Wie viele Prozent des Bruttoinlandsprodukts sollen künftig in die Verteidigungsausgaben fließen? Außenminister Wadephuls Aussage über eine Anhebung auf fünf Prozent entfacht eine kontroverse Debatte.
Wadephul stützt sich auf Vorschlag von Nato-Generalsekretär Mark Rutte
Die Opposition übt heftige Kritik an Außenminister Johann Wadephul (CDU), der sich für eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf fünf Prozent der Wirtschaftsleistung ausspricht. Die Grünen sehen darin eine riskante Anbiederung an US-Präsident Donald Trump und fordern stattdessen eine belastbare Planung, die sich an den Beschlüssen des Nato-Gipfels im Juni orientiert. Bereits am Donnerstag hatten sich SPD-Parteichef Lars Klingbeil und Verteidigungsminister Boris Pistorius vorsichtig zu Wadephuls Aussage geäußert.
"Es erscheint doch recht naiv, wenn Außenminister Wadephul meint, er könne sich bei Präsident Trump beliebt machen, indem er ohne Grundlage und entgegen dem Koalitionsvertrag mit großen Zahlen operiert", sagte Grünen-Fraktionsvize Agnieszka Brugger gegenüber der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten". "Erforderlich ist vielmehr eine fundierte Planung, die auf den überarbeiteten Verteidigungsplänen der Nato basiert, die in wenigen Wochen beschlossen werden."
Wadephuls Aussage fiel am Donnerstag, als er bei einem Nato-Treffen in der Türkei Trumps Forderung nach höheren Verteidigungsausgaben unterstützte. Seinen Worten zufolge sei dies notwendig. CDU-Politiker Wadephul stützte sich dabei auf einen Vorschlag von Nato-Generalsekretär Mark Rutte, der Militärausgaben in Höhe von 3,5 Prozent und zusätzlich 1,5 Prozent für militärisch nutzbare Infrastruktur wie Schienennetze, Brücken oder Häfen einplant – zusammengenommen fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Doch nicht nur die Opposition, auch die Koalitionspartei SPD reagierte irritiert auf Wadephuls Aussage.
Klingbeil und Pistorius pochen auf Nato-Ziele
SPD-Vorsitzender Klingbeil stellte in Berlin klar, dass laut Koalitionsvertrag die Nato-Fähigkeitsziele der Maßstab seien. Die endgültige Entscheidung hierzu falle beim Nato-Gipfel. "Und dann wird Deutschland diese Ziele erfüllen", so der neue Finanzminister. Innerhalb der Koalition solle man sich strikt an den Koalitionsvertrag halten.
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) betonte am Abend: "Wichtiger als bloße Prozentwerte ist, dass die beschlossenen Nato-Fähigkeitsziele rasch, umfassend und termingerecht erreicht werden." Natürlich werde es Diskussionen um drei Prozent oder mehr geben.
Merz sieht Prozentzahlen als "Hilfskonstruktion"
Bundeskanzler Friedrich Merz versuchte am Abend, die aufgeheizte Debatte zu dämpfen. "Diese ganze Diskussion über Prozentzahlen des BIP ist eine Hilfskonstruktion, um grobe Orientierung bei den Verteidigungsausgaben zu bieten", erklärte der CDU-Chef in der ZDF-Sendung "Maybrit Illner".
Statt Prozentwerten solle der Fokus auf konkreten militärischen Fähigkeiten liegen: "Europa muss in der Lage sein, seinen Kontinent eigenständig verteidigen zu können." Die Forderung von Trump nach fünf Prozent kommentierte Merz ebenso wenig wie Wadephuls Aussage.
Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) äußerte sich gegenüber "Bild": Falls der Nato-Gipfel "eine neue Zielmarke für die Höhe der Verteidigungsausgaben vorgibt, wird dies für uns maßgeblich sein." Weiter sagte er: "Das wurde so vereinbart und ist der Kontext, in dem die Aussage des Außenministers zu verstehen ist."
Linke nennt Pläne zu Verteidigungskosten "Wahnsinn"
Deutliche Ablehnung kam auch von der Linken. "Das ist doch Wahnsinn – wer soll das alles finanzieren? Selbst wenn man die Schuldenbremse außer Kraft setzt, muss es irgendjemand bezahlen", kritisierte Parteichef Jan van Aken im Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Für eine europäische oder nationale Verteidigung seien derart hohe Verteidigungskosten nicht nötig. Es sei ungerecht, wenn wegen der Umsetzung von Wadephuls Aussage am Ende kein Geld mehr für Bildung, Pflege oder Infrastruktur vorhanden sei – während die Ärmsten zahlen müssten.
Gleichzeitig wird eingeräumt, dass ein Teil der mit fünf Prozent bezifferten Ausgaben für Infrastruktur auch zivil nutzbar sei – was ohnehin Kosten verursacht hätte. Aktuell sieht das Nato-Ziel bei den Verteidigungsausgaben jährlich mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts vor. Deutschland erreichte dieses Ziel 2024 knapp – andere Länder wie Italien, Spanien, Belgien oder Luxemburg blieben bisher deutlich darunter.