Ölpreis fällt unter psychologisch wichtige Marke
Der Rohölpreis ist auf dem Weltmarkt erstmals seit Beginn des Ukrainekriegs unter 60 US-Dollar pro Barrel gefallen. Ursache ist ein ausgeprägter Optimismus, dass in absehbarer Zeit eine Waffenruhe zwischen der Ukraine und Russland erreicht werden könnte. Ähnlich wie beim Rohöl haben sich auch die Preise für raffinierte Produkte in den vergangenen Wochen auf einem stabil niedrigeren Niveau gehalten oder befinden sich in einem langsamen Abwärtstrend.
Für das erste Quartal des neuen Jahres erwarten Analysten einen Rückgang des Brent-Preises auf bis zu 55 US-Dollar pro Barrel. Grund dafür sind die Annahmen eines anhaltenden Lageraufbaus und einer Überproduktion. Gebremst wird der Preisverfall durch die Förderpolitik von OPEC+ sowie durch Chinas fortgesetzte Auffüllung von Lagerbeständen. Diese Faktoren verhindern nach Einschätzung der Analysten einen stärkeren Einbruch des Ölpreises.
Sanktioniertes russisches Öl wartet auf den Markt
Die Erwartungen an eine Waffenruhe könnten die globalen Risikosorgen dämpfen. Marktteilnehmer hoffen auf eine schrittweise Stabilisierung des Ölmarktes. „Aufgrund des Krieges und der Ende Oktober gegen Rosneft und Lukoil verhängten Sanktionen hat Russland Schwierigkeiten, Käufer für sein Öl zu finden. Ein großer Teil wird daher auf Tankern auf See gelagert. Sollte ein Friedensabkommen zustande kommen, würden die Sanktionen aufgehoben und die Lieferrisiken sinken. Das Öl könnte wieder auf den Weltmarkt gelangen und bei der Produktionsplanung berücksichtigt werden“, erläuterte Indrek Sassi, Leiter der Kraftstoffpreisgestaltung bei Circle K gegenüber unseren Bonnier-Kollegen vom estnischen Blatt Äripäev.
Zu den Ursachen des aktuellen Ölpreisverfalls zählt auch, dass Russland gezwungen ist, sein Öl mit hohen Abschlägen zu verkaufen, um überhaupt Abnehmer zu finden. Gleichzeitig haben die OPEC+-Staaten ihre Fördermengen im Laufe des Jahres mehrfach erhöht, um Marktanteile zu verteidigen und ihre Haushalte zu stabilisieren. Zusätzlich belasten schwache Wirtschaftsdaten aus China den Ölpreis. Das Wachstum der chinesischen Industrieproduktion lag im November mit 4,8 Prozent unter den Erwartungen und unter dem Wert vom Oktober. Auch der chinesische Einzelhandel verzeichnete im November einen deutlichen Rückgang.
Warum billige Energie Europas neue Realität werden könnte
Der Rückgang des Ölpreises ist nicht nur ein marktwirtschaftliches Phänomen, sondern Ausdruck einer veränderten geopolitischen Lage. Die Aussicht auf eine mögliche Waffenruhe im Ukrainekrieg, die wachsenden Absatzprobleme Russlands und die schwächelnde Nachfrage aus China verschieben die Kräfteverhältnisse auf dem globalen Energiemarkt. Für Europa bedeutet der niedrige Ölpreis kurzfristige Entlastung bei Energie- und Kraftstoffkosten. Langfristig bleibt die Abhängigkeit von geopolitischen Entwicklungen jedoch hoch.Der Ölpreis ist auf den niedrigsten Stand seit Beginn des Ukrainekriegs gefallen und hält die Kraftstoffpreise vor den Feiertagen niedrig. Hoffnung auf eine Waffenruhe, russische Absatzprobleme, eine expansive Förderpolitik von OPEC+ und schwache Konjunkturdaten aus China treffen gleichzeitig aufeinander. Für Verbraucher ist dies eine gute Nachricht. Für den Energiemarkt bleibt die Lage jedoch fragil und stark geopolitisch geprägt.


