Importverbot für russisches Gas – echt oder nicht echt?
Von der Ankündigung eines klaren Rechtsrahmens war auf der kürzlichen Brüsseler Pressekonferenz überraschend wenig zu spüren. Stattdessen präsentierte Energiekommissar Dan Jørgensen einen vagen Fahrplan, gespickt mit Versprechungen und Absichtserklärungen – konkrete Gesetzestexte? Fehlanzeige.
Der Anteil russischen Gases an den EU-Importen sei seit Beginn des Ukraine-Kriegs von 45 auf 13 Prozent gesunken, erklärte Jørgensen. Dennoch habe die EU allein im vergangenen Jahr Russland 23 Milliarden Euro für Energie gezahlt – eine Summe, die sämtliche Ukraine-Hilfen der Union übersteigt. Dies müsse nun enden, so der Kommissar.
Künftig sollen:
- keine neuen Verträge über russisches Gas oder Flüssigerdgas abgeschlossen werden (ab Ende 2025)
- bestehende Verträge bis 2027 gekündigt werden
- auch Kernbrennstoffimporte aus Russland vollständig unterbunden werden
- sowie verbindliche nationale Ausstiegspläne aller Mitgliedsstaaten vorliegen – bis Ende dieses Jahres
Doch all das basiert bislang nicht auf verabschiedeten Gesetzen, sondern auf politischen Ankündigungen. Die rechtliche Grundlage soll erst im kommenden Monat vorgestellt werden. Bis dahin bleibt vieles in der Schwebe.
Juristisches Risiko für Unternehmen
Die Kommission argumentiert, dass es sich bei dem Importverbot um einen Fall „höherer Gewalt“ handle – was Unternehmen aus langfristigen Verträgen mit russischen Partnern heraushelfen soll, ohne Schadenersatzforderungen fürchten zu müssen. Doch dieser Standpunkt ist hoch umstritten. Mehrere unabhängige Juristen zweifeln daran, ob die Definition von „höherer Gewalt“ hier haltbar ist – vor allem vor internationalen Schiedsgerichten.
Für Unternehmen bedeutet das: Rechtsunsicherheit. Während Brüssel von einem klaren Bruch mit Russland spricht, drohen wirtschaftlich riskante Klagewellen.
Gaspreise, USA und der Vorwurf des Energiediktats
Auf die Frage, ob das Importverbot zu steigenden Gaspreisen führen werde, antwortete der Energiekommissar ausweichend. „Ich glaube nicht, dass die Preise steigen werden“, so Jørgensen. Schließlich gebe es auf dem Weltmarkt mehr Gas als die EU derzeit benötige. Der Hinweis auf eine mögliche stärkere Abhängigkeit von US-amerikanischem Flüssiggas blieb unbeantwortet.
Kritik kommt unterdessen aus osteuropäischen Staaten: Die einseitige Vorgabe Brüssels werde dort als Energiediktat empfunden. Auch hierzu blieb die Kommission vage. Man erwarte von allen Staaten die Umsetzung der Maßnahmen – auch gegen ihren Willen. „Das ist der Rechtsrahmen der EU“, so Jørgensen.
Fazit: Eine politische Botschaft ohne juristisches Fundament
Was heute in Brüssel präsentiert wurde, ist ein politisches Signal – aber kein verbindlicher Beschluss. Solange die konkrete Gesetzgebung fehlt, bleibt der Gas-Boykott eine Absichtserklärung. Für Unternehmen bedeutet das: Abwarten. Und hoffen, dass Brüssel in seiner nächsten Ankündigung mehr liefert als Worte.