Russische Drohnen greifen Charkiw erneut an: Druck der Nato sei nötig
Zum Abschluss des zweitägigen Nato-Außenministertreffens hat die Ukraine das Verteidigungsbündnis dazu aufgerufen, den Druck auf Russland weiter zu erhöhen. „Russland muss den Frieden ernst nehmen. Es ist nun nötig, mehr Druck auf Moskau auszuüben“, erklärte der ukrainische Außenminister Andrij Sybiha in Brüssel neben Nato-Generalsekretär Mark Rutte. Beim Treffen wurde auch über weitere Hilfen für die Ukraine beraten. Sybiha warnte mit Blick auf die von US-Präsident Donald Trump geplanten Strafzölle: „Man darf nicht vergessen, dass in Europa ein echter Krieg herrscht. Russland ist nach wie vor eine existentielle Gefahr für Europa.“
In der Nacht schlug erneut Luftalarm über vielen Teilen der Ukraine an. Die Stadt Charkiw im Osten wurde Ziel russischer Drohnenangriffe. Bürgermeister Ihor Terechow meldete via Telegram mindestens vier Todesopfer und 35 Verletzte. Auch in der Region Dnipropetrowsk kam es laut Regionalchef Serhij Lysak zu schweren Angriffen mit iranischen Shahed-Drohnen. Besonders betroffen waren die Städte Dnipro und Kamianske. In Dnipro erlitten drei Menschen Verletzungen. Es brachen Brände aus, Verwaltungsgebäude wurden beschädigt.
In der Region Saporischschja verletzten Drohnenangriffe laut Militärverwaltung einen 63-jährigen Mann und eine 70-jährige Frau, zudem wurde zivile Infrastruktur zerstört. Auch über der Hauptstadt Kiew wurde die Flugabwehr aktiv. Zwei Männer erlitten dabei Verletzungen, wie die Militärverwaltung berichtete. Russland erklärte, 107 ukrainische Drohnen über elf russischen Regionen abgefangen zu haben.
Ukraine rechnet mit verstärkten Angriffen
Die Ukraine wehrt sich seit mehr als drei Jahren gegen die großflächige Invasion Russlands. Das Präsidialamt rechnet damit, dass Russland seine Truppen um 150.000 Soldaten verstärken wird. Pawlo Palissa, Vizechef der Kanzlei von Präsident Selenskyj, sagte in Kiew: „Russland hat aktuell keine Probleme bei der Rekrutierung.“
Diese frischen Kräfte könnten zwar nicht sofort eingesetzt werden, sagte Oberst Palissa im Interview mit dem Sender Suspilne. Dennoch werde der Druck an den Frontlinien durch Russland spürbar zunehmen.
Nato-Staaten diskutieren Rüstungspläne mit EU
Die Nato-Außenminister treffen sich heute mit EU-Außenbeauftragter Kaja Kallas. Besprochen werden soll auch der Beitrag der EU zu den gemeinsamen Rüstungsanstrengungen. Geplant sind EU-Finanzhilfen in Höhe von 150 Milliarden Euro. Eine Sonderregelung sieht vor, Verteidigungsausgaben aus den EU-Schuldenregeln auszuklammern. Ziel ist es, in vier Jahren rund 800 Milliarden Euro zu mobilisieren.
Dabei soll auch US-Außenminister Marco Rubio überzeugt werden, dass Europa seine Rüstungsziele ernst nimmt. US-Präsident Trump hatte der EU zuletzt mangelndes Engagement vorgeworfen und kritisiert, sie verlasse sich zu sehr auf den Schutz der USA.
Studie: Russland produziert Waffen effizienter
Die Denkfabrik Royal United Services Institute (Rusi) aus Großbritannien stellt fest, dass Russland seine Waffenproduktion im Krieg gegen die Ukraine erfolgreicher steigern konnte als Europa. Das stellt auch für die Nato eine Herausforderung dar. „Russlands Vorsprung bei der Rüstungsproduktion bedroht die Nato und ihre Abschreckungsfähigkeit“, heißt es im Bericht.
Ursachen für die Rückstände seien laut Rusi fehlende Koordination, ein Übergewicht hochentwickelter Waffentechnik statt Massenproduktion, Bürokratie und mangelnder Zugang zu Testgeländen.
Nato meldet hohe russische Verluste: Selenskyj sieht Kursk-Vorstöße als Erfolg
Die russischen Verluste im Krieg gegen die Ukraine sind laut Einschätzung der Nato zuletzt stark gestiegen. Ein hochrangiger Nato-Vertreter sprach von rund 250.000 Gefallenen. Insgesamt geht man von etwa 900.000 toten oder verletzten russischen Soldaten aus. Allein im Februar sollen mehr als 35.100 Verluste verzeichnet worden sein. Diese Zahlen begründet die Nato mit einer Ausweitung der Kampfgebiete und intensivierten Gefechten an mehreren Frontabschnitten. Die Lage an den Frontlinien bleibt angespannt.
Trotz Rückzügen ukrainischer Truppen aus der Region Kursk sieht Präsident Selenskyj die Operationen auf russischem Boden als Erfolg. „Es ist richtig, den Krieg dorthin zu bringen, wo er begonnen wurde“, sagte er in einer Videobotschaft. Er filmte die Ansprache in der ukrainischen Grenzregion Sumy, von der aus im August 2024 der Vorstoß ins russische Gebiet begann. Im Austausch mit Kommandeuren in Kursk ging es um Ausrüstung und notwendige Unterstützung. „Wir arbeiten daran, unsere Positionen zu sichern“, betonte er.
Im Sommer 2024 hatte die Ukraine rund 1.300 Quadratkilometer russischen Territoriums erobert. Inzwischen verbleiben laut ukrainischen Beobachtern nur kleine Gebiete nahe der Grenze. Im März nahm Russland die Stadt Sudscha zurück.