Bundesbank schlägt Schuldenbremse-Reform vor
Ein entsprechendes Dokument liegt der Deutschen Presse-Agentur und "Table Media" vor. Kern des Vorschlags ist eine Anpassung der Verschuldungsregelungen mit erweiterten Kreditmöglichkeiten, "die jedoch überwiegend für zusätzliche Sachinvestitionen vorgesehen sind". Die Neuverschuldung soll sich daran orientieren, ob die Staatsverschuldung über oder unter 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) liegt. Diese Schwelle ist in den EU-Maastricht-Verträgen als zentrale Verschuldungsgrenze definiert.
Die seit 2009 im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse beschränkt die Neuverschuldung des Bundes: Sie darf pro Jahr maximal 0,35 Prozent des BIP betragen. Nach Einschätzung der Bundesbank wäre es wirtschaftlich vertretbar, die Obergrenze für die strukturelle Nettokreditaufnahme des Bundes bei einer Schuldenquote unter 60 Prozent auf bis zu 1,4 Prozent des BIP anzuheben. Bei einer Quote über 60 Prozent hält die Bundesbank eine Begrenzung auf 0,9 Prozent des BIP für angemessen.
Sollte die Reform der Schuldenbremse umgesetzt werden, könnte der Kreditspielraum des Staates nach Berechnungen der Bundesbank bis 2030 um etwa 220 Milliarden Euro im Vergleich zum aktuellen Stand steigen. Selbst bei einer Schuldenquote oberhalb von 60 Prozent blieben noch etwa 100 Milliarden Euro zusätzlicher Spielraum.
EU-Vorgaben zur Schuldenbremse bleiben Maßstab
Die Bundesbank betont, dass die EU-Schuldenregeln nicht infrage gestellt würden. Die 60-Prozent-Marke bleibe "zentraler Orientierungspunkt der Vorschläge". Liegt die Schuldenquote über dieser Schwelle, müsse die Obergrenze so bemessen sein, "dass sie mittelfristig wieder unter 60 Prozent sinkt". Laut den Wirtschaftsexperten der Bundesbank dürften die vorgeschlagenen höheren Kreditspielräume "die Einhaltung des 60-Prozent-Referenzwerts für die Schuldenquote ausreichend absichern".
Wie viele andere Euro-Länder hat auch Deutschland in den vergangenen Jahren regelmäßig die 60-Prozent-Grenze überschritten – trotz eines generell rückläufigen Schuldenniveaus. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes lag die Schuldenquote in Deutschland 2023 bei 62,9 Prozent und sank bis Ende des dritten Quartals 2024 auf 62,4 Prozent.
Bundesbank hatte bereits 2022 Vorschläge zur Reform der Schuldenbremse gemacht
Der aktuelle Vorschlag der Bundesbank baut auf Überlegungen aus dem Jahr 2022 auf. Damals hielt es die Bundesbank für wirtschaftspolitisch tragbar, die Grenze für die strukturelle Nettokreditaufnahme des Bundes bei Schuldenquoten unter 60 Prozent auf bis zu 1,0 Prozent des BIP zu erhöhen. Für eine Schuldenquote über 60 Prozent wurde eine Begrenzung auf 0,5 Prozent des BIP vorgeschlagen.
Die im Grundgesetz festgeschriebene Schuldenbremse soll verhindern, dass die Staatsverschuldung so stark wächst, dass dauerhaft neue Kredite nötig werden, um bestehende Schulden zu bedienen. Allerdings erlaubt die Schuldenbremse in wirtschaftlich schwachen Phasen eine vorübergehende Erhöhung der Neuverschuldung. Sobald sich die Wirtschaftslage verbessert, müssen diese zusätzlichen Schulden wieder reduziert werden.
Darüber hinaus kann die Schuldenbremse "bei Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notlagen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen", ausgesetzt werden. Diese Ausnahme wurde zwischen 2020 und 2022 genutzt – zunächst wegen der Corona-Pandemie und später zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine sowie der Energiekrise.
Für die Feststellung einer Notlage reicht im Bundestag eine einfache Mehrheit. Eine Reform der Schuldenbremse im Grundgesetz erfordert dagegen eine Zweidrittelmehrheit. Eine solche Mehrheit haben SPD und Union gemeinsam mit den Grünen nicht, weshalb sie auf Stimmen von AfD oder Linken angewiesen wären. Diese verfügen zusammen über eine Sperrminorität.
Debatte über die Schuldenbremse-Reform nimmt Fahrt auf
Kritiker der Schuldenbremse argumentieren, dass sie dringend notwendige Investitionen, etwa in Klimaschutz oder Infrastruktur wie Straßen und Schienen, behindere. Zudem ist unklar, wie Deutschland höhere Verteidigungsausgaben finanzieren soll. Nach der Bundestagswahl hat die Diskussion über eine Schuldenbremse-Reform an Dynamik gewonnen. Bundesbank-Präsident Joachim Nagel betonte in der vergangenen Woche, dass "die Schuldenbremse als Stabilitätsinstrument erhalten bleiben" müsse. Gleichzeitig befinde sich Deutschland "in einem anderen wirtschaftlichen Umfeld als vor 15 Jahren, als die Schuldenbremse eingeführt wurde". Ein Sondervermögen für die Bundeswehr könnte demnach in eine modifizierte Schuldenbremse integriert werden.
Mehr Flexibilität bei der Schuldenbremse sei jedoch kein Allheilmittel, wie die Bundesbank in ihrem Monatsbericht vom Februar festhält: Auch mit einer Reform bleibe es "unabdingbar, Prioritäten neu zu setzen und Finanzmittel effizienter einzusetzen". Zudem sei "eine fokussierte Verwaltung wichtig, die Entscheidungen schnell trifft und die Digitalisierung effektiver nutzt".