Politik

Verteidigungsminister Pistorius für mehr Engagement im Nahen Osten

Wie weiter für die Bundeswehr im Nahen Osten? Drei Tage nach dem Umsturz in Syrien bereist der Verteidigungsminister zwei Nachbarländer in der Region. Wie wird die neue Arbeitsteilung in der Nato ab 2025 aussehen?
11.12.2024 17:03
Aktualisiert: 17.12.2024 17:03
Lesezeit: 3 min
Verteidigungsminister Pistorius für mehr Engagement im Nahen Osten
Boris Pistorius (SPD), Bundesminister der Verteidigung, gibt auf der Airbase in Al-Azraq ein Pressestatement. Von dem Militärflughafen geht es anschließend weiter nach Bagdad. Der SPD-Politiker besucht deutsche Soldaten in der Region. (Foto: dpa) Foto: Kay Nietfeld

Verteidigungsminister Boris Pistorius will im Irak über Möglichkeiten für ein stärkeres Engagement Deutschlands im Nahen Osten sprechen. Entscheidend seien nach dem Umsturz in Damakus klare Signale sowohl nach Syrien als auch in die Region, sagte der SPD-Politiker nach seiner Landung auf dem jordanischen Luftwaffenstützpunkt Al-Asrak. Europa und Deutschland hätten eine Verantwortung zur Stabilisierung beizutragen.

„Und deswegen ist es wichtig, dass wir mit Geduld, aber auch mit Entschlossenheit an der Seite derer stehen, die Syrien auf einen besseren Weg führen wollen“, sagte Pistorius. Er kündigte an, im Januar zu Gesprächen in die Türkei zu fahren.

Der SPD-Politiker wollte sich bei Treffen mit deutschen Soldaten über die Lage in der Region informieren und in Regierungsgesprächen in Bagdad Möglichkeiten für weitere deutsche Beiträge zur Stabilisierung ausloten. Jordanien und der Irak sind Nachbarländer Syriens, wo am Wochenende Machthaber Baschar al-Assad durch eine von Islamisten angeführte Rebellenallianz gestürzt worden war. Dies bietet Chancen, birgt auf absehbare Zeit aber auch viel Ungewissheit.

Al-Asrak als Drehkreuz deutscher Beteiligung

Die Bundeswehr beteiligt sich im Irak sowie von Jordanien aus mit rund 300 Männern und Frauen an den internationalen Einsätzen zur Stabilisierung. Deutschland stellt damit Soldaten für das von den USA angeführte Militärbündnis der „Operation Inherent Resolve“ (OIR) zum Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) sowie für die Nato-Mission Irak (NMI). Darunter sind militärische Berater, die in irakischen Institutionen, Schulen und Ausbildungseinrichtungen unterwegs sind.

Die Militärbasis Al-Asrak ist das Drehkreuz für das deutsche Engagement, war aber auch bei anderer Gelegenheit schon nützlich, so im Jahr 2023 beim Evakuierungseinsatz der Bundeswehr aus dem Sudan. Auf der Basis hält die Deutsche Luftwaffe auch die Fähigkeit zur Luftbetankung von Flugzeugen bereit.

Hinter Einsätzen im Irak ein Fragezeichen

„Der sogenannte Islamische Staat (IS) stellt trotz des Verfolgungsdrucks durch die irakische Armee auch weiterhin eine landesweite Bedrohung aufgrund der anhaltenden terroristischen Aktionen gegen irakische Sicherheitskräfte, lokale Verwaltungsstrukturen und kritische Infrastruktur dar“, hieß es in der vergangenen Woche in einem Lagebericht für den Verteidigungsausschuss.

Die internationale Truppenpräsenz ist im Irak umstritten

Im April 2003 hatten die USA eine „Koalition der Willigen“ zu einem Angriff auf den Irak angeführt – allerdings ohne Beteiligung Deutschlands. US-Außenminister Colin Powell hatte behauptet, Diktator Saddam Hussein besitze Massenvernichtungswaffen. SPD-Kanzler Gerhard Schröder und der grüne Außenminister Joschka Fischer („Excuse me, I am not convinced“) hatten sich dagegen gestemmt.

Die US-Invasion führte zum Sturz von Diktator Hussein, leitete aber auch Jahre mit Terroranschlägen und Verschleppungen ein. Aus Chaos und Radikalisierung setzte der Islamischer Staat (IS) zu einem Vormarsch an, bei er große Teile des Landes gewaltsam unter seine Kontrolle brachte und das Herrschaftsgebiet mit internationalem Eingreifen wieder verlor.

Iraks Ministerpräsident Mohammed al-Sudani scheint nun ein neues Kapitel aufschlagen zu wollen. Es gebe „keine Rechtfertigung“ mehr für die große US-Präsenz im Land, betonte er mehrmals.

Auch die USA sprachen zuletzt davon, ihre Militärpräsenz im Irak schrittweise neu ausrichten zu wollen - weg von der internationalen Militärkoalition in dem Land und hin zu einer bilateralen Sicherheitspartnerschaft.

Al-Sudani will bilaterale Abkommen auch mit anderen Partnern vereinbaren. Er reiste Ende November für zwei Tage nach Spanien und unterzeichnete mehrere Absichtserklärungen über Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz, Sicherheit, in Wirtschafts- und Handelsfragen und in der Korruptionsbekämpfung.

Phase der Ungewissheit im Nahen Osten

Auf dem Programm von Pistorius in Bagdad stehen Gespräche mit dem irakischen Verteidigungsminister Thabet al-Abbasi sowie mit dem Kommandeur der Nato-Mission Irak, dem niederländischen Generalleutnant Lucas Schreurs.

Vor dem Hintergrund des Gaza-Kriegs, nach den Kämpfen zwischen Israel und der Hisbollah-Miliz und wenige Tage nach dem Umsturz in Syrien gibt es eine neue Phase der Unsicherheit im Nahen Osten. Nach dem Umsturz in Syrien hat der Irak seine Grenzsicherung verstärkt und den Grenzübergang Al-Kaim geschlossen.

Steuert der Nahe Osten auf einen Kurs der Stabilisierung oder folgen weitere gewaltsame Auseinandersetzungen? Wie verhalten sich Israel und der geschwächt erscheinende Iran? Die neue Situation ist geeignet, das regionale Kräftegleichgewicht deutlich zu verändern. Pistorius reist in eine Region, in der es zunächst mehr offene Fragen als Antworten gibt.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Arbeiten nach der Schule: Warum viele keine Ausbildung beginnen
19.07.2025

Schnell Geld verdienen statt jahrelang pauken – das klingt für viele junge Menschen verlockend. Doch wer direkt nach der Schule in den...

DWN
Politik
Politik Militär statt Frieden? Was das EU-Weißbuch 2030 wirklich bedeutet
19.07.2025

Mit dem Weißbuch „Bereitschaft 2030“ gibt die EU ihrer Sicherheitspolitik eine neue Richtung. Doch Kritiker warnen: Statt...

DWN
Politik
Politik Nordkoreas Kronprinzessin: Kim Ju-Ae rückt ins Zentrum der Macht
18.07.2025

Kim Jong-Un präsentiert die Zukunft Nordkoreas – und sie trägt Handtasche. Seine Tochter Kim Ju-Ae tritt als neue Machtfigur auf. Was...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Birkenstock: Von der Orthopädie-Sandale zur globalen Luxusmarke
18.07.2025

Birkenstock hat sich vom Hersteller orthopädischer Sandalen zum weltweit gefragten Lifestyle-Unternehmen gewandelt. Basis dieses Wandels...

DWN
Politik
Politik 18. Sanktionspaket verabschiedet: EU verschärft Sanktionsdruck mit neuen Preisobergrenzen für russisches Öl
18.07.2025

Die EU verschärft ihren wirtschaftlichen Druck auf Russland: Mit einem neuen Sanktionspaket und einer Preisobergrenze für Öl trifft...

DWN
Politik
Politik China investiert Milliarden – Trump isoliert die USA
18.07.2025

China bricht alle Investitionsrekorde – und gewinnt Freunde in aller Welt. Trump setzt derweil auf Isolation durch Zölle. Wer dominiert...

DWN
Finanzen
Finanzen Energie wird unbezahlbar: Hohe Strom- und Gaskosten überfordern deutsche Haushalte
18.07.2025

Trotz sinkender Großhandelspreise für Energie bleiben die Kosten für Menschen in Deutschland hoch: Strom, Gas und Benzin reißen tiefe...

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzen: Deutsche haben Angst um finanzielle Zukunft - Leben in Deutschland immer teurer
18.07.2025

Die Sorgen um die eigenen Finanzen sind einer Umfrage zufolge im europäischen Vergleich in Deutschland besonders hoch: Acht von zehn...