Donald Trump fordert Deutschland auf, seinen hohen Leistungsbilanzüberschuss zu reduzieren und setzt dabei auf Zölle. Doch Experten warnen, dass Trumps Ansatz die wahren Ursachen für Handelsungleichgewichte nicht adressiert. Statt Zöllen könnten strukturelle wirtschaftliche Veränderungen in beiden Ländern der Schlüssel zu einer nachhaltigen Lösung sein.
Der Fehler in Trumps Argumentation
Deutschland verzeichnet mit einem Leistungsbilanzüberschuss von 5,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) eine beachtliche Zahl, die immer wieder zu Diskussionen führt – sowohl auf politischer als auch wirtschaftlicher Ebene. Der Überschuss ist ein zentrales Thema, das bereits unter Barack Obama immer wieder aufgegriffen wurde, unter Donald Trump jedoch deutlich aggressiver zur Sprache kam. Trump geht sogar so weit, dass er Deutschland zwingend dazu bewegen will, den Überschuss zu verringern. Doch die von ihm gewählte Herangehensweise – und vor allem die Logik, die dieser zugrunde liegt – ist grundlegend problematisch.
Trump macht das enorme Handelsdefizit der USA, das mittlerweile auf rund 1,2 Billionen Dollar angewachsen ist, für den Verfall der amerikanischen Industrie verantwortlich. Der Rückgang des Anteils des verarbeitenden Sektors an der Gesamtbeschäftigung – von 20 Prozent im Jahr 1980 auf mittlerweile nur noch 8 Prozent – sei das Ergebnis von Handelsungleichgewichten. Um dem entgegenzuwirken, fordert Trump eine Umkehr der Handelsströme und setzt dabei auf „gegenseitige Zölle“, die er als Lösung für das Defizit vorschlägt. Der Mechanismus zur Berechnung dieser Zölle erscheint jedoch wenig durchdacht und dürfte wenig Wirkung auf die zugrunde liegenden wirtschaftlichen Probleme haben.
Ökonom Paul Krugman weist darauf hin, dass eine Korrektur der Handelsungleichgewichte nicht das Problem der schwächelnden Industrie in den USA lösen wird. Faktoren wie Produktivitätswachstum und Automatisierung sind viel entscheidender für den Niedergang der verarbeitenden Industrie, auch in Ländern wie Deutschland, die Überschüsse erzielen.
Darüber hinaus ist das amerikanische Handelsdefizit zum Teil auf positive wirtschaftliche Entwicklungen zurückzuführen, etwa auf hohe Kapitalzuflüsse. Diese fließen in die USA – unter anderem durch den Kauf amerikanischer Staatsanleihen oder den Bau von Fertigungsstätten durch ausländische Unternehmen wie deutsche, japanische und südkoreanische Automobilhersteller. Diese Investitionen stärken die US-Wirtschaft und tragen zur Finanzierung von Innovationen und Wachstum bei. Der Kapitalüberschuss der USA steht in direkter Korrelation mit dem Handelsdefizit und ist für das Land insgesamt von Vorteil.
Die deutsche Seite der Medaille: Hohe Ersparnisse und geringe Investitionen
Anders als die USA, die aufgrund ihrer niedrigen Ersparnisquote auf Kapitalzuflüsse angewiesen sind, spiegelt der deutsche Handelsüberschuss ein strukturelles Ungleichgewicht wider: hohe Ersparnisse und geringe Investitionen. Diese Entwicklung ist das Resultat einer gezielten politischen Entscheidung. Unter der Kanzlerschaft von Angela Merkel wurde eine strikte Haushaltsdisziplin verfolgt, was zur „Schwarzen Null“ führte – einem ausgeglichenen Bundeshaushalt ohne Neuverschuldung.
Jedoch hat die neue deutsche Regierung unter Friedrich Merz bereits Maßnahmen ergriffen, um die Finanzpolitik zu lockern. So wurde die „Schuldenbremse“ geändert und ein umfangreiches Investitionsprogramm in Höhe von einer Billion Euro verabschiedet, das vorrangig in Verteidigung und Infrastruktur fließen soll. Diese Änderungen werden voraussichtlich zu einem Rückgang des deutschen Leistungsbilanzüberschusses führen, da ein erheblicher Teil der zusätzlichen öffentlichen Ausgaben in Form von Importen getätigt wird.
Veränderungen im Exportmarkt
Auch im Exportsektor zeichnen sich Veränderungen ab. Nach der globalen Finanzkrise 2008 erlebte Deutschland einen Boom bei den Exporten, insbesondere nach China. Dies trug maßgeblich zur Steigerung des deutschen Handelsüberschusses bei. In den Jahren 2010 bis 2018 stiegen die Exporte jährlich um 4,1 Prozent. Doch mit dem wirtschaftlichen Abbremsen Chinas und der zunehmenden Konkurrenz durch chinesische Hersteller im Bereich Elektrofahrzeuge und Maschinenbau erlebte Deutschland 2023/24 einen Rückgang seiner Exporte. Dieser Trend könnte sich fortsetzen, was den deutschen Überschuss weiter unter Druck setzen wird.
Kritik an deutschen Steuerreformen und der Wettbewerbsvorteil
Trump und sein Handelsberater Peter Navarro werfen Deutschland vor, nichttarifäre Handelshemmnisse zu schaffen, die die Wettbewerbsfähigkeit des Landes im Export fördern. Es stimmt, dass steuerliche Anpassungen Anfang der 2000er Jahre dazu führten, dass Deutschland seine Exporte günstiger und Importe teurer machte. Durch die Senkung der Unternehmenssteuer und die Erhöhung der Mehrwertsteuer schuf das Land quasi eine „fiskalische Abwertung“, die die Wettbewerbsfähigkeit des Landes stärkte – ein Nebeneffekt der Steuerreformen, die ursprünglich nicht auf den Außenhandel ausgerichtet waren.
Fazit: Warum Zölle keine Lösung sind
Trotz der berechtigten Kritik an Deutschlands hohem Handelsüberschuss in den letzten Jahren, rechtfertigt dies keinesfalls die von Trump favorisierten Zölle. Während der deutsche Überschuss tatsächlich über Jahre hinweg zu hoch war, befindet er sich bereits auf dem Rückgangskurs. Auch das US-Handelsdefizit könnte sich verringern, jedoch wäre dies langfristig eher auf strukturelle Veränderungen in der US-Wirtschaft zurückzuführen, wie etwa auf eine höhere Ersparnisquote und Investitionen im Inland.
Es bleibt zu hoffen, dass die politischen Entscheidungsträger sowohl in den USA als auch in Deutschland die komplexen Ursachen für Handelsungleichgewichte erkennen und auf tiefgreifende wirtschaftliche Reformen setzen – statt auf protektionistische Maßnahmen, die die bestehenden Probleme nur oberflächlich anpacken.
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