US-Präsident Donald Trump will, dass die Vereinigten Staaten die Kontrolle über den Gazastreifen übernehmen und das vom Krieg zerstörte palästinensische Küstengebiet wirtschaftlich entwickeln. "Die USA werden den Gazastreifen übernehmen", sagte Trump nach einem Treffen mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu im Weißen Haus in Washington. "Wir werden ihn besitzen."
Man werde sich darum kümmern, "alle gefährlichen, nicht explodierten Bomben und anderen Waffen auf dem Gelände zu beseitigen" und es "einebnen", um es anschließend wieder aufzubauen, führte Trump aus. Auf diese Weise sollten "eine unbegrenzte Anzahl von Arbeitsplätzen und Wohnraum für die Menschen in diesem Gebiet" geschaffen werden. Den Gazastreifen bezeichnete er nach gut 15 Monaten Krieg zwischen Israel und der islamistischen Hamas als "elendes Loch".
Die rund zwei Millionen Palästinenser, für die der Gazastreifen ihre Heimat ist, sollen nach Trumps Willen künftig in anderen arabischen Staaten der Region leben.
Kritik von vielen Seiten
Der Vorstoß ist höchst umstritten. Die Palästinenser lehnen eine Vertreibung ab. Die Nachbarländer Jordanien und Ägypten wollen die Palästinenser aus dem Gazastreifen nicht aufnehmen. Die islamistische Hamas warf Trump nach seinen Äußerungen "Rassismus" vor.
Trump hatte bereits zuvor mehrfach betont, dass er eine "Umsiedlung" von Palästinensern aus dem vom Krieg gezeichneten Gazastreifen in arabische Nachbarländer für die beste Lösung halte. "Ich denke, sie sollten ein gutes, frisches, schönes Stück Land bekommen, und wir finden Leute, die Geld geben, um es aufzubauen und es schön zu machen, und lebenswert und angenehm", sagte er.
Bisher hätten die Menschen aus dem Gazastreifen keine andere Option, als in ihre Heimat zurückzukehren, die einem "Abrissgebiet" gleiche, so Trump weiter. Wenn es jedoch eine Alternative gäbe, würden die Menschen diese auch annehmen, mutmaßte er. "Diese Gaza-Sache hat nie funktioniert", sagte Trump.
Verfolgt Trumps Familie dabei finanzielle Interessen?
Kritiker haben angemerkt, dass Mitglieder von Donald Trumps Familie möglicherweise eigene finanzielle Interessen im Gazastreifen verfolgen. Sein Schwiegersohn Jared Kushner, der während Trumps Amtszeit als Nahost-Berater fungierte, gilt nach wie vor als einflussreiche Stimme in seinem Umfeld. In dieser Rolle knüpfte Kushner enge Beziehungen zu politischen Entscheidungsträgern im Nahen Osten. Kritiker betonen, dass der Ehemann von Ivanka Trump, der in der Immobilienbranche tätig ist, wirtschaftliche Ambitionen in der Region hat. So bezeichnete er das Küstengebiet des Gazastreifens im Februar des vergangenen Jahres als "sehr wertvoll".
Was ist Trumps Vision für den Gazastreifen?
Trump will die Umsiedlung der im Gazastreifen lebenden Menschen in arabische Staaten und einen Wiederaufbau des Gebiets, das während des mehr als einjährigen Krieges zwischen Israel und der Hamas weitgehend zerstört wurde. Unter US-Führung könne der Gazastreifen eine "Riviera des Nahen Ostens" werden, schwärmte er. Für die Palästinenser sei dies "wunderbar", betonte Trump, sagte jedoch auch, er rechne nach einer Umsiedlung nicht mit der Rückkehr der heutigen Einwohner. Für sie sei Gaza die "Hölle".
Trump sprach von rund 1,8 Millionen Palästinensern, die ihre Heimat verlassen müssten. Wer künftig im Gazastreifen leben soll, ließ er offen. "Viele Menschen" sollten dort wohnen, "Palästinenser auch", sagte er lediglich. Unklar bleibt ebenfalls, welchen Status das Gebiet künftig haben soll – ob es von den USA annektiert, Israel zugeschlagen oder anderweitig verwaltet werden soll.
Nach Beginn des Friedensprozesses zwischen Israel und den Palästinensern in den 1990er Jahren gab es Bestrebungen, den Gazastreifen in ein auch touristisch attraktives Gebiet zu verwandeln. Verschiedene Projekte entstanden, darunter ein Wasser-Vergnügungspark. Die gewaltsame Machtübernahme durch die islamistische Hamas im Jahr 2007 und die Verschärfung einer israelischen Blockade, die Ägypten unterstützte, setzten diesen Vorhaben jedoch ein Ende.
Was sagt das Völkerrecht?
Die zwangsweise Umsiedlung der gut zwei Millionen Bewohner des Gazastreifens, wie von Trump vorgeschlagen, ist mit internationalem Recht unvereinbar. Es gibt Ausnahmen – diese dürften im Fall des Gazastreifens allerdings kaum zutreffen.
Relevant ist Regel 129 des internationalen Völkergewohnheitsrechts. Laut einer Übersetzung des Deutschen Roten Kreuzes heißt es in der Rechtsdatenbank des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) wörtlich:
"Die an einem internationalen bewaffneten Konflikt beteiligten Parteien dürfen die Zivilbevölkerung eines besetzten Gebiets, in ihrer Gesamtheit oder teilweise, nicht verschleppen oder zwangsweise überführen, sofern dies nicht im Hinblick auf die Sicherheit der betroffenen Zivilpersonen oder aus zwingenden militärischen Gründen geboten ist."
Warum wehren sich Ägypten und Jordanien, und welche Druckmittel haben die USA?
Aus innenpolitischen Gründen lehnen Ägypten und Jordanien eine Umsiedlung der Palästinenser ab, da dies erhebliche Spannungen auslösen würde. Kairo befürchtet, dass eine große Zahl Geflüchteter die wirtschaftliche und soziale Lage verschärfen könnte – besonders in der Sinai-Region, wo bereits Sicherheitsprobleme mit islamistischen Gruppen bestehen.
Jordanien zählt weltweit zu den Ländern mit der höchsten Flüchtlingszahl pro Einwohner. Neben zahlreichen Syrern lebt dort bereits eine große palästinensische Gemeinschaft. Eine Vertreibung aus dem Gazastreifen könnte die innenpolitische Balance destabilisieren und den Einfluss der Palästinenser weiter stärken – ein Szenario, das Spannungen mit der einheimischen Bevölkerung und der Monarchie verschärfen könnte.
Experten warnen, dass Trumps Pläne zwei der stabilsten Länder im Nahen Osten destabilisieren könnten. Die USA könnten die Regierungen mit einem Stopp finanzieller Unterstützung erheblich unter Druck setzen. Ägypten erhält jährlich rund 1,3 Milliarden US-Dollar Militärhilfe.
Wie stark ist der Gazastreifen zerstört, und wie lange würde der Wiederaufbau dauern?
Nach Angaben des UN-Nothilfebüros Ocha wurden während des Krieges rund 90 Prozent der Bevölkerung des Gazastreifens aus ihren Häusern vertrieben. Das UN-Satellitenzentrum UNOSAT ermittelte im Dezember, dass rund 69 Prozent der Gebäude im Gazastreifen zerstört oder beschädigt sind. Es listet allein gut 60.000 zerstörte und rund 20.000 schwer beschädigte Gebäude auf. Laut einem UN-Report von Januar liegen 50 Millionen Tonnen Trümmer im Gebiet.
Viele der Hunderttausenden Vertriebenen, die nach Beginn der Waffenruhe im vergangenen Monat in den Norden des Gazastreifens zurückkehrten, fanden nur ein Trümmerfeld vor. Trumps Nahostgesandter Steve Witkoff sagte der Nachrichtenseite "Axios" nach einem Besuch in der Region, im Gazastreifen sei "fast nichts übrig". Ein Wiederaufbau könnte fünf bis zehn Jahre dauern.
Wie reagieren die arabischen Staaten und die Hamas auf Trumps Vorstoß?
Die arabischen Staaten lehnten eine Umsiedlung der Palästinenser grundsätzlich ab. Neben innenpolitischen Erwägungen befürchten sie, dass eine solche Umsiedlung die israelische Kontrolle zementieren und eine dauerhafte Vertreibung legitimieren könnte. Zudem wollen sie nicht als Komplizen einer Politik gelten, die als ethnische Säuberung interpretiert werden könnte.
Eine erzwungene Migration könnte außerdem als Präzedenzfall für weitere Vertreibungen dienen. Spannungen innerhalb der Arabischen Liga drohen, da die Last der Aufnahme ungleich verteilt wäre. Vor allem die Golfstaaten, die bislang nur begrenzte Verantwortung durch finanzielle Unterstützung übernommen haben, könnten unter verstärkten Erklärungsdruck geraten.
Die islamistische Hamas, deren Massaker in Israel am 7. Oktober 2023 den verheerenden Krieg ausgelöst hatte, warf Trump "Rassismus" vor. Seine Äußerungen seien der Versuch, den Palästinensern ihre unveräußerlichen Rechte zu verweigern, sagte Issat al-Rischk, Mitglied des Hamas-Politbüros.
Die Bevölkerung des Gazastreifens werde dies nicht zulassen, sagte auch das Hamas-Mitglied Sami Abu Suhri. "Was wir brauchen, ist die Beendigung der Besatzung und der Aggression gegen unser Volk, nicht die Vertreibung aus seinem Land."
Welche Reaktionen gibt es aus den USA?
Trumps Außenminister Marco Rubio unterstützte die Vorschläge des Präsidenten. Die USA seien bereit, "Gaza wieder schönzumachen," schrieb Rubio auf der Plattform X. Doch auch innerhalb der Republikaner gab es Skepsis. Senator Lindsey Graham nannte den Vorschlag "problematisch", berichten US-Medien übereinstimmend. Er zweifelte daran, dass seine Wähler eine Entsendung von US-Soldaten in den Gazastreifen begrüßen würden.
Heftige Kritik kam aus dem Lager der Demokraten. Der Vorschlag sei "gestört und verrückt", sagte Senator Tim Kaine laut NBC. Demokrat Chris Murphy warf Trump vor, von den Kürzungen und Entlassungen im Staatsapparat ablenken zu wollen.
Was sagt Israel zu den Plänen?
Besonders bei rechtsorientierten Israelis lösten Trumps Pläne Begeisterung aus. Der rechtsextreme Finanzminister Bezalel Smotrich dankte Trump auf der Plattform X und kommentierte, es werde "noch besser und noch besser". Neben einer israelischen und einer US-Flagge schrieb er: "Gemeinsam werden wir die Welt wieder großartig machen." Wie andere rechtsextreme Israelis strebt Smotrich eine Wiederbesiedlung des Gazastreifens an, den Israel 2005 geräumt hatte.
Michael Milshtein, Experte für palästinensische Studien an der Universität Tel Aviv, warnte eindringlich vor übertriebener Euphorie. "Wir können uns schweren Schaden zufügen in den Beziehungen zu arabischen Staaten, mit denen wir seit Jahrzehnten Verträge haben, wie Jordanien und Ägypten, aber auch mit den Staaten der Abraham-Verträge," sagte er dem israelischen Kan-Sender.
Im Falle einer Umsetzung von Trumps Plänen könne man die angestrebte Normalisierung mit Saudi-Arabien "vergessen", warnte Milshtein. Er wünschte sich von Netanjahu eine realistischere Haltung zu diesem Thema.