Politik

EU-Gasverbot: EU will russisches Gas verbieten – doch das Völkerrecht steht im Weg

Die EU-Kommission plant ein Verbot für russisches Gas – bis spätestens Ende 2027 sollen sämtliche Lieferungen gestoppt werden. Doch rechtlich steht die EU-Kommission auf dünnem Eis. Die Maßnahme könnte mehr schaden als nützen.
07.05.2025 20:03
Lesezeit: 2 min
EU-Gasverbot: EU will russisches Gas verbieten – doch das Völkerrecht steht im Weg
Brüssel will russisches Gas verbieten – doch LNG aus den USA füllt die Lücke. (Foto: dpa) Foto: Jens Büttner

Die EU-Kommission plant den nächsten Schritt im Energiekrieg gegen Russland. Bereits morgen will Brüssel neue Leitlinien vorlegen, um Unternehmen den Kauf russischen Gases zu untersagen – und gleichzeitig eine juristische Hintertür schaffen, um bestehende Verträge zu kündigen. Doch Experten warnen: Der rechtliche Boden, auf dem sich die EU bewegt, ist brüchig. Und die wirtschaftlichen Risiken sind enorm.

EU-Gasverbot: Doppelschlag gegen Gazprom & Co.

Kernstück des Brüsseler Plans sind zwei Maßnahmen:

  1. Ein Verbot neuer Verträge für den Bezug von russischem Erdgas und Flüssiggas (LNG).
  2. Ein juristischer Rahmen, um laufende Verträge unter Berufung auf höhere Gewalt einseitig kündigen zu können – ohne Strafzahlungen.

Doch was nach einer entschlossenen Energiepolitik klingt, ist bei näherer Betrachtung eine politische Konstruktion mit rechtlichen Schwachstellen. Denn der Begriff höhere Gewalt ist im internationalen Vertragsrecht klar definiert – und die EU selbst erfüllt diese Bedingungen nicht.

Höhere Gewalt – ein politisch missbrauchter Begriff?

Nach gängiger juristischer Praxis liegt höhere Gewalt dann vor, wenn eine unvorhersehbare und unabwendbare äußere Störung die Vertragserfüllung unmöglich macht – etwa ein Naturereignis oder ein Krieg. Doch genau hier liegt das Problem.

  • Der Krieg in der Ukraine begann 2022. Dass die EU jetzt höhere Gewalt geltend machen will, wirft Fragen auf.
  • Noch schwerwiegender: Die EU ist kein Naturereignis, sondern ein handelnder Akteur. Rechtsgelehrte argumentieren, dass vorsätzliche politische Maßnahmen – also selbstgewählte Sanktionen – nicht als höhere Gewalt gelten können.

Damit könnte sich die EU selbst entlarven: als wirtschaftspolitischer Akteur, der versucht, bestehende Verträge durch eine selbst geschaffene Rechtsgrundlage zu unterlaufen. Ein Präzedenzfall mit globaler Sprengkraft.

Kein Konsens – kein Embargo

Faktisch kann die EU ohnehin keine einheitlichen Sanktionen gegen russisches Gas verhängen. Länder wie Ungarn, die Slowakei und teils auch Deutschland lehnen ein Importverbot ab. Und während die Gasimporte über Pipelines rückläufig sind, erreichen die LNG-Importe aus Russland 2024 neue Rekorde – besonders Deutschland importierte sechseinhalbmal mehr als im Vorjahr.

Geopolitik als Energiepolitik

Die Hintergründe für die Eile der Kommission sind offensichtlich:

  • Die USA drängen Europa, mehr amerikanisches Flüssiggas zu kaufen – zu höheren Preisen.
  • Ein Verzicht auf russisches Gas vor einem Handelsabkommen mit den USA könnte Europas Verhandlungsposition schwächen.
  • Sollte es in der Ukraine zu einer Einigung kommen, könnte der politische Druck auf Russland schnell nachlassen – und das moralische Argument für ein Gasverbot ins Wanken geraten.

All das geschieht vor dem Hintergrund steigender Energiepreise, schwindender Wettbewerbsfähigkeit und wachsender Abhängigkeit von teurem LNG. Europa schafft sich selbst ein Dilemma – und könnte zum energiepolitischen Spielball transatlantischer Interessen werden.

Fazit: Verbot mit Fallhöhe

Die geplanten Maßnahmen der EU sind keine juristisch belastbaren Sanktionen, sondern ein wirtschaftspolitisches Manöver, das international auf Widerstand stoßen dürfte – nicht nur von Moskau, sondern auch von internationalen Schiedsgerichten und verunsicherten Investoren.

Der Weg zu einem vollständigen Ausstieg aus russischem Gas bis 2027 – wie im RePowerEU-Plan versprochen – wird steiniger, als Brüssel es öffentlich darstellt. Und möglicherweise auch teurer, als Europas Bürger und Unternehmen verkraften können.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen MTS Money Transfer System – Sicherheit beginnt mit Eigentum.

In Zeiten wachsender Unsicherheit und wirtschaftlicher Instabilität werden glaubwürdige Werte wieder zum entscheidenden Erfolgsfaktor....

DWN
Politik
Politik Gegengewicht zu China: Japan und USA stärken Allianz
28.10.2025

Die USA bleiben Japans Schutzmacht. Bei einem Gipfeltreffen in Tokio kündigen beide Länder eine weitere Vertiefung ihrer...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Einkaufsmanagerindex Deutschland: Das Comeback der Wirtschaft hat eine gefährliche Schwachstelle
28.10.2025

Die deutsche Wirtschaft wächst so stark wie seit Jahren nicht mehr – doch der Aufschwung hat Schattenseiten. Während Dienstleistungen...

DWN
Finanzen
Finanzen Überbewertete KI-Aktien: Auf neue Sektoren setzen
28.10.2025

Rekorde an den Börsen, Gold fällt, und Investoren ziehen sich aus überbewerteten KI-Aktien zurück. Wall-Street-Veteranen sehen...

DWN
Finanzen
Finanzen PayPal-Aktie hebt ab: Kooperation mit OpenAI und starke Quartalszahlen sorgen für Kursfeuerwerk
28.10.2025

Die PayPal-Aktie erlebt derzeit ein beeindruckendes Comeback. Nach Bekanntgabe einer Kooperation mit dem KI-Unternehmen OpenAI und der...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Tipico verkauft: Milliarden-Deal stärkt Sportwettenmarkt
28.10.2025

Tipico, einer der größten Sportwettenanbieter Deutschlands, wechselt für Milliarden den Besitzer. Der französische Konzern Banijay...

DWN
Finanzen
Finanzen Deutsche sparen weniger: International aber weit vorn
28.10.2025

Knapp 270 Euro im Monat legen Privathaushalte in Deutschland im Schnitt zurück. Damit sinkt die Sparquote gegenüber dem vergangenen Jahr....

DWN
Finanzen
Finanzen Europas Rüstungsindustrie überholt die USA: Boom bei Verteidigungsausgaben lässt Rüstungsaktien steigen
28.10.2025

Europas Rüstungsindustrie wächst rasant, angetrieben von höheren Verteidigungsausgaben und neuen EU-Investitionsprogrammen. Besonders...

DWN
Finanzen
Finanzen Wachstum statt Ausschüttung: Sind Dividenden überbewertet?
28.10.2025

Viele Anleger jagen Dividenden – Martynas Karčiauskas tut das Gegenteil. Er setzt auf Kapitalrendite, Geduld und globale Allokation. Mit...