Union nicht so stark wie erwartet
Friedrich Merz hat die Bundestagswahl für sich entschieden - doch der Kanzlerkandidat der Union muss einen schmerzlichen Wermutstropfen hinnehmen. Als der schwarze Hochrechnungsbalken für CDU/CSU bei ARD und ZDF gegen 18.30 Uhr unter der 30-Prozent-Marke stehen bleibt, wird in der CDU-Zentrale in Berlin zunächst auch ziemlich verhalten applaudiert. Fakt ist: Die Union schneidet bei weitem nicht so stark ab, wie vom CDU-Chef vorhergesagt.
Ein paar Minuten später, als Merz gemeinsam mit CSU-Chef Markus Söder und umringt von der versammelten Parteispitze auf der Bühne steht, bricht doch Jubel aus. Die Union habe die Wahl gewonnen, sagt Merz ins Mikrofon. Aber auch: "Ich weiß um die Verantwortung." Und: "Ich weiß, dass es nicht einfach werden wird." Das Land könne sich aber nun keine langwierige Regierungsbildung leisten: "Die Welt da draußen wartet nicht auf uns."
Demonstrativer Beifall von wichtigen Ministerpräsidenten
Auch bedeutende CDU-Ministerpräsidenten applaudieren und strahlen: Hendrik Wüst aus Nordrhein-Westfalen steht fast direkt hinter Merz, ein wenig weiter am Rand Daniel Günther aus Schleswig-Holstein. Wüst wurden vor einigen Monaten selbst Ambitionen aufs Kanzleramt nachgesagt. Von Günther ist bekannt, dass er den stramm konservativen Kurs von Merz durchaus kritisch begleitet.
Merz dankt den Wahlkämpfern und insbesondere CSU-Chef Söder für die gute Zusammenarbeit - und sagt dann den Satz, auf den vor allem die Jubler von der Jungen Union gewartet haben dürften: "Jetzt darf auch mal Rambo Zambo im Adenauer-Haus sein. Heute Abend feiern wir. Und ab morgen früh wird gearbeitet." Auch Söder klatscht und beteuert: "Du hast die CSU auch weiter an Deiner Seite."
Kein Ergebnis "in der zweiten Hälfte der Dreißiger"
Den Wahlkampf hatte Merz voll auf seine Person zugeschnitten - und er hatte tatsächlich mit einem deutlich besseren Ergebnis gerechnet. Noch im Januar hatte er erklärt, er gehe davon aus, dass das Wahlergebnis "eher in der zweiten Hälfte der Dreißiger" liegen werde. Und nun: nicht mal über der 30er-Marke. Verhandlungsposition nicht gestärkt Die Verhandlungsposition von Merz bei den Gesprächen mit möglichen Koalitionspartnern dürfte das alles andere als stärken. Er selbst hatte als Ziel genannt, die Union müsse so stark wie möglich werden, um in den Verhandlungen ihre Politik durchsetzen zu können.
Noch problematischer dürfte es werden, wenn Merz auf zwei Partner angewiesen sein sollte statt wie gewünscht auf einen. Auch die CSU hat bereits viele Vorstellungen und etwa ein Veto bei den Grünen angekündigt. Am Abend lehnte Söder per Video bei der Wahlparty seiner Partei in München eine Koalition mit den Grünen weiterhin klar ab.
Koalitionsbildung bis Ostern ungewiss
Gerade auch wegen der unsicheren internationalen Lage hatte Merz eine Koalitionsbildung bis Ostern angekündigt. Deutschland könne sich kein langes Machtvakuum leisten. Doch an dem Acht-Wochen-Plan gibt es hinter vorgehaltener Hand auch parteiintern Zweifel - gerade wegen der sich andeutenden komplizierten Koalitionsverhandlungen.
Denn im Wahlkampf hatte Merz viele rote Linien gezogen: «Wir werden nur mit jemandem in die Koalition gehen, der die Wende in der Migration und die Wende in der Wirtschaftspolitik mit uns geht.» Auch verlangt die Union, Ampel-Projekte wie die Cannabis-Legalisierung, das Heizungsgesetz und das reformierte Bürgergeld abzuschaffen. Alles Lieblingsprojekte möglicher künftiger Partner.
Comeback nach zähem Kampf
Trotz der bitteren Pille vom Sonntagabend: Der Wahlsieg ist für Merz der vorläufige Höhepunkt eines Comebacks, für das er hart gekämpft hat. 2009 war er aus der Politik ausgeschieden. Es heißt, Merz habe nie verwunden, dass ihn die spätere CDU-Kanzlerin Angela Merkel 2002 als Unionsfraktionschef verdrängt hat.
Der Parteichef dürfte an diesem Abend nun auch Genugtuung empfinden. 2021 war er erst im dritten Anlauf zum Parteivorsitzenden gewählt worden. Nun dürfte er der erste Kanzlerkandidat in der Geschichte der Bundesrepublik sein, der nur eine Wahlperiode benötigt, um seine Partei aus der Opposition wieder ins Kanzleramt zurückzuführen. In Unionsreihen wird ihm auch bescheinigt, die CDU geeint und das zu Zeiten von Merkel zerrüttete Verhältnis zur Schwesterpartei CSU mit einer harten Migrationspolitik gekittet zu haben.
CSU - Eigenständigkeit statt Kuschelkurs
Für die kleine Unionsschwester CSU geht es nun nicht nur um eine stabile Regierung, sondern auch um ihre Eigenständigkeit. Im Wahlkampf hatte eine Aussage von Merz für Unruhe in der CSU gesorgt, wonach dieser sich nichts von Söder vorschreiben lasse. Umgekehrt, so der CSU-Reflex, werde man sich von Merz auch nicht vorschreiben lassen, eine Regierung mit den Grünen zu bilden. Söder wird schon bei den Sondierungen genau darauf achten, dass die im Wahlkampf demonstrierte Einigkeit nicht zulasten der CSU-Identität geht.