Thyssenkrupp-Sparten sollen eigenständiger agieren – doch nicht vollständig
Der Industriekonzern Thyssenkrupp arbeitet weiter an seiner Neuausrichtung: Nach dem Umbau der Stahl- und Marinesparte sollen in den nächsten Jahren auch die übrigen drei Geschäftsbereiche in eine eigenständige Struktur überführt werden. Künftig solle die Thyssenkrupp AG als strategische Konzernführung mit eigenständigen Geschäftseinheiten agieren, erklärte das Unternehmen in Essen. Mehrheitliche Beteiligungen an den Sparten wolle man dennoch beibehalten.
Noch in diesem Jahr soll der Vorstand das Konzept, das unter dem Titel „Zukunftsmodell“ läuft, dem Aufsichtsrat präsentieren. Zuvor hatte die "Bild"-Zeitung über die Pläne zur Umwandlung in eine Holding berichtet.
"Im Zentrum der Strategie steht die schrittweise Verselbstständigung sämtlicher Geschäftsbereiche von Thyssenkrupp und die Öffnung für externe Beteiligungen", teilte das Unternehmen mit. Erste Schritte wie der Verkauf eines Minderheitsanteils an Thyssenkrupp Marine Systems und das geplante Joint-Venture im Stahlbereich seien bereits erfolgt. Die Börse reagierte positiv: Am Montag stieg die Thyssenkrupp-Aktie bis zum späten Nachmittag um rund 8,2 Prozent auf 9,34 Euro.
IG Metall: Wandel nur unter klaren Bedingungen
Von IG Metall und Arbeitnehmervertretungen kam vorsichtige Zustimmung. Einer strategischen Neuausrichtung wolle man sich nicht verschließen, erklärten IG Metall und Konzernbetriebsrat gemeinsam. Gleichzeitig fordere man, dass die Veränderungen unter bestimmten Leitlinien ablaufen, „um Perspektiven für die betroffenen Bereiche zu sichern und langfristige Arbeitsplätze zu schaffen“.
Die Arbeitnehmervertretung kritisierte, bisher nicht angemessen in die Pläne einbezogen worden zu sein. „Wir erwarten, dass Thyssenkrupp hier nachbessert und die Vorhaben den zuständigen Gremien umfassend und zeitnah vorlegt.“
„Ein zerschlagener Konzern, der schrittweise an die Börse gebracht wird – ohne tragfähige Zukunftsbilder für Belegschaften und Standorte – ist für uns nicht akzeptabel“, sagte Jürgen Kerner, stellvertretender Aufsichtsratschef und zweiter Vorsitzender der IG Metall. „Wir fordern verbindliche Aussagen zu Beschäftigungssicherung und Standortgarantien. Kündigungen aus betrieblichen Gründen lehnen wir strikt ab.“
Auch Material- und Automobilsparten im Fokus
Künftig sollen laut Unternehmen auch die Bereiche Werkstoffe und Autoteile börsenfähig gemacht werden. Die Eigenständigkeit folge, sobald die Voraussetzungen dafür gegeben seien. Das noch junge Segment „Decarbon Technologies“, in dem Thyssenkrupp seine CO2-senkenden Technologien bündelt, solle ebenfalls eigenständig aufgestellt werden, „sobald der Markt für grüne Technologien dynamischer wird“.
Abgesehen vom Stahl-Joint-Venture plane Thyssenkrupp grundsätzlich, bei Erreichen der Börsenreife Mehrheitsbeteiligungen zu behalten. Ziel sei die Etablierung eines schlanken, agilen Industriekonzerns mit klarer Struktur. Die Thyssenkrupp AG solle dabei als steuernde Konzernholding agieren, deren Beteiligungen eigenverantwortlich arbeiten.
„Die strategische Neupositionierung von Thyssenkrupp verfolgen wir entschlossen weiter“, sagte Vorstandschef Miguel López. Die Eigenständigkeit der Geschäftsbereiche werde unternehmerische Flexibilität, Ergebnisverantwortung und Transparenz für Investoren erhöhen. „Gleichzeitig bleibt die Thyssenkrupp AG in der Kontrolle und partizipiert an der zukünftigen Wertentwicklung.“
Thyssenkrupp-Aktie im Aufwind: Hoffnung für Belegschaft
Der Umbau solle den weltweit knapp 96.000 Beschäftigten von Thyssenkrupp neue Perspektiven eröffnen. „Mit der Schaffung optimaler Entwicklungsbedingungen für die einzelnen Bereiche ermöglichen wir den Menschen bei Thyssenkrupp eine sichere Zukunft“, sagte Personalvorstand Wilfried von Rath.
Die nordrhein-westfälische Landesregierung reagierte zurückhaltend auf die Mitteilung. Thyssenkrupp müsse als Ganzes zukunftssicher und wettbewerbsfähig bleiben, betonte ein Regierungssprecher. Man stehe hierzu in engem Kontakt mit Geschäftsführung, Arbeitnehmerseite und weiteren Beteiligten. Entscheidungen zur Umstrukturierung lägen in der Verantwortung des Unternehmens.
Die SPD-Opposition kündigte an, das Thema am Mittwoch in den Ausschüssen für Wirtschaft und Arbeit zur Sprache zu bringen.
Die Pläne zur Verselbstständigung beschäftigen Thyssenkrupp seit Jahren. Schon Ex-Chefin Martina Merz hatte die Ausrichtung als „Group of Companies“ forciert, bei der die Sparten eigenständig operieren und die Thyssenkrupp AG als Holding fungiert. Merz wurde im Juni 2023 durch Miguel López abgelöst. Thyssenkrupp entstand 1999 durch den Zusammenschluss von Thyssen und Krupp-Hoesch. Hauptanteilseignerin ist mit etwa 21 Prozent die Krupp-Stiftung, die sich am Montag nicht zur Neuaufstellung äußern wollte.

