Politik

Österreich vor dem Rechtsruck: FPÖ bekommt Auftrag zur Regierungsbildung

Die rechte FPÖ war der klare Sieger der Wahl in Österreich. Nach dramatischen Tagen bekommen die Rechtspopulisten nun die Chance, eine Regierungskoalition zu schmieden.
06.01.2025 15:07
Lesezeit: 2 min

Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat der rechtspopulistischen FPÖ offiziell den Auftrag zur Bildung einer Regierung erteilt. Das teilte das Staatsoberhaupt bei einer Pressekonferenz in Wien mit. Parteichef Herbert Kickl solle Gespräche mit der konservativen ÖVP aufnehmen, sagte Van der Bellen. Damit könnte die FPÖ erstmals in Österreich das Kanzleramt übernehmen.

Das Land brauche gerade in der aktuell wirtschaftlich äußerst schwierigen Lage eine arbeitsfähige Regierung. Kickl habe ihm in dem Gespräch versichert, dass er sich die Aufgabe als Kanzler zutraue, sagte Van der Bellen. "Der Respekt vor dem Wählervotum gebietet es, dass der Bundespräsident die Mehrheit achtet", auch wenn er selbst möglicherweise andere Wünsche und Vorstellungen habe. «Ich habe mir diesen Schritt nicht leicht gemacht», sagte er.

Das rund einstündige Treffen von Van der Bellen und Kickl war begleitet von Protesten. Vor der Präsidialkanzlei waren Hunderte Demonstranten aufmarschiert, die vor einem gewaltigen Rechtsruck warnten.

Die FPÖ hatte die Parlamentswahl im September mit knapp 29 Prozent der Stimmen gewonnen. Zunächst wollte niemand mit den Rechtspopulisten regieren. Doch Gespräche über eine Regierung aus den Mitte-Parteien scheiterten.

ÖVP nach Kurswechsel zur Zusammenarbeit bereit

Die ÖVP hat nach der Ankündigung des Rückzugs von Kanzler Karl Nehammer am Wochenende einen Kurswechsel vollzogen. Sie hat ihre Bereitschaft erklärt, als Juniorpartner der FPÖ eine Regierung zu bilden.

Die konservative ÖVP und die rechte FPÖ hatten bereits in den 2000er Jahren und zwischen 2017 und 2019 Koalitionen gebildet - allerdings unter ÖVP-Regierungschefs.

Zunächst müssten sich die beiden Parteien jedoch erneut auf ein Regierungsprogramm einigen. Bei Themen wie Migration und Steuern scheinen sich die Ansichten der beiden Parteien weitgehend zu decken. Doch zwischen der Moskau-freundlichen und EU-kritischen FPÖ und der ÖVP gibt es unter anderem Differenzen in Sachen Außen- und Sicherheitspolitik.

Großer Knackpunkt ist die Bewältigung der Budgetkrise

Völlig offen seien auch gemeinsame Konzepte zur Bewältigung der tiefen Budgetkrise, sagte der Präsident des Fiskalrats Christoph Badelt im ORF. Es sei fraglich, ob ein neuer Kanzler von der FPÖ mit unpopulären Sparmaßnahmen oder Steuererhöhungen starten wolle, so Badelt weiter. "Wir wissen alle nicht, wozu die FPÖ, wenn es wirklich ums Budgetkonsolidieren geht, eigentlich bereit wäre." Österreich muss dringend seinen Haushalt sanieren, um ein EU-Defizitverfahren zu vermeiden.

Die Budgetregeln der EU sehen vor, dass das Budgetdefizit in EU-Staaten drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) nicht überschreiten darf. Der Schuldenstand sollte zudem nicht mehr als 60 Prozent des BIP betragen. Die EU-Kommission rechnet für 2025 und 2026 jeweils mit einem Budgetdefizit in Österreich von rund 3,6 Prozent.

Das Staatsoberhaupt, ehemals Vorsitzender der Grünen, hatte in seinen Erklärungen immer wieder betont, dass er «nach bestem Wissen und Gewissen» darauf achten werde, dass die Grundpfeiler der Demokratie - er nannte den Rechtsstaat, die Gewaltenteilung, freie, unabhängige Medien und die EU-Mitgliedschaft - weiter hochgehalten würden.

Scheitern der Dreier- und Zweier-Koalitionsgespräche

Van der Bellen hatte nach der Parlamentswahl entgegen der Gewohnheit nicht die FPÖ als Stimmen stärkste Partei mit der Regierungsbildung beauftragt. Er berücksichtigte dabei, dass keine der anderen Parteien mit der FPÖ unter Kickl koalieren wollte und aus seiner Sicht ein solcher Auftrag nur "leere Kilometer" bedeutet hätte.

Vor wenigen Tagen scheiterten aber die Koalitionsgespräche von ÖVP, SPÖ und liberalen Neos nach wochenlangen Verhandlungen. Auch der Versuch einer Zweier-Koalition von ÖVP und SPÖ wurde schnell beendet. Damit waren die Karten neu gemischt.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Dollar unter Druck: Starökonom Rogoff warnt vor globalem Finanzbeben
06.05.2025

Kenneth Rogoff, einer der einflussreichsten Ökonomen unserer Zeit, schlägt erneut Alarm – und diesmal geht es um nicht weniger als das...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft E Auto im Preiskampf – Preisnachlässe für Elektromobilität wegen strenger CO₂-Vorgaben
06.05.2025

Die Nachlässe auf reine Elektroautos sind im April deutlich gestiegen und liegen laut Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer nun bei...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Ifo-Institut: Selbstständige wegen Auftragsmangel unter Druck
06.05.2025

Das Geschäftsklima für die Selbständigen und Kleinstunternehmen hat sich deutlich verschlechtert: Fast jeder zweite befragte...

DWN
Politik
Politik Kanzlerwahl: Merz im ersten Wahlgang gescheitert – Scholz bleibt vorerst Kanzler - was für ein Zapfenstreich
06.05.2025

Das gab es noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik: CDU-Chef Merz hat im ersten Wahlgang bei der Kanzlerwahl keine Mehrheit erreicht....

DWN
Finanzen
Finanzen Tesla-Aktie taumelt: Beim US-Elektroautobauer geht es um weit mehr als Elon Musk
06.05.2025

Tesla steht vor der schwersten Krise seit Jahren. Der Tesla-Aktienkurs ist in den vergangenen Monaten dramatisch abgestürzt, die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft USA am Rande einer Rezession – Europa kämpft sich langsam zurück
06.05.2025

Erstmals seit Jahren schrumpft die US-Wirtschaft – trotz boomender Konsumausgaben. Europa zeigt vorsichtige Stabilität, das ist die gute...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Warren Buffett tritt ab: Machtwechsel bei Berkshire Hathaway erschüttert Finanzwelt
06.05.2025

Buffetts Abgang bringt Unsicherheit: Der Abschied des Investors trifft Berkshire Hathaway und die Märkte ins Mark – und öffnet die Tür...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Diversität: Deutsche Firmen setzen weiter auf Vielfalt - „Charta der Vielfalt“ sieht keinen Rückzug
06.05.2025

Google, Meta, T-Mobile: In den USA schaffen viele Unternehmen die Diversitätsprogramme zunehmend ab. Firmen in Deutschland hingegen halten...