Immobilien

Sturm auf Russlands Wohnimmobilienmarkt: Kaufen wie Mieten wird unerschwinglich

Der russische Wohnungsmarkt gerät zunehmend unter Druck: Mit der drastischen Anhebung der Leitzinsen, dem Auslaufen staatlicher Förderprogramme und der anhaltenden Inflation wird Wohnraum nicht nur schwer finanzierbar, sondern auch immer teurer zur Miete. Während viele Bürger auf Mietlösungen ausweichen müssen, steigen auch hier die Preise deutlich. Nur Wohlhabende und Familien von Kriegsteilnehmern können sich noch Eigentum leisten.
25.05.2025 05:56
Lesezeit: 3 min
Sturm auf Russlands Wohnimmobilienmarkt: Kaufen wie Mieten wird unerschwinglich
Der Immobilienmarkt in Russland ist für den Großteil unerreichbar. (Foto: dpa) Foto: Leszek Szymanski

Russlands Wohnimmobilienmarkt unter Stress

Laut dem staatlich-russischen Immobilienportal Dom.RF wurden im Jahr 2024 in Russland 569.000 Neubauwohnungen verkauft – ein Rückgang von 26 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Besonders betroffen ist das mittlere und untere Marktsegment, so Irina Dobrokhotova, Gründerin der Immobilienplattform Bnmap.pro.

Die durchschnittliche Verkaufsdauer einer Neubauwohnung stieg in Moskau auf 16 Monate, in Krasnodar sogar auf 42 Monate – dort befindet sich aktuell der größte unverkaufte Wohnungsbestand des Landes.

Zinswende mit Folgen

Seit der Zentralbank Ende 2023 den Leitzins drastisch angehoben hat – um der inflationsgetriebenen Kriegsökonomie entgegenzuwirken –, pendeln die effektiven Hypothekenzinsen bei rund 29 Prozent. Der Eigenkapitalanteil beträgt mindestens 30 Prozent. Die Folge: Der Immobilienerwerb ist für den Großteil der Bevölkerung unerschwinglich geworden.

Im Januar lag das Hypothekenvolumen um 40 Prozent unter dem Vorjahr, für 2024 wird ein weiterer Rückgang um bis zu 20 Prozent erwartet. Im Vergleich zu 2023, als das Volumen noch 44,43 Mrd. Euro betrug, könnte es auf 32 bis 36,4 Mrd. Euro sinken. Im Herbst 2023 konnten lediglich 13 Prozent der Russen einen Immobilienkredit überhaupt in Erwägung ziehen – noch bevor die Zentralbank den Zinssatz um weitere zwei Prozentpunkte erhöhte.

Das Ende staatlicher Förderung

Bis Mitte 2023 florierte der Immobilienmarkt: Kriegsbedingte Konjunkturimpulse und günstige Förderprogramme befeuerten die Nachfrage. Doch die staatlich subventionierten Zinssätze (8 Prozent) liefen im Juli 2023 aus – kurz zuvor kam es noch zu einem Rekord an Kreditvergaben. Im Juni wurden über 131.000 staatlich geförderte Kredite im Gesamtwert von 6,22 Mrd. Euro vergeben – 80 Prozent aller Kredite in jenem Monat.

Seitdem ist die Nachfrage eingebrochen, etwa in der Region Moskau um 50 % innerhalb eines Monats. Bauträger versuchen dennoch, ihre Verkaufspreise zu halten und greifen statt Preisnachlässen zu Alternativen wie Ratenzahlung oder individuellen Rabatten.

Reich bleibt reich

Von der Krise weitgehend unberührt bleiben wohlhabende Russen. Laut IM Global Wealth investieren diese vermehrt im Inland, da westliche Sanktionen Investitionen im Ausland erschweren. Hochwertige Immobilien in Moskau gelten als sicherer Hafen gegen Inflation und steigende Zinsen. Ein Beispiel: 2024 wurde eine 1.160 m² große Luxusresidenz im historischen Zentrum Moskaus für rund 33,85 Mio. Euro verkauft. Weitere Transaktionen lagen teils noch darüber. Entwickler reagieren auf die Nachfrage und realisieren exklusive Projekte wie etwa in Schukowka, wo Villen 22 bis 40 Mio. Euro kosten.

Laut The Barents Observer sind es heute fast ausschließlich Reiche oder Angehörige gefallener oder verwundeter Soldaten, die Immobilien erwerben können. Für einen Ein-Zimmer-Neubau im Wert von 28.500 Euro fallen über 20 Jahre Tilgungskosten von mehr als 123.800 Euro an – die monatliche Rate (über 523 Euro) entspricht fast dem nationalen Durchschnittslohn.

Kriegswirtschaft als Finanzquelle

Einige Käufer verfügen über Entschädigungen aus dem Krieg in der Ukraine – für Verletzte oder Hinterbliebene zahlt der Staat Millionenbeträge. Zahlreiche Makler berichten, dass Wohnungen bar bezahlt werden – teils von Menschen, die früher nie Zugang zu solchen Summen hatten. Gleichzeitig zeigen sich tiefgreifende Veränderungen auf dem Mietmarkt.

Angesichts hoher Hypothekenzinsen wenden sich viele vom Eigentum ab. Die Mietnachfrage explodiert – und mit ihr die Preise. Laut der Plattform Mir Kvartir kostete ein Ein-Zimmer-Apartment 2024 im Durchschnitt 235 Euro pro Monat, ein Drei-Zimmer-Apartment 364 Euro. In Moskau lag die Durchschnittsmiete bei 630 Euro – ein Anstieg von 43 % im Vergleich zu 2023.

Laut Analysen wird 2025 zum „Jahr des Mietwohnens“ – bei weiter hohen Zinsen und geringer Kreditverfügbarkeit. Analysten erwarten einen Anstieg der Mieten um 15–18 % im Sommer, bevor sie zum Jahresende wieder leicht zurückgehen. Gründe für die Preisexplosion: hohe Inflation, Investoren, die lieber vermieten statt verkaufen, sowie ein steigender Bedarf an Mietobjekten durch verschobene Kaufentscheidungen.

Wohnungsmangel am Horizont

Trotz Nachfragerückgang warnt Dom.RF vor einem Wohnraummangel ab 2027. Bereits im ersten Quartal 2025 ging der Wohnungsneubau im Jahresvergleich um 24 % zurück. Sollte der Leitzins hoch bleiben, könnte der Rückgang bis Ende 2025 anhalten. Die Angebotslücke könnte auf bis zu 30 Mio. m² anwachsen.

Baubetreiber setzen zunehmend auf kleinere, margenträchtige Projekte. Der Bestand an unverkauften Neubauten wuchs bis Februar 2025 auf 60,6 Mio. m² – ein Plus von 10,3 % gegenüber dem Vorjahr. Dom.RF empfiehlt neue Subventionen für Projekte, die 2025 oder 2026 starten. Doch Analysten betonen: Ohne geldpolitische Lockerung und mehr makroökonomische Stabilität wird die Marktbalance nicht wiederhergestellt.

Der russische Immobilienmarkt befindet sich in einer tiefen strukturellen Krise, ausgelöst durch Zinsexplosion, Inflation und den Rückzug staatlicher Förderungen. Für breite Bevölkerungsschichten ist Wohneigentum nahezu unerreichbar geworden – Mietwohnungen werden zur einzig verbleibenden Option, verteuern sich aber ebenfalls rapide. Während Kriegsteilnehmer und Vermögende Immobilien kaufen, rückt für die Mehrheit ein sicheres Zuhause in weite Ferne. Ohne eine geldpolitische Trendwende und wirtschaftliche Stabilisierung droht Russland nicht nur ein sozialpolitisches Problem, sondern ab 2027 auch ein gravierender Wohnraummangel. Der „perfekte Sturm“ auf dem Wohnungsmarkt hat erst begonnen.

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