Schmerzliche Niederlage für die FDP bei der Bundestagswahl: Es ist ein Abend des Bangens und Zitterns für die Partei und ihren Vorsitzenden Christian Lindner. Nach den ersten Hochrechnungen versucht er gar nicht, die Situation schönzureden. "Wir sind im letzten Herbst in das volle politische Risiko für unser Land gegangen. Wir zahlen selbst heute einen hohen Preis dafür. Diese Entscheidung war jedoch wichtig für Deutschland", erklärt Lindner, der mit dem Präsidium auf die Bühne tritt.
Es sei eine Niederlage für die Freien Demokraten, sagt Lindner. Jetzt müsse man die Lage bewerten, ordnen und eine lange Nacht durchstehen. "Eines jedenfalls steht fest: Die Freien Demokraten sind nicht endgültig geschlagen", sagt Lindner. Und: "So oder so. Ab morgen wird die Fahne der Freien Demokraten wieder gehisst."
Die Liberalen bleiben hinter ihren Erwartungen zurück
Die Hoffnung, dass die FDP mit Unterstützung unentschlossener Wähler deutlich über die Fünf-Prozent-Hürde hinauskommen könnte, erfüllte sich nicht. In den ersten Stunden nach Schließung der Wahllokale geht es um die Punkte hinter dem Komma, die zwischen einem Absturz der Partei und dem Einzug in den Bundestag mit einem Zittererfolg entscheiden. Die Hoffnung: Mit fünf Prozent wäre sogar eine Rolle denkbar, in der die FDP von Union und SPD einmal mehr zur Regierungsbildung gebraucht werden könnte.
Als erster FDP-Spitzenmann tritt Parteivize Wolfgang Kubicki vor ein Mikrofon und bringt die Gäste des Wahlabends zum Jubeln. Er gesteht jedoch auch ein: "Die Mehrheit unserer Wählerinnen und Wähler hat mit der Ampel und der Rolle der FDP darin gefremdelt, und wir haben es nicht geschafft, nach dem Aus der Ampel vom 06. 11. dieses Vertrauen ausreichend zurückzugewinnen."
Die Partei hat sich selbst berauscht
Mit großem Selbstbewusstsein sind die Liberalen in diese Wahl gestartet. Beim Wahlparteitag in Potsdam wurde der Vorsitzende begeistert gefeiert. Großer Optimismus wurde zur Schau gestellt. Mit klaren Ambitionen hatte sich Lindner im November - als die Ampel-Koalition mit SPD und Grünen beendet war - aus dem Amt des Bundesfinanzministers verabschiedet. "Dieses Haus leiten zu dürfen, war mir immer eine große Freude und Ehre. Deshalb verabschiede ich mich auch mit einem politischen Ziel und persönlichem Gruß zugleich: auf Wiedersehen!", schrieb er in einer E-Mail an die Mitarbeiter des Ressorts.
Danach sah es lange nicht danach aus. Wie festgefahren stand die FDP bei Zustimmungswerten von rund vier Prozent. Lindner wirkte betroffen, aber entschlossen. Er schaue da hin, wo er hin wolle, wie beim Autofahren, wenn man nicht in die Leitplanken geraten wolle, erklärte er.
Ambitionen: Die FDP hat bereits 100-Tage-Programm
Noch eine Woche vor der Wahl beschloss das Präsidium der FDP ein 100-Tage-Programm mit den zentralen Punkten für den Fall einer Regierungsbeteiligung. Es sieht vor, Bürger und Unternehmen sofort um 15 Milliarden Euro zu entlasten, etwa durch die Erhöhung des Grundfreibetrags bei der Einkommensteuer um 500 Euro monatlich oder durch die Steuerfreiheit von Überstundenzuschlägen bei einer Vollzeitbeschäftigung. Als zweiten Punkt fordert die FDP, das Bundesrecht zu entrümpeln und Bürokratie abzubauen.
Um Energie wieder bezahlbar zu machen, will die FDP unter anderem die Stromsteuer stark senken. Deutschland soll zudem nicht bereits 2045 klimaneutral werden, sondern - wie in der EU angestrebt - erst 2050. Darüber hinaus will die FDP digitale Innovationen fördern. Die Gründung von Start-up-Unternehmen soll innerhalb von 24 Stunden möglich werden. Eine Deutschland-App soll die Verwaltungsdienstleistungen auf das Smartphone bringen. Eines steht fest, auch als kleinste Partei wäre die FDP kein einfacher Koalitionspartner.