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Reichsbürger-Verbot: Dobrindt zerschlägt "Königreich Deutschland"

Sie erkennen den Staat nicht an, verbreiten Verschwörungstheorien und zahlen häufig keine Steuern. Die Szene der Reichsbürger war zuletzt gewachsen. Die größte Vereinigung ist nun verboten.
13.05.2025 09:28
Lesezeit: 3 min
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Reichsbürger-Verbot: Dobrindt zerschlägt "Königreich Deutschland"
Polizeibeamte durchsuchen nach dem Verbot der Reichsbürger-Gruppe "Königreich Deutschland" durch den Bundesinnenminister Gebäude. Mehrfach gab es hier Treffen der Reichsbürgerszene. «Reichsbürger» erkennen die Bundesrepublik Deutschland nicht als Staat an. Viele von ihnen behaupten, das historische Deutsche Reich bestehe bis heute fort. Die Polizei durchsuchte Gebäude in Baden-Württemberg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. (Foto: dpa) Foto: Bodo Schackow

Verbot direkt nach Amtsantritt

Wenige Tage nach seinem Amtsantritt hat Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) die aktuell größte Gruppierung sogenannter Reichsbürger und Selbstverwalter verboten. Der Verein nennt sich "Königreich Deutschland" und soll bundesweit etwa 6.000 Anhänger haben.

Nach Angaben des Innenministeriums durchsuchten Polizeikräfte ab den frühen Morgenstunden vom Verein genutzte Gebäude sowie Wohnungen führender Mitglieder in Baden-Württemberg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.

Vier Festnahmen

Vier Männer wurden laut Generalbundesanwalt festgenommen. Unter ihnen ist Peter Fitzek, der die Vereinigung nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden 2012 in Wittenberge gründete. Zwei der Festnahmen erfolgten laut einer Sprecherin der Bundesanwaltschaft im Landkreis Mittelsachsen, je eine weitere in den Landkreisen Oder-Spree in Brandenburg und Bad Dürkheim in Rheinland-Pfalz. Zudem habe es bei einem Verdächtigen im Kanton Solothurn in der Schweiz Durchsuchungen gegeben. Auch er soll deutscher Staatsbürger sein.

Die vier festgenommenen Deutschen seien 37, 38, 46 und 59 Jahre alt, teilte die Sprecherin der Bundesanwaltschaft mit. Sie sollen heute und morgen einem Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof in Karlsruhe vorgeführt werden. Dieser muss dann entscheiden, ob die Verdächtigen in Untersuchungshaft kommen.

Besondere Relevanz des Falls

Die Ermittlungen laufen den Angaben zufolge wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung. Die Bundesanwaltschaft ist in solchen Fällen nicht automatisch zuständig. Mit Blick auf die mutmaßlichen Rädelsführer habe die oberste Anklagebehörde in Deutschland die Ermittlungen aber wegen der besonderen Relevanz übernommen, erklärte die Sprecherin.

Fitzek werden demnach auch unerlaubte Einlagen- und Versicherungsgeschäfte zur Last gelegt. Ein weiterer Beschuldigter soll ihn bei den Einlagengeschäften unterstützt haben.

"Gegenstaat" errichtet

"Die Mitglieder dieser Vereinigung haben einen 'Gegenstaat' in unserem Land errichtet und wirtschaftskriminelle Strukturen etabliert", sagte Dobrindt laut einer Mitteilung seines Ministeriums. Ihren vermeintlichen Herrschaftsanspruch untermauerten die Mitglieder der Vereinigung mit antisemitischen Verschwörungserzählungen. Dieses Verhalten könne ein Rechtsstaat nicht hinnehmen.

"Reichsbürger" erkennen die Bundesrepublik Deutschland nicht als legitimen Staat an. Viele von ihnen behaupten, das historische Deutsche Reich bestehe weiterhin. Sogenannte Reichsbürger lehnen demokratische und rechtsstaatliche Institutionen wie Parlament, Gesetze oder Gerichte ab. Steuern, Sozialabgaben oder Bußgelder wollen sie nicht entrichten. Die Szene setzt sich aus zahlreichen, meist kleinen Gruppierungen zusammen. Manche "Reichsbürger" sehen sich selbst als Staatsoberhäupter ihres eigenen kleinen Reiches.

Größte Vereinigung im Spektrum

Das "Königreich Deutschland" gilt derzeit als mitgliederstärkste Vereinigung innerhalb des Spektrums der sogenannten Reichsbürger und Selbstverwalter. Der Verfassungsschutz ordnete der Szene insgesamt im Jahr 2023 rund 25.000 Anhänger zu. Für Schlagzeilen sorgte in den vergangenen Monaten insbesondere die "Reichsbürger"-Vereinigung um Heinrich XIII. Prinz Reuß, die einen gewaltsamen Umsturz der Bundesregierung geplant und dabei bewusst Tote in Kauf genommen haben soll. Am Oberlandesgericht Frankfurt läuft ein Verfahren gegen die Gruppe. Parallel dazu gibt es Prozesse in München und Stuttgart.

Auch wirtschaftlich motiviert

"Wesensprägend für das 'Königreich Deutschland' ist eine dezidierte profitorientierte Ausrichtung", teilte das Bundesinnenministerium mit. Über Teilorganisationen seien seit Jahren unerlaubte Bank- und Versicherungsgeschäfte betrieben worden. Peter Fitzek, gebürtig aus Halle in Sachsen-Anhalt, hatte sich selbst zum Staatsoberhaupt ernannt. Er stand bereits mehrfach vor Gericht und wurde verurteilt. Vorgeworfen wurde ihm unter anderem, ohne Führerschein gefahren zu sein oder illegale Bankgeschäfte betrieben zu haben. Im März wurde ein Urteil des Amtsgerichts Wittenberg rechtskräftig, das Fitzek wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilte.

Laut Generalbundesanwalt bestimmte Fitzek als "Oberster Souverän" die ideologische Ausrichtung der Gruppierung und erließ eigene "Gesetze". Zwei weitere Festgenommene bildeten demnach als seine Stellvertreter die oberste Führungsebene. Der vierte Mann sei für die Finanzen zuständig gewesen.

Folgen des Verbots

Mit dem Verbot gehen laut Bundesinnenministerium die Beschlagnahmung des Vermögens sowie die Sperrung der Online-Plattformen des Vereins einher.

Verfassungsschutz war beteiligt

Das nun ausgesprochene Vereinsverbot sei das Ergebnis einer engen Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für

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