Homeoffice mag nach einem aufsteigenden Trend klingen, hat aber möglicherweise längst seinen Zenit erreicht: Immer mehr Unternehmen verkürzen die Homeoffice-Tage für ihre Mitarbeiter. Erst kürzlich teilte Amazon mit, dass Mitarbeiter alle fünf Arbeitstage vor Ort im Büro verbringen müssen. Auch der Versandhändler Otto möchte, dass mindestens die Hälfte der Arbeitszeit im Büro gearbeitet wird. Bei SAP und der Deutschen Bank wurden ebenfalls strengere Homeoffice-Regelungen kommuniziert.
Fehlende Identifikation mit dem Arbeitgeber und Co. als Folge von Homeoffice
Woher der Sinneswandel? Neben den vielen Vorteilen, die das Arbeiten im Homeoffice mit sich bringt, reißen auch die Vorurteile und offensichtlichen Nachteile nicht ab. Einige Arbeitgeber befürchten beispielsweise, dass ihre Mitarbeiter in den eigenen vier Wänden weniger arbeiten und stattdessen etwa dem Haushalt nachgehen würden. Ebenfalls beschäftigt Führungskräfte, dass nicht alle ihre Mitarbeiter im eigenen Heim ungestört arbeiten können. Besonders betroffene Gruppen sind Mütter und Väter, deren Kinder ebenfalls zu Hause sind.
Ein weiterer Nachteil von Homeoffice kann der fehlende Kontakt zu anderen Menschen sein. Ein kurzes Telefonat mit dem Vorgesetzten ersetzt beispielsweise nicht das persönliche Miteinander. Auch die persönlichen Gespräche innerhalb des Teams bleiben auf der Strecke. Dabei schafft gemeinsamer Austausch neue Ideen und stärkt den Zusammenhalt der Kollegen untereinander. Judith Wiese, Vorständin von Siemens, fasst zusammen: „Überall, wo Kooperation und Kreativität gefragt sind, müssen sich Leute direkt austauschen.“
Fehlende Präsenz im Unternehmen kann ebenfalls dazu führen, dass die Unternehmenskultur des Arbeitgebers für die eigenen Mitarbeiter schwieriger zu fassen ist. Daraus kann eine geringere Identifikation mit dem Unternehmen resultieren, was Einfluss auf die Arbeitsqualität und Produktivität der Mitarbeiter haben kann.
Des Weiteren kann das Arbeiten im Homeoffice zu einer hohen Arbeitsbelastung führen. Der Leistungsdruck steigt durch fehlende soziale Kontakte und Arbeitnehmer haben meist das Gefühl, ständig erreichbar sein zu müssen. Laut der Studie „Mobile Arbeit – Sozialpartnerstudie 2023“ des Fraunhofer-Instituts erleben ein Viertel der befragten Homeoffice-Nutzer die Trennung von Beruflichem und Privatem als Schwierigkeit.
Um als attraktiver Arbeitgeber am Markt wahrgenommen zu werden, ist es wichtig, auf die Bedürfnisse der potenziellen Mitarbeiter einzugehen. Eines dieser Bedürfnisse ist die Möglichkeit zum Arbeiten im Homeoffice. So fand das Meinungsforschungsinstitut YouGov in einer Umfrage zu Homeoffice und mobilem Arbeiten heraus, dass knapp die Hälfte der befragten Büroangestellten bei einer Abschaffung oder Einschränkung von Homeoffice oder mobilem Arbeiten ihren Job kündigen würden. Eine vollständige Abschaffung von Homeoffice wird daher nicht empfohlen. Viel eher geht es darum, als Unternehmen geeignete Strategien zu entwickeln, um Mitarbeiter zum Gang ins Büro zu motivieren.
Klare Kommunikation und das Schaffen motivierender Anreize
Eine Möglichkeit zur Vereinbarkeit von Homeoffice und Präsenzarbeit stellen hybride Arbeitsmodelle dar. Bei diesen dürfen Mitarbeiter eine feste Anzahl an Tagen pro Woche oder Monat von zu Hause aus arbeiten. Mitarbeiter werden dabei in ihren Bedürfnissen nach Flexibilität und Autonomie befriedigt, während gleichzeitig die Vorteile von Präsenzarbeit gelebt werden können.
Um bei den Mitarbeitern nicht auf Unverständnis zu stoßen, wenn die Homeoffice-Tage gekürzt werden, ist eine offene Kommunikation wichtig. Mitarbeitern sollten die Gründe für die Regelung verständlich erklärt werden, beispielsweise, dass das Unternehmen den Zusammenhalt innerhalb des Teams erhöhen möchte. Auch die generellen Vorteile der Präsenzarbeit sollten an die Mitarbeiter herangetragen werden. Wichtig ist beim Arbeiten im Büro vor Ort, den Mitarbeitern weiterhin ihre Freiheiten zu lassen. Viele Arbeitnehmer schätzen das selbstständige Arbeiten ohne Kontrolle im Homeoffice. Führungskräfte sollten daher klar vermitteln, das dies auch weiterhin erhalten bleibt.
Ein weiteres zentrales Element ist, dass das Arbeiten im Büro für die Mitarbeiter keinen Nachteil darstellen darf. Arbeitgeber können zum Beispiel den Fahrtweg mit dem Jobticket oder einem Jobbike fördern. Auch eine Mensa mit einem günstigen und ausgewogenen Angebot kann für Mitarbeiter ein Grund sein, ins Büro zu kommen. Zusätzlich gefördert werden kann dies mit Verabredungen zu gemeinsamen Mittagessen. Auch andere Präsenz-Veranstaltungen sind möglich, wie zum Beispiel After-Work-Veranstaltungen und Teamevents.
Ebenfalls wichtig: Angenehme Arbeitsplätze, an denen die Angestellten konzentriert arbeiten können. Für Besprechungen sollte es separate Besprechungszimmer geben. Vor der Einführung neuer Präsenzregelungen muss sichergestellt sein, dass auch alle Mitarbeiter im Büro einen geeigneten Arbeitsplatz finden. So verschiebt sich beispielsweise die von Amazon ausgerufene Präsenzpflicht um mehrere Monate, weil einige der Büros in den USA nicht genügend Platz für alle Mitarbeiter bieten.
Den Vorteil des Homeoffice wollen viele Arbeitnehmer nicht mehr missen. Trotz einiger Schwierigkeiten und Probleme, die das Arbeiten von zu Hause aus mitbringen kann, sollten Unternehmen nicht vollständig auf dieses verzichten. Ein Mix zwischen Präsenz- und Heimarbeit kann hier eine passende Lösung sein. Mitarbeiter sollten außerdem davon überzeugt werden, warum sich der Gang ins Büro für sie lohnen kann. Mit einer offenen Arbeitsatmosphäre und passenden Job-Benefits für die Mitarbeiter kann es durchaus gelingen, die Präsenzquote im Büro zu erhöhen.