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Studie: Jedes zweite Unternehmen plant KI-Strategie mit Startups

Der Open Innovation Report 2025 zeigt: 51 Prozent der deutschen Unternehmen setzen für ihre KI-Zukunft auf Startup-Kooperationen. Doch der Sprung vom Vorhaben zur Umsetzung gelingt nur wenigen. Ein Grund sind fehlende Strukturen und Zuständigkeiten.
09.06.2025 08:36
Lesezeit: 4 min
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Studie: Jedes zweite Unternehmen plant KI-Strategie mit Startups
51 Prozent der deutschen Unternehmen planen, ihre KI-Strategien gemeinsam mit Startups umzusetzen (iStock/ metamorworks). Foto: metamorworks

Mehr als jedes zweite Unternehmen in Deutschland plant, seine künftige KI-Strategie gemeinsam mit Startups zu entwickeln. Das ist eines der Kernergebnisse des Open Innovation Report 2025 des französischen IT-Dienstleisters Sopra Steria in Zusammenarbeit mit der Wirtschaftshochschule INSEAD und dem Pariser Marktforschungsinstitut Ipsos.

Für die Studie wurden 1.643 Organisationen in Europa befragt, darunter auch viele aus Deutschland. Im Fokus stand die Frage, wie Unternehmen ihre Innovationskraft mit Künstlicher Intelligenz (KI) durch Partnerschaften mit Startups stärken und wie weit Anspruch und Wirklichkeit auseinanderklaffen.

Deutschland und Frankreich führen bei KI-Strategien mit Startups

Die gute Nachricht vorweg: Mit 51 Prozent führt Deutschland gemeinsam mit Frankreich das europäische Ranking an, wenn es um die strategische Relevanz von KI-Kooperationen mit Startups geht. Besonders deutlich wird das im Segment der Großunternehmen: 75 Prozent der befragten Firmen mit mehr als 5.000 Mitarbeitenden sehen junge Technologieunternehmen als zentrale Partner für die KI-Transformation.

Im Zentrum der Zusammenarbeit steht dabei vor allem generative KI.

„Speziell bei generativer KI zeigt sich, wie sehr Unternehmen auf das Tempo und die Technologiekompetenz von Startups angewiesen sind. Sie bringen Agilität in Prozesse, die in Konzernen oft zu lange dauern“, sagt Darius Selke, Marketing- und Innovationschef bei Sopra Steria Deutschland.

Auch Martin Krumbein, Gründer der Freiburger Unternehmensberatung onTarget und Experte für Zielsysteme wie OKR, sieht in der strategischen Rahmung den entscheidenden Hebel. „Um Produktivität mit KI wirklich zu steigern, reicht es nicht, einzelne Tools einzuführen“, sagt Krumbein im DWN-Interview. „Es braucht klare Ziele, Strukturen und ein Verständnis dafür, wie KI zur Wertschöpfung beiträgt.“

Nur jedes fünfte Unternehmen setzt Open Innovation um

Trotz ambitionierter Pläne ist die Realität ernüchternd: Lediglich 22 Prozent der deutschen Unternehmen haben in den vergangenen zwei Jahren tatsächlich ein Open-Innovation-Projekt mit Startups realisiert. Im europäischen Schnitt liegt der Anteil sogar nur bei 14 Prozent.

Zwar fehlt es selten an Innovationswillen, wohl aber an Ressourcen, Strukturen und Prozessen. Viele Projekte enden nach der Pilotphase, sei es mangels Folgefinanzierung oder weil interne Hürden die Skalierung blockieren. „Der Wille zur Zusammenarbeit allein reicht nicht. Entscheidend ist, welchen konkreten Mehrwert Startups liefern und wie dieser systematisch in die Organisation eingebunden wird“, sagt Darius Selke von Sopra Steria.

Wie groß das Potenzial wäre, zeigt ein Blick zu unseren Nachbarn: In Belgien etwa haben 54 Prozent der Unternehmen in den letzten zwei Jahren erstmals ein Startup-Projekt gestartet, das ist der zweithöchste Wert in Europa. Gerade im Bereich der generativen KI, wo technologische Entwicklungen gefühlt im Wochentakt anrollen, sieht Selke die Gefahr, dass Unternehmen ohne die nötige Agilität komplett ausgebremst werden und zurückfallen.

Einen zentralen Grund für die schleppende Umsetzung verortet Selke in der organisatorischen Verankerung: Zwar verfügen 64 Prozent der deutschen Unternehmen über eine eigene Open-Innovation-Abteilung. Im europäischen Vergleich ist das jedoch der zweitschlechteste Wert. Der Durchschnitt liegt bei 69 Prozent.

Dabei zeigt die Studie einen eindeutigen Zusammenhang: Unternehmen mit klar definierter Zuständigkeit erreichen eine Erfolgsquote von 73 Prozent. Ohne solche Strukturen sinkt sie auf 51 Prozent. Besonders erfolgreich sind demnach jene Firmen, die Open Innovation nicht als einmaliges Projekt, sondern als dauerhaftes Betriebsmodell mit messbaren Zielen, KPIs und eigenem Budget verankert haben.

Auch aus Sicht von Berater Martin Krumbein liegt die Herausforderung oft nicht in der Technologie, sondern in der fehlenden Zielklarheit: „Transformationsvorhaben wie die Einführung von KI dürfen kein isoliertes IT-Projekt sein“, warnt er. „Sie müssen als strategische Priorität behandelt werden, sonst bleibt der Effekt aus.“

CAIO statt Projektleiter: Warum KMU eine eigene KI-Führung brauchen

„Open Innovation darf kein Nebenprodukt sein“, mahnt Selke. Der Wille zur Zusammenarbeit allein reiche nicht aus. Entscheidend sei, welchen konkreten Mehrwert Startups liefern und wie dieser in bestehende Strukturen integriert werde.

Das erfordert mehr als Events oder Einzelprojekte. Erfolgreiche Unternehmen begreifen Startup-Kooperationen als Teil einer strategischen Venture-Logik. Sie investieren in professionelles Scouting, bewerten potenzielle Partner systematisch und schaffen klare Zuständigkeiten, Budgets und messbare Ziele. „Wer 2025 keine KI-Priorität hat, wird dem Wettbewerb nicht mehr standhalten“, warnt auch der Hamburger KI- und Digitalisierungsexperte Eckhart Hilgenstock im Gespräch mit den DWN.

Wiebke Reuter, Fachanwältin für Informations- und Technologierecht bei Taylor Wessing, ergänzt die Perspektive um die regulatorische Komponente: „Juristisch ist es unerlässlich, interne Strukturen zu schaffen, die einen geordneten Einsatz von innovativen Technologien unterstützen“, so Reuter im DWN-Interview. Nur so lasse sich die zunehmende Komplexität rechtlicher Vorgaben beherrschen.

Hilgenstock fordert deshalb die Einführung einer zentralen Führungsrolle auch im Mittelstand: den Chief Artificial Intelligence Officer, kurz CAIO. Dieser solle nicht nur strategisch denken, sondern auch operativ zwischen Geschäftsführung, IT und Fachabteilungen vermitteln. „Es reicht nicht, irgendeinen Projektleiter zu benennen”, so Hilgenstock, “der CAIO muss das Unternehmen befähigen, KI sicher und produktiv einzusetzen.”

Sieben Hebel für erfolgreiche Startup-Kooperationen

Der Open Innovation Report 2025 nennt sieben zentrale Hebel, mit denen Unternehmen Startup-Kooperationen gezielt zum Erfolg führen können:

  1. Aufbau spezialisierter Einheiten, die Startup-Koops strukturell verantworten.
  2. Zusammenarbeit mit erfahrenen Partnern für Scouting, Auswahl und Matching geeigneter Startups.
  3. Strategische Integration der Kooperationen ins Kerngeschäft statt isolierter Pilotprojekte.
  4. Mut zur Skalierung funktionierender Lösungen über den Prototypenstatus hinaus.
  5. Frühzeitige Klärung rechtlicher Fragen, insbesondere zu Datenschutz, geistiges Eigentum und Governance.
  6. Schulung der Mitarbeitenden, um eine technologieoffene Kultur zu fördern.
  7. Aktive Einbindung aller relevanten Unternehmensbereiche, von der IT über Legal bis zu den Fachbereichen.

Open Innovation wird zum Standortfaktor

Zudem zeigt der Open Innovation Report 2025 auf: Die Fähigkeit, mit Startups professionell und strukturiert zu kooperieren, wird zum maßgebenden Wettbewerbsfaktor für Unternehmen hierzulande. Nur wer das Potenzial junger Technologiepartner strategisch erschließt, kann technologische Durchbrüche beschleunigen und Innovationszyklen verkürzen.

Umgekehrt steigen damit auch die Anforderungen an die Unternehmensführung. Innovationsprojekte werden komplexer, interdisziplinärer und datengetriebener. Unternehmen brauchen deshalb neue Rollenprofile (Stichwort CAIO), agile Steuerungsmodelle und digitale Plattformen, um Tempo und Tiefe solcher KI-Kooperationen überhaupt auszuschöpfen zu können.

Fachanwältin Wiebke Reuter sieht dafür vor allem die Zusammenarbeit verschiedener Fachbereiche als entscheidend: „Erfolgreiche Innovation erfordert die enge Zusammenarbeit aller Stakeholder“, sagt sie. Der rechtliche Rahmen könne dabei als Ausgangspunkt für interdisziplinäre Lösungsfindung dienen zwischen Legal, IT, Produktentwicklung und Geschäftsführung. Darius Selke fasst es so zusammen: „Open Innovation muss strategisch gewollt und operativ getragen sein, sonst bleibt sie bloße Absicht.“

 

 

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