Die EU-Kommission plant den nächsten Schritt im Energiekrieg gegen Russland. Bereits morgen will Brüssel neue Leitlinien vorlegen, um Unternehmen den Kauf russischen Gases zu untersagen – und gleichzeitig eine juristische Hintertür schaffen, um bestehende Verträge zu kündigen. Doch Experten warnen: Der rechtliche Boden, auf dem sich die EU bewegt, ist brüchig. Und die wirtschaftlichen Risiken sind enorm.
EU-Gasverbot: Doppelschlag gegen Gazprom & Co.
Kernstück des Brüsseler Plans sind zwei Maßnahmen:
- Ein Verbot neuer Verträge für den Bezug von russischem Erdgas und Flüssiggas (LNG).
- Ein juristischer Rahmen, um laufende Verträge unter Berufung auf höhere Gewalt einseitig kündigen zu können – ohne Strafzahlungen.
Doch was nach einer entschlossenen Energiepolitik klingt, ist bei näherer Betrachtung eine politische Konstruktion mit rechtlichen Schwachstellen. Denn der Begriff höhere Gewalt ist im internationalen Vertragsrecht klar definiert – und die EU selbst erfüllt diese Bedingungen nicht.
Höhere Gewalt – ein politisch missbrauchter Begriff?
Nach gängiger juristischer Praxis liegt höhere Gewalt dann vor, wenn eine unvorhersehbare und unabwendbare äußere Störung die Vertragserfüllung unmöglich macht – etwa ein Naturereignis oder ein Krieg. Doch genau hier liegt das Problem.
- Der Krieg in der Ukraine begann 2022. Dass die EU jetzt höhere Gewalt geltend machen will, wirft Fragen auf.
- Noch schwerwiegender: Die EU ist kein Naturereignis, sondern ein handelnder Akteur. Rechtsgelehrte argumentieren, dass vorsätzliche politische Maßnahmen – also selbstgewählte Sanktionen – nicht als höhere Gewalt gelten können.
Damit könnte sich die EU selbst entlarven: als wirtschaftspolitischer Akteur, der versucht, bestehende Verträge durch eine selbst geschaffene Rechtsgrundlage zu unterlaufen. Ein Präzedenzfall mit globaler Sprengkraft.
Kein Konsens – kein Embargo
Faktisch kann die EU ohnehin keine einheitlichen Sanktionen gegen russisches Gas verhängen. Länder wie Ungarn, die Slowakei und teils auch Deutschland lehnen ein Importverbot ab. Und während die Gasimporte über Pipelines rückläufig sind, erreichen die LNG-Importe aus Russland 2024 neue Rekorde – besonders Deutschland importierte sechseinhalbmal mehr als im Vorjahr.
Geopolitik als Energiepolitik
Die Hintergründe für die Eile der Kommission sind offensichtlich:
- Die USA drängen Europa, mehr amerikanisches Flüssiggas zu kaufen – zu höheren Preisen.
- Ein Verzicht auf russisches Gas vor einem Handelsabkommen mit den USA könnte Europas Verhandlungsposition schwächen.
- Sollte es in der Ukraine zu einer Einigung kommen, könnte der politische Druck auf Russland schnell nachlassen – und das moralische Argument für ein Gasverbot ins Wanken geraten.
All das geschieht vor dem Hintergrund steigender Energiepreise, schwindender Wettbewerbsfähigkeit und wachsender Abhängigkeit von teurem LNG. Europa schafft sich selbst ein Dilemma – und könnte zum energiepolitischen Spielball transatlantischer Interessen werden.
Fazit: Verbot mit Fallhöhe
Die geplanten Maßnahmen der EU sind keine juristisch belastbaren Sanktionen, sondern ein wirtschaftspolitisches Manöver, das international auf Widerstand stoßen dürfte – nicht nur von Moskau, sondern auch von internationalen Schiedsgerichten und verunsicherten Investoren.
Der Weg zu einem vollständigen Ausstieg aus russischem Gas bis 2027 – wie im RePowerEU-Plan versprochen – wird steiniger, als Brüssel es öffentlich darstellt. Und möglicherweise auch teurer, als Europas Bürger und Unternehmen verkraften können.