den Fähigkeitsplanungen der Nato, dass die 2 Prozent in der Zukunft nur ein Minimum sein werden. Das heißt, wir reden eher von 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts an Ausgaben für Verteidigung.“
Marcus Faber: „Wir sollten mehr in unsere eigene Sicherheit investieren.“
Der FDP-Politiker und Nachfolger im Verteidigungsausschuss von FDP-Kollegin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die ihre Karriere in Brüssel fortsetzt, gilt als vehementer Unterstützer Kiews. Und das, obwohl er Abgeordneter aus Stendal ist. Im Osten fremdeln viele mit dem proukrainischen Kurs der Bundesregierung - so scheint es mindestens, wenn man sich die jüngsten Wahlergebnisse ansieht.
Seit dem völkerrechtswidrigen Angriff durch Putin hat Faber die Ukraine bereits fünf Mal besucht. Der Ostdeutsche kennt die Lage an der Front genau, denn er besucht nicht nur Politiker, sondern ganz gezielt Soldaten, sowie einmal die Besatzung eines Leopard-2-Panzers, der von einer russischen Panzerabwehrwaffe getroffen wurde. Die Besatzung hat zum Glück überlebt, in einem alten sowjetischen Panzer wären sie nicht mehr am Leben. Es sind Erlebnisse wie diese, die ihn unermüdlich für die Ukraine kämpfen lassen.
DWN: Welche Auswirkungen hat die Trump-Wahl auf die Nato, auf den Ukraine-Krieg und auch auf Deutschland? Ist die eigene „Kriegstüchtigkeit“ jetzt noch wichtiger?
Marcus Faber: Der Ausgang der US-Wahl hat direkte Konsequenzen für die NATO, den Ukrainekrieg und Deutschland. Donald Trump könnte die transatlantischen Beziehungen und die Geschlossenheit der NATO auf die Probe stellen. Trumps wiederholte Kritik an der NATO und seiner Forderung nach mehr Eigenverantwortung der europäischen Staaten zeigen, dass wir uns nicht auf die Stabilität amerikanischer Unterstützung verlassen können. Gerade in der Ukrainefrage könnte ein erneuter Isolationismus der USA den Druck auf Europa erhöhen, selbst mehr Verantwortung zu übernehmen – militärisch, politisch und finanziell. Für mich ist klar, Deutschland muss fähig sein, unsere eigenen Interessen und die unserer Bündnispartner zu verteidigen. Das muss ausgebaut werden. Die Zeitenwende darf kein Lippenbekenntnis bleiben. Wir brauchen eine wehrhafte Demokratie mit einer Bundeswehr, die sowohl technologisch als auch personell auf der Höhe der Zeit ist. Unsere östlichen Partnerländer haben das bereits verstanden, Polen gibt beispielsweise knapp 4 Prozent seiner Wirtschaftsleistung für Verteidigung aus. Da hat Deutschland noch Nachholbedarf.
DWN: Deutschland liefert dieses Jahr noch zwei weitere Iris-T-Systeme und Drohnen an die Ukraine: Warum ist eine militärische Unterstützung der Ukraine mit Waffen in Ihren Augen notwendig? Welche Gefahr geht für Sie von Russland aus?
Marcus Faber: Die Ukraine verteidigt nicht nur ihr eigenes Territorium, sondern auch die Prinzipien des Völkerrechts und der europäischen Sicherheitsordnung. Wir können es nicht zulassen, dass Diktatoren wie Putin sich ein Land nach dem anderen nehmen. Nach Tschetschenien, Georgien, 2014 mit der Krim und dem Donbass sehen wir, was passiert, wenn wir das nicht stoppen. Das bedeutet, die westlichen Staaten müssen geschlossen und konsequent unterstützen. Militärisch heißt das: Die Ukraine benötigt weiterhin moderne Waffensysteme, Ausbildung und logistische Unterstützung. Klar muss auch sein, wenn die Ukraine verliert, dann zieht das eine riesige Flüchtlingswelle Richtung Westen nach sich.
Marcus Faber: „Wir brauchen im Bundestag eine Debatte um die Lieferung für Taurus“
DWN: Nach der Erlaubnis von US-Präsident Joe Biden für die Ukraine, ATACMS-Kurzstreckenraketen auch auf russisches Territorium feuern zu dürfen, übt die FDP in der Taurus-Frage erneut Druck auf Kanzler Scholz aus, der bisher eine Freigabe der Marschflugkörper verneint. Ihre Fraktion will jetzt im Bundestag einen Antrag zur Lieferung an die Ukraine zur Abstimmung stellen. Warum wäre Taurus für die Ukraine wichtig?
Marcus Faber: Sie könnten entscheidend dazu beitragen, russische Versorgungswege und militärische Infrastruktur im Hinterland zu schwächen. Als Freie Demokraten stehen wir fest an der Seite der Ukraine und werden uns auch weiterhin im Bundestag für ihre Unterstützung einsetzen. Die Sicherheit Europas steht auf dem Spiel – hier zu zögern, wäre fatal. Das Gegenargument, dass die Lieferung die Ausweitung des Krieges befeuern könnte, ist nicht schlüssig. Die Eskalation wurde von Russland eingeleitet. Unsere Unterstützung ist eine Antwort, um das Recht durchzusetzen, nicht um den Konflikt auszuweiten.
Zeitenwende: Wie kriegstüchtig ist Deutschland?
DWN: Was passiert, wenn die Eskalationsstufe auch Deutschland erreicht? Sie sind bestens mit der Truppe vertraut, besuchen oft die Soldaten vor Ort, auch in ihrem Wahlkreis Altmarkt. Wie ist ihr Eindruck: Ist die Zeitenwende inzwischen bei der Bundeswehr angekommen? Wie steht es um die Ausstattung der Soldaten und um die Brigade in Litauen?
Marcus Faber: Die Zeitenwende ist noch nicht überall in der Gesellschaft angekommen. Da ist von allen Akteuren mehr Erklären notwendig. Mit dem Sondervermögen wird größtenteils nur altes Material gegen neues ersetzt. Da haben wir, von der Flugabwehr abgesehen, keine neuen Fähigkeiten dazugewonnen. Trotz der 100 Milliarden Euro sind Probleme wie Munitionsmangel, immer noch zu langsame Beschaffungsprozesse und mangelnde Einsatzbereitschaft weiterhin akut. Auch die Brigade für Litauen ist nur unzureichend ausgestattet, was ein schlechtes Signal an unsere NATO-Partner ist.
DWN: Wie ist die Bundeswehr personell aufgestellt? Brauchen wir wieder eine Wehrpflicht? Sie selbst haben den Grundwehrdienst als Panzerpionier an der Elb-Havel-Kaserne Havelberg absolviert.
Marcus Faber: Eine allgemeine Wehrpflicht sehe ich nicht hilfreich, um die Personalprobleme bei der Bundeswehr in den Griff zu bekommen. Auf der einen Seite hat die Bundeswehr die Kapazitäten, also Kasernen und Ausbilder, und auf der anderen Seite benötigt sie Spezialisten, die auch Lust auf den Job haben. Beim Thema Wehrpflicht müssen wir im Jahre 2024 dann auch berücksichtigen, dass wir weder das Geschlecht noch das Alter diskriminieren können, um vor Gerichten zu bestehen. Das heißt, auch Frauen und jeder Ältere, der noch nicht gedient hat, müsste eingezogen werden. Der derzeit von Pistorius anvisierte Weg, dass man nur verpflichtet wird, einen Fragebogen auszufüllen, in dem man auch ankreuzen kann, dass man kein Interesse hat, finde ich besser. Klar ist aber, die Bundeswehr muss als Arbeitgeber attraktiver werden. Ohne ausreichendes Personal, moderne Ausstattung und klare strategische Vorgaben kann die Verteidigungsfähigkeit nicht verbessert werden. Unsere Sicherheit darf nicht länger auf die lange Bank geschoben werden.
DWN: Welche persönlichen Wünsche haben Sie für das neue Jahr?
Marcus Faber: Mein Wunsch für 2025 ist auf der einen Seite ein Deutschland, das seine Verantwortung in Europa und der Welt ernst nimmt – sicherheitspolitisch, wirtschaftlich und technologisch. Ein Land, das seinen Soldatinnen und Soldaten die bestmögliche Ausrüstung und Unterstützung bietet. Auf der anderen Seite könnte jeder in sich gehen und überlegen, ob er der Ukraine etwas zu Weihnachten spendet.
DWN: Vielen Dank für das Interview! Schöne Weihnachten und uns allen einen hoffentlich friedvollen Jahreswechsel!
Info zur Person: Dr. Marcus Faber, FDP-Bundestagsabgeordnete, Altmärker, Politikwissenschaftler, seit September 2017 Mitglied des Deutschen Bundestages und dort Vorsitzender des Verteidigungsausschusses. Er war Leiter der Bundestagsdelegation zur Interparlamentarischen Konferenz für die Gemeinsame Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Er ist ordentliches Mitglied der Parlamentarischen Versammlung der Nato und stellvertretender Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Parlamentariergruppe.