E-Patientenakte wird nach und nach deutschlandweit eingeführt
Mit Beginn des zweiten Quartals, das im April startete, will das Bundesgesundheitsministerium den Rollout der elektronischen Patientenakte (ePa) einleiten. Ein konkretes Datum steht noch nicht fest. Doch was bedeutet das für Patientinnen und Patienten? Und welche Erfahrungen macht ein Hausarzt in Nürnberg mit der E-Patientenakte?
Seit dem 15. Januar haben rund 70 Millionen der mehr als 74 Millionen gesetzlich Versicherten automatisch eine E-Patientenakte über ihre Krankenkasse erhalten. Das Zusammenspiel mit Arztpraxen und Krankenhäusern wird zunächst nur in drei Modellregionen erprobt. "Der deutschlandweite Roll-Out steht unmittelbar bevor", erklärt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Er rechne damit, "dass wir in den kommenden Wochen in eine Hochlaufphase außerhalb der Modellregionen eintreten können". Danach folgt eine umfassendere Testphase – für medizinisches Personal bleibt sie zunächst freiwillig.
Dabei gilt für die Einführung der E-Patientenakte: "Sicherheit geht immer vor." Und: "Wir werden die nächste Stufe immer erst einführen, wenn wir die Stufe davor gründlich getestet haben." Ursprünglich wurde die E-Akte als freiwilliges Angebot im Jahr 2021 eingeführt, fand jedoch kaum Verbreitung. Daher änderte die Ampel-Regierung das Verfahren per Gesetz: Nun erhält jede*r automatisch eine E-Patientenakte, sofern man dieser nicht ausdrücklich widerspricht.
Welche Daten enthält die E-Patientenakte?
Die elektronische Patientenakte soll gesetzlich Versicherte ein Leben lang begleiten. In diesem digitalen System werden medizinische Dokumente wie Arztberichte, Diagnosen, Laborbefunde und Medikationsdaten zentral gespeichert. Der Zugriff durch Praxen, Apotheken und Krankenhäuser erfolgt, wenn die elektronische Gesundheitskarte in ein Kartenlesegerät eingesteckt wird. Diese Freigabe gilt standardmäßig für 90 Tage.
Mittels der App der jeweiligen Krankenkasse können Versicherte Berechtigungen entziehen oder individuell festlegen, welche Ärztinnen und Ärzte wie lange Einsicht erhalten. Ebenso können sie eigenständig Dokumente zur E-Akte hinzufügen, etwa selbst erfasste Werte wie Blutdruckprotokolle oder frühere Befunde.
Wie läuft der Alltagstest der E-Patientenakte?
300 medizinische Einrichtungen, darunter Arztpraxen, Kliniken und Apotheken in Hamburg und Umgebung, Franken sowie Teilen von Nordrhein-Westfalen, testen die E-Patientenakte bereits im Praxisalltag. Dazu gehört auch die Hausarztpraxis von Nicolas Kahl aus Nürnberg. "Es funktioniert noch nicht alles, aber es läuft stabil", erklärt er.
Die Akte ist zu Beginn leer und wird erst im Rahmen der Behandlung mit Inhalten gefüllt. Momentan kann Kahl mit seinem Team PDF-Dateien etwa von Lungenfunktionstests oder EKGs in die elektronische Patientenakte hochladen. Auch ausgestellte E-Rezepte landen automatisch in der Akte.
Seit Beginn der Pilotphase verzeichnet die bundeseigene Digitalagentur Gematik einen deutlichen Anstieg der Zugriffe auf E-Akten – vergangene Woche waren es über 276.000. Medikationslisten wurden fast 69.000 Mal abgerufen. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums werden täglich rund 3,5 Millionen E-Rezepte in die E-Patientenakte integriert.
Welche Einwände bestehen?
Die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) in den Testregionen sehen einen bundesweiten Start der E-Patientenakte noch kritisch. "Ein Großteil der Praxen verfügt zwar über das entsprechende ePA-Modul, allerdings melden die Praxisteams weiterhin technische Probleme und Herausforderungen bei der Integration in die Praxisabläufe zurück", teilt die KV Westfalen-Lippe mit.
Teilweise könne nicht auf E-Akten zugegriffen werden, oder die Ladezeiten seien zu lang. Auch die KV Bayern berichtet von fehlenden Fortschritten bei technischen Problemen. Eine zu frühe Einführung könnte aus ihrer Sicht die Akzeptanz der elektronischen Patientenakte bei Ärzten und Versicherten beeinträchtigen.
Welche Vorteile bringt die E-Patientenakte?
Viele Fachleute sind überzeugt, dass die E-Patientenakte die Behandlungsqualität deutlich verbessern kann. Nicolas Kahl berichtet: Er müsse Befunde anderer Mediziner nicht mehr aufwendig anfordern, sondern könne direkt darauf zugreifen. Das spare nicht nur Zeit, sondern vermeide auch unnötige Doppeluntersuchungen. "Es hilft uns, wenn wir einen Patienten nicht gut kennen und dieser keine Auskunft über seine Medikamente geben kann." So könnten gefährliche Arzneimittelwechselwirkungen verhindert werden.
"Es wird sich perspektivisch lohnen", ist sich Kahl sicher. Doch das werde noch Monate oder Jahre dauern. Denn zunächst gelangen nur neue Diagnosen und Verordnungen in die E-Akte. Wer frühere Unterlagen einfügen möchte, muss diese selbst hochladen. Maximal zehn Dokumente pro Jahr sind dabei möglich, erklärt Kahl.
Wie groß ist die Zustimmung zur E-Patientenakte?
Nach Angaben des Bundesverbands der AOK haben rund 4 Prozent der 27,49 Millionen Versicherten der E-Patientenakte aktiv widersprochen. Bei der Techniker Krankenkasse beträgt der Anteil 7 Prozent der 11,9 Millionen Versicherten. Auch in der Nürnberger Praxis von Nicolas Kahl äußerten bisher nur wenige Patientinnen und Patienten Bedenken. "Im einstelligen Prozentbereich", berichtet der 37-Jährige.
Seiner Erfahrung nach haben Personen, die die E-Akte ablehnen, oft Sorge vor Datenmissbrauch. "Manche wollen auch nicht, dass ich sehe, dass sie bei einem anderen Mediziner waren." Für die Mehrheit spiele die E-Patientenakte jedoch keine große Rolle. "Viele wissen gar nicht, dass sie eine haben."
Wie sicher ist die E-Patientenakte wirklich?
IT-Fachleute und Organisationen im Gesundheitsbereich warnten vor Einführung der E-Patientenakte in den Modellregionen vor möglichen Sicherheitslücken, die unbefugte Zugriffe erlauben könnten. Gesundheitsminister Lauterbach versichert, das Problem sei gelöst worden, nachdem der Chaos Computer Club Schwachstellen aufgedeckt hatte.
Die IT-Sicherheitsexperten Bianca Kastl und Martin Tschirsich vom Chaos Computer Club hatten diese Lücken öffentlich gemacht. Aus Kastls Sicht bestehen sie trotz nachträglicher Updates weiterhin. "Bei den versprochenen Updates handelt es sich lediglich um den Versuch der Schadensbegrenzung bei einem der vielen von uns demonstrierten Angriffe", sagte sie. "Elektronische Patientenakten lassen sich weiterhin mit geringem Aufwand angreifen."