Wirtschaft

Deutsches Handwerk in Not: Trotz Wirtschaftskrise fehlen Fachkräfte im sechsstelligen Bereich

Auch das Handwerk ist von der anhaltenden Wirtschaftskrise schwer gebeutelt. Es fehlen allerdings nicht nur Aufträge, sondern auch jede Menge Fachkräfte. Offiziell sind 125.000 Stellen aktuell unbesetzt und es fehlen die Auszubildenden überall. Viele Inhaber von Handwerksbetrieben gehen zusätzlich demnächst in Rente – trübe Aussichten für das Handwerksgewerbe in Deutschland.
23.03.2025 05:58
Aktualisiert: 23.03.2025 06:08
Lesezeit: 4 min
Deutsches Handwerk in Not: Trotz Wirtschaftskrise fehlen Fachkräfte im sechsstelligen Bereich
olzspielzeugmacher Markus Füchtner drechselt in seiner Werkstatt in Seiffen (Foto: dpa). Foto: Hendrik Schmidt

Die anhaltende Wirtschaftskrise hat auch das deutsche Handwerk stark getroffen. Umsatzrückgänge und Personalnot bringen die Unternehmen in eine Geschäftslage, die so schlecht ist, wie sie in den vergangenen 15 Jahren nicht mehr war. Und immer mehr Handwerksbetriebe geben auf. Wie eine aktuelle Analyse von Creditreform aufzeigt, beurteilt nur noch die Hälfte aller Betriebe ihre Situation als gut oder sehr gut. Die Studie wurde gerade anlässlich der Internationalen Handwerksmesse IHM in München vorgestellt.

Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Wirtschaftsforschung bei Creditreform, zeigte bei der Vorstellung der Analyse auf, wie die Krise das Handwerk mit voller Wucht erwischt hat. Sie zeigt sich nicht nur in der Umsatzentwicklung, sondern auch bei den Themen Personal und Eigenkapital. Die Mehrheit der 1250 von Creditrefom befragten Betriebe verzeichnete in 2024 sinkende Einnahmen und eine angespannte Ertragslage, in der vorhandene Reserven nun nach und nach aufgebraucht werden. Auch meldete Creditreform, dass mehr als ein Drittel der befragten Betriebe eine Eigenkapitalquote von weniger als 10 Prozent hat.

Personalmangel als zentrales Thema im Handwerk

Aber nicht nur die fehlenden Aufträge bereiten dem deutschen Handwerk Sorgen. Es fehlen seit vielen Jahren auch schon qualifizierte Arbeitskräfte und Auszubildende. Ende letzten Jahres waren bei den Arbeitsagenturen 125.500 offene Stellen im Handwerk gemeldet. Und dies sind nur die offiziellen Zahlen. Nach Schätzungen des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), liegt der tatsächliche Bedarf wohl eher bei 200.000, da viele Betriebe ihre offenen Stellen gar nicht bei den Arbeitsagenturen melden.

Ferner blieben im Jahr 2024 auch über 19.000 Lehrstellen im Handwerk unbesetzt, da es schlicht an geeigneten Bewerbern gefehlt hat. Neben den fehlenden Fachkräften und Azubis verschärft noch ein weiterer Trend die Lage – viele Inhaber von Handwerksbetrieben gehen in den kommenden Jahren in Rente und haben keinen Nachfolger. Aktuell werden bereits Nachfolger im sechsstelligen Bereich gesucht. Von den über einer Million Handwerksbetrieben in Deutschland brauchen 125.000 in den nächsten 5 Jahren einen neuen Chef, also über 10 Prozent aller Betriebe, wie der ZDH mitteilte.

Auch solvente Betriebe geben auf

All diese Umstände führen nach Aussagen des ZDH aktuell zu einem „stillen Sterben“ in der Branche. Viele Unternehmensinhaber geben auch finanziell gut aufgestellte Betriebe auf, weil sie die Kostensteigerungen nicht mehr tragen wollen, durch Abgaben, Steuern und Bürokratie einfach zu belastet sind oder schlicht und einfach keinen Nachfolger finden. Nach Schätzungen des ZDH sind wegen der Wirtschaftskrise und den schlechten Rahmenbedingungen im vergangenen Jahr bereits 80.000 Arbeitsplätze im Handwerk verloren gegangen. Im Jahr 2023 waren insgesamt 5,6 Millionen Menschen im Handwerk beschäftigt, neuere Zahlen liegen noch nicht vor.

Wenig Eigenkapital und mehr Insolvenzen

Auch die niedrige Eigenkapitalquote vieler Betriebe ist ein anhaltendes Problem. Zwar haben die Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank die Finanzierungssituation der Betriebe ein wenig verbessert, doch es fehlt vielen trotzdem an Ertragskraft bei einer hohen Abhängigkeit von Fremdkapitalgebern und den Kreditkonditionen. Deshalb steigt auch die Zahl der Insolvenzen im Handwerk.

Wie Creditreform meldete, haben 4350 Handwerksbetriebe im Jahr 2024 Insolvenz angemeldet. Das sind 18,9 Prozent mehr als im Jahr 2023. Besonders betroffen waren dabei Betriebe des Ausbaugewerbes und Betriebe, die für den gewerblichen Handel arbeiten. Besonders den Handwerksbetrieben im Baugewerbe brechen die Aufträge weg und sie kämpfen mit steigenden Kredit- und Personalkosten. Diese Belastungen können viele Betriebe nicht mehr stemmen, wie der ZDH mitteilte. Auch in den kommenden Monaten sei deshalb mit einer weiter ansteigenden Zahl an Insolvenzen zu rechnen. Zusätzlich hat sich auch die Zahlungsmoral der Kunden verschlechtert, was zu weiteren Liquiditätsproblemen führt.

Schwache Auftragslage, steigende finanzielle Belastung und erfolglose Personalsuche lassen ein Viertel der deutschen Handwerksbetriebe heute über eine Betriebsaufgabe nachdenken, wie eine Umfrage eines Anbieters von Betriebssoftware für das Handwerk im vergangenen Herbst ergab.

Hoffnungsschimmer am Horizont

Der ZDH sieht nun auch die Politik gefordert, um die lahmende Konjunktur zu beleben. Viele Experten sehen durchaus noch gute Chancen auf Wachstum im Handwerk. Wie der Creditreform-Umfrage zu entnehmen ist, erwartet ein knappes Viertel der deutschen Handwerksbetriebe im laufenden Jahr steigende Umsätze. 22,8 Prozent hingegen rechnen mit weiteren Umsatzrückgängen, was jedoch spürbar weniger Betriebe als im Vorjahr 2023 sind, dort lag diese Einschätzung bei 27, 2 Prozent. Ein weiteres Hoffnungssignal zeigt sich auch in der steigenden Investitionsbereitschaft. Immerhin 49,2 Prozent der Unternehmen planen Investitionen, das sind ebenfalls deutlich mehr als im Vorjahr, wo dieser Wert bei 41,5 Prozent lag.

Forderungen an Politik und Schulen

Eine positive Entwicklung im Handwerk könnte laut ZDH auch über die Branche hinaus wirken. Auch wenn eine schnelle gesamtwirtschaftliche Erholung nicht realistisch ist, so könnte eine gute Entwicklung im Handwerk und bei der Binnennachfrage auch dazu beitragen, die Konjunktur im Land zu stabilisieren.

Dafür müsste allerdings auch aus Politik und Schulen Unterstützung für die Branche kommen, um den massiven Personalnotstand in vielen Betrieben zu lindern, wie Henning Hanebutt, Geschäftsführer von Deutschlands größtem Dachdeckerbetrieb Hanebutt anmahnte. Seiner Meinung nach drängen Schulen die Jugendlichen viel zu stark in akademische Karrieren, und das Handwerk hat das Nachsehen. Er beklagt, dass den jungen Menschen nicht ausreichend gute Informationen zur Verfügung stehen, um eine fundierte Entscheidung über ihre berufliche Zukunft zu treffen, und die Option Handwerk für viele gar nicht in Betracht gezogen wird.

Nachfolgermangel muss bekämpft werden

Auch der Mangel an geeigneten Nachfolgern müsse bekämpft werden, wie Holger Schwannecke, Generalsekretär beim ZDH anführte. Seiner Meinung nach würden auch viele solvente Betriebe geschlossen, weil Handwerksmeister heute vielfach kein Interesse mehr haben, sich selbstständig zu machen, oftmals auch wegen der Angst vor dem hohen bürokratischen Aufwand, der damit verbunden ist. Sie scheuen einfach die inzwischen stark angewachsenen Dokumentationspflichten.

Das geplante Sondervermögen sieht der ZDH-Generalsekretär durchaus positiv. Insgesamt fordert das Handwerk von der Politik neben einem Bürokratieabbau jedoch auch schnellere Genehmigungsverfahren, preiswerte Energie, niedrigere Abgaben und eine Unterstützung bei der Personalsuche.

 

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