1-Euro-Haus in Italien: Eine Marketingidee zur Wiederbevölkerung kleiner, aussterbender Dörfer
Für den symbolischen Preis eines Espressos bieten zahlreiche italienische Regionen Häuser zum Kauf an. Die meisten Immobilien, die im Rahmen des "Case a 1 Euro"-Programms verkauft werden, liegen in schönen, aber alten Dörfern und sind stark renovierungsbedürftig. Genau das ist die Idee hinter der Initiative: Menschen erhalten für einen symbolischen Preis ein Haus und verpflichten sich im Gegenzug, die bröckelnde Bausubstanz zu erhalten. Je nach Zustand können so Kosten entstehen, wie sie auch bei gut erhaltenen Altbauten anfallen. Ganz neu ist das Ganze nicht. Die Initiative entstand 2008 in einer kleinen Stadt auf Sizilien, in Salemi in der Provinz Trapani, und war so erfolgreich, dass viele andere Dörfer diesem Beispiel folgten. Sie breitete sich dann schnell zunächst in Süditalien aus und erreichte später auch viele kleine Dörfer in Norditalien.
Was bedeutet 1-Euro-Haus genau?
1-Euro-Häuser sind seit Langem leerstehende Immobilien, deren Zustand stark variiert: vom "Steinhaufen auf einem Grundstück" bis zu "verfallenen Gebäuden in alten Dörfern". Häufig handelt es sich auch um "renovierungsbedürftige Wohnungen aus den Sechziger- oder Siebzigerjahren". Diese Objekte werden zum symbolischen Preis von einem Euro abgegeben.
Die Idee klingt verlockend: Ein eigenes Haus in malerischen Orten für nur einen Euro? Doch das scheinbare Traumangebot hat seinen Preis – in Form klarer Auflagen, Sanierungspflichten und nicht zu unterschätzender Behördengänge. Wer sich davon nicht abschrecken lässt, erhält die Chance auf ein neues Zuhause und ein Stück italienischer Lebensart.
Symbolpreis mit Verpflichtung
Die Grundidee ist einfach: Verfallene Gebäude werden für einen Euro verkauft – mit dem Ziel, sie wieder nutzbar zu machen. Damit sollen Dörfer und Altstädte, die durch Abwanderung und Überalterung verfallen, neu belebt werden. Günstig heißt aber nicht kostenlos: Käufer verpflichten sich meist, innerhalb von ein bis drei Jahren umfassende Renovierungen vorzunehmen. Weitere Bedingungen sind oft die Anmeldung eines Hauptwohnsitzes vor Ort und die tatsächliche Nutzung des Hauses. Kinder sollen vor Ort zur Schule gehen, um die Infrastruktur zu erhalten. Aufwand und Kosten sind also immens.
Bauvorschriften und mehr
Der demografische Wandel trifft viele ländliche Regionen Italiens hart. Die Abwanderung junger Menschen in Städte oder ins Ausland lässt ganze Dörfer verwaisen. Verlassene Immobilien belasten die Kommunen finanziell und beeinträchtigen das Ortsbild. Statt Abriss suchen viele Gemeinden nach kreativen Lösungen – etwa durch das 1-Euro-Modell. Parallel gibt es weitere Maßnahmen, um neue Bewohnerinnen und Bewohner anzulocken.
Wer glaubt, direkt nach dem Kauf mit den Arbeiten beginnen zu können, irrt. In Italien gelten strenge Bauvorschriften – deren Einhaltung meist nur mit lokalen Experten gelingen. Für fast alle Arbeiten benötigt man einen sogenannten Geometra, Architekten oder Ingenieur. Dieser reicht die Pläne bei der Gemeinde ein – und ohne diese Genehmigung wiederum ist kein Bau erlaubt. Gerade denkmalgeschützte Häuser unterliegen besonderen Auflagen. Bestimmte Materialien sind vorgeschrieben, die Fassadengestaltung ist oft nur eingeschränkt möglich. Lokale Bauämter überwachen regelmäßig den Fortschritt. Verstöße – etwa Bauen ohne Genehmigung – können Strafen oder sogar Rückbauten nach sich ziehen.
1-Euro-Haus: Tipps für Interessierte
Wer ein 1-Euro-Haus kaufen will, sollte nicht nur vom Eigenheim träumen, sondern realistisch planen. Vier zentrale Hinweise:
- Gründlich informieren: Die Bedingungen unterscheiden sich je nach Gemeinde. Wer Risiken vermeiden möchte, sollte Ausschreibungen und Webseiten genau studieren.
- Sanierungskosten ehrlich kalkulieren: Die meisten Objekte sind stark renovierungsbedürftig. Kostenvoranschläge sollten frühzeitig eingeholt werden.
- Mit Fachkräften arbeiten: Ein ortskundiger Architekt oder Geometra unterstützt bei Genehmigungen und Umsetzung.
- Langfristige Perspektive klären: Das Modell eignet sich eher für dauerhaften Wohnsitz als für gelegentliche Aufenthalte.
Als Ausländer ein 1-Euro-Haus erwerben
Können Ausländer in Italien 1-Euro-Häuser kaufen? Ja! Doch einiges ist zu beachten. Erwerbsberechtigt sind alle Staatsangehörigen jener Länder, in denen auch Italiener Immobilien kaufen dürfen. Das betrifft Bürgerinnen und Bürger der EU sowie aus Kanada, den USA und Großbritannien. In der Schweiz ist der Erwerb erlaubt, sofern die Nettofläche 200 Quadratmeter nicht überschreitet.
Ausländische Staatsangehörige können nur dann ein solches Haus erwerben, wenn sie im Besitz einer italienischen Steuernummer sind. Diese wird für die Steuerzahlung benötigt. Die italienische Steuerbehörde stellt das Dokument aus, das gegenüber Behörden und öffentlichen Einrichtungen als Nachweis dient. Es kann auch im Ausland – von Italienern wie Ausländern – über das Konsulat beantragt werden.
Die Zuteilung erfolgt sofort und wird über eine spezielle Telematikverbindung mit dem Fisconline-Dienst der italienischen Steuerbehörde abgewickelt. Für die Beantragung beim Konsulat sind ein Formular und eine Ausweiskopie erforderlich.
Voraussetzungen für den Kauf eines 1-Euro-Hauses
Es gibt keine besonderen Anforderungen für den Erwerb eines 1-Euro-Hauses in Italien, jedoch einige Grundbedingungen, die je nach Gemeinde unterschiedlich sind.
In manchen Dörfern ist es etwa erforderlich, beim Kauf ein Projekt für touristische oder gastronomische Nutzung vorzulegen. In anderen Fällen sind die Häuser nur für Wohnzwecke oder ohne konkrete Auflagen vorgesehen.
Einkommens- oder Vermögensgrenzen bestehen nicht. Grundsätzlich kann jeder Interessierte teilnehmen. Wichtig ist allerdings, die Fristen für Renovierung und Modernisierung einzuhalten, um das Projekt nicht zu verlieren. Zudem sind Notargebühren, Eigentumsurkunden und Renovierungskosten vom Käufer zu tragen.
So funktioniert der Erwerb
Wer Zeit mitbringt, kann Italien bereisen und direkt vor Ort Gemeinden aufsuchen. Viele Orte zeigen die Häuser gern, oft auch spontan. Dennoch empfiehlt sich eine Terminvereinbarung und gezielte Ortsauswahl.
Ansprechpartner vor Ort
Zuständig sind die jeweiligen Gemeinden. Diese veröffentlichen Listen mit verfügbaren Objekten. Ansprechpartner sind meist kommunale Mitarbeitende, Agenturen oder lokale Start-ups – oft gegründet von Rückkehrern, die ihre Heimat wiederbeleben wollen.
Welche Vorgaben gelten für Käufer?
Trotz des symbolischen Kaufpreises gibt es verbindliche Auflagen. Käufer müssen in der Regel:
- mögliche Altlasten begleichen
- alle nötigen Unterlagen einreichen
- einen Sanierungsplan erstellen lassen
- innerhalb weniger Monaten nach Genehmigung mit der Renovierung beginnen
- die Arbeiten innerhalb eines festgelegten Zeitraums abschließen
- eine Kaution bei der Gemeinde hinterlegen
- in manchen Fällen eine Versicherung abschließen
Wie viel Gestaltung ist erlaubt?
Ein Sanierungskonzept ist erforderlich und muss genehmigt werden. Um das Ortsbild zu erhalten, sind Änderungen an der Fassade meist nur begrenzt möglich. Markante Modernisierungen werden in der Regel abgelehnt.
Welche Nebenkosten entstehen?
Käufer sollten mit folgenden Ausgaben rechnen, je nach Objekt und Konditionen variieren diese erheblich:
- Notarkosten: zwischen 1.000 und 1.500 Euro
- Steuern: mindestens 1.000 Euro bei Zweitwohnsitz, zuzüglich Hypotheken- und Katastersteuer
- Geometra für Sanierungsplan: rund 3.500 Euro
- Renovierungskosten: je nach Aufwand zwischen 700 und 1.400 Euro pro Quadratmeter
Ein Rechenbeispiel: Bei einem Haus mit 80 Quadratmetern liegen die Gesamtkosten zwischen 70.000 und 125.000 Euro.
Wie geht es weiter, wenn die Entscheidung steht?
Wer sich für ein Objekt entschieden hat, muss meist:
- das Interesse offiziell bei der Gemeinde bekunden (Formulare einreichen),
- den Sanierungsplan vorlegen,
- die Garantiesumme – meist 5.000 Euro – hinterlegen,
- eine italienische Steuernummer (codice fiscale) beantragen – auch über das zuständige Konsulat.
Digitalisierung bringt neuen Schwung
Im Jahr 2024 hat die italienische Regierung gemeinsam mit mehreren Regionen neue digitale Plattformen eingeführt, um den Erwerb von 1-Euro-Häusern zu vereinfachen und transparenter zu gestalten. Diese Digitalisierung hat das internationale Interesse deutlich erhöht – insbesondere bei jüngeren Interessenten aus Deutschland, den USA und Japan. Laut einer Erhebung des italienischen Städtebundes ANCI hat sich die Zahl ausländischer Kaufinteressenten seit 2022 verdoppelt. Einige Regionen werben gezielt um kreative Freiberufler und digitale Nomaden, denen Co-Working-Spaces und steuerliche Vorteile geboten werden. Besonders gefragt sind derzeit Immobilien in der Toskana, den Abruzzen und der Basilikata. Auch Investoren zeigen zunehmendes Interesse: Private Stiftungen und gemeinnützige Projekte erwerben 1-Euro-Häuser, um sie in Ateliers, Gästehäuser oder soziale Treffpunkte zu verwandeln. Damit wird das ursprüngliche Ziel um eine soziale Dimension erweitert: nachhaltige Dorfentwicklung statt reiner Immobilienverkauf.
Staatliche Hilfen zur Bau- und Energiesanierung
Wer ein Haus für einen Euro erwirbt, muss die Pflicht zur Renovierung ernst nehmen. Die italienische Regierung bietet dafür zahlreiche Boni und folgende Vergünstigungen:
- Renovierungsbonus: Hier gibt es ein Budget, innerhalb dessen Ausgaben steuerlich abgesetzt werden können.
- Restaurierungsbonus: Ermöglicht einen Steuerabzug von 50 Prozent der Ausgaben bis maximal 96.000 Euro.
Auch ein Bonus für Möbel und Haushaltsgeräte ist verfügbar: Damit können 50 Prozent der Ausgaben für neue Einrichtung gespart werden.
1-Euro-Haus: Italien zwischen Traum und Wirklichkeit
Die 1-Euro-Häuser in Italien bieten mehr als nur ein günstiges Angebot – sie sind Teil eines umfassenderen gesellschaftlichen Projekts zur Revitalisierung ländlicher Regionen. Wer sich auf die finanziellen und organisatorischen Anforderungen einlässt, kann nicht nur ein Haus erwerben, sondern auch aktiv zur Zukunft eines Ortes beitragen.