Frauen häufiger von psychischer Gewalt betroffen
Beschäftigte aus dem Gesundheits- und Sozialwesen sowie der öffentlichen Verwaltung sind besonders betroffen: Mehr als die Hälfte der Befragten berichtete von mindestens einem verbalen Übergriff. In den Branchen Verkehr, Handel und Erziehung gab mehr als ein Drittel ähnliche Erfahrungen an.
Insgesamt erleben Frauen (41 Prozent) häufiger psychische Gewalt bei der Arbeit als Männer (32 Prozent). Die Unterschiede betreffen vor allem Formen psychischer sexualisierter Gewalt (9 vs. 2 Prozent) sowie Beschimpfungen und Beleidigungen (35 vs. 28 Prozent).
Verbale Übergriffe überwiegen – körperliche Attacken seltener
Beleidigungen und Beschimpfungen kommen am häufigsten vor (32 Prozent). Aber auch Spott, Schikanen und Verleumdungen (12 Prozent) sowie Drohungen und Erpressungen (7 Prozent) sind keine Seltenheit. Rund 6 Prozent der Befragten haben zudem Erfahrungen mit sexualisierter psychischer Gewalt, etwa durch anzügliche Gesten oder Sprüche.
„Auch rein verbale Gewalt kann ernsthafte psychische Auswirkungen haben“, sagt Hannah Huxholl, Psychologin bei der Unfallversicherung. Doch psychische Gewalt werde statistisch häufig nicht erfasst. „Unsere Umfrage macht diese Formen von Gewalt sichtbar“, sagt DGUV-Hauptgeschäftsführer Stefan Hussy.
Körperliche Übergriffe kommen im Vergleich zu verbalen deutlich seltener vor: Von physischer Gewalt berichteten 8 Prozent der Befragten. Teilnehmer aus dem Gesundheits- und Sozialwesen erleben Attacken wie Schubsen, Anspucken sowie Tritte und Schläge dabei viel häufiger (22 Prozent) als der Durchschnitt.
Steigende Sensibilität gegenüber Gewaltvorfällen
Jeder fünfte Beschäftigte stellte in der Befragung eine Zunahme psychischer oder physischer Gewalt innerhalb der vergangenen zwölf Monate fest. „Heutzutage schauen wir viel sensibler auf das Thema“, so Huxholl. „Die Gesellschaft ist immer weniger bereit, Gewalt hinzunehmen und ergreift Maßnahmen dagegen.“
Trotzdem bleibe das Thema oft schambehaftet. „Viele, die Gewalt erlebt haben, geben sich selbst die Schuld dafür“, sagt die Psychologin. Nicht jeder Vorfall werde gemeldet. Nur etwas mehr als die Hälfte der Betroffenen hat ein Gewaltereignis der Umfrage zufolge auch ihrer Führungskraft gemeldet. 12 Prozent haben den Vorfall bei Behörden angezeigt. „Die Dunkelziffer ist wahrscheinlich um einiges höher“, sagt sie.
Unternehmenskultur als Schlüssel zur Prävention
Die Unternehmenskultur spielt eine entscheidende Rolle im Umgang mit Gewalt am Arbeitsplatz – und ob Betroffene darüber sprechen. „Betriebe, die klarmachen, dass Gewalt kein ‚Teil des Jobs‘ ist, schaffen eine Umgebung, in der sich Betroffene sicher fühlen können“, erklärt Huxholl.
Ein Teil der Unternehmen ergreift der Umfrage zufolge bereits präventive Maßnahmen, wie Deeskalationstrainings, Notfallpläne oder eine betriebliche psychologische Erstbetreuung. „Sie zeigen, dass viele Betriebe und Einrichtungen sich bereits auf den Weg gemacht haben“, betont DGUV-Hauptgeschäftsführer Hussy.