Wirtschaft

Immer montags krank? Jede zweite Führungskraft findet Blaumachen akzeptabel

Gefährlicher Trend: Mitarbeiter fehlen jährlich durchschnittlich 21 Tage – an Montagen steigt die Zahl der Krankmeldungen um 30-Prozent. Warum gerade Führungskräfte besonders oft „blau machen“ und wie Arbeitgeber darauf reagieren sollten.
14.07.2025 12:39
Aktualisiert: 14.07.2025 12:44
Lesezeit: 3 min
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Immer montags krank? Jede zweite Führungskraft findet Blaumachen akzeptabel
Wenn Krankmeldungen zum Alltag werden (Foto: dpa) Foto: Paul Zinken

„Blaumachen“ auf dem Vormarsch: Wenn Krankmeldungen zum Alltag werden

Schnupfen, Husten, Fieber – wer krank ist, bleibt zu Hause. Doch die Realität sieht anders aus – und das ist besorgniserregend. Eine Umfrage des Forschungsinstituts PINKTUM enthüllt, dass 39-Prozent der Deutschen gelegentliches „Blaumachen“ durchaus akzeptabel finden. Immer mehr Beschäftigte lassen sich bereits bei leichtem Unwohlsein krankschreiben – als Gründe nennen sie vor allem Erschöpfung, Unzufriedenheit und die einfache Verfügbarkeit von Attesten. „Deutschland ist mittlerweile Weltmeister bei den Krankmeldungen“, warnt Allianz-Chef Oliver Bäte. Besonders auffällig: Fast jede zweite Führungskraft hält das für in Ordnung, während nur etwa ein Drittel der Angestellten zustimmt. Auch zwischen Männern und Frauen gibt es klare Unterschiede: 46-Prozent der Männer finden „blau machen“ okay, bei den Frauen sind es nur 30-Prozent.

Laut Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) gab es 2023 insgesamt 886,2 Millionen Arbeitsunfähigkeitstage – durchschnittlich 21 pro Mitarbeiter. Besonders auffällig ist der Wochenstart: Montags liegen die Krankmeldungen rund 30-Prozent höher als an anderen Tagen. Diese Häufung erschwert die Personalplanung erheblich und verursacht Produktionsausfälle in Milliardenhöhe – geschätzte 128 Milliarden Euro jährlich.

Wie konkret sich dieser Trend in der Praxis auswirkt, zeigt ein Fall aus Niedersachsen: Montagmorgen, 8 Uhr. Ein Mitarbeiter eines mittelständischen Maschinenbauunternehmens fehlt erneut – offiziell krankgemeldet. Doch Kollegen berichten, ihn auf einem Konzert gesehen zu haben. Zudem legen Urlaubsfotos in sozialen Medien nahe, dass die Krankmeldung eine bewusste Auszeit verschleiern soll.

Zweifel an Attesten: Warum Misstrauen allein nicht ausreicht

Angesichts solcher Verdachtsmomente wächst das Misstrauen – doch allein darauf dürfen sich Arbeitgeber nicht verlassen. Eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hat vor Gericht einen hohen Beweiswert. „Die Richter gehen davon aus, dass kein Arzt ein falsches Attest aus reiner Gefälligkeit ausstellen würde“, erklärt Rechtsanwältin Roß-Kirsch.

Das heißt: Selbst bei auffälligen Krankmeldungen wird es schwierig, einen Mitarbeiter als „Blaumacher“ zu entlarven, solange er die Arbeitsunfähigkeit unverzüglich meldet und spätestens am vierten Tag ein Attest vorlegt. Dabei muss er keinen konkreten Krankheitsgrund offenlegen. Eine Pflicht zur Vorlage des Attests ab dem ersten Krankheitstag ist allerdings möglich – wenn dies klar im Arbeitsvertrag oder einer Betriebsvereinbarung geregelt ist.

Echtheit eines Attests anzweifeln – wann und wie?

Sind Arbeitgeber dann machtlos? Ganz im Gegenteil. Liegen eindeutige Hinweise vor – wie zum Beispiel die Fotos von Konzertbesuchen oder Urlaubsbildern in sozialen Netzwerken –, dreht sich die Beweislast um: Jetzt muss der Mitarbeiter seine Krankheit belegen, nicht mehr der Arbeitgeber den Verdacht auf Missbrauch. Das Bundesarbeitsgericht hat diese Regelung 2021 bestätigt und damit die Rechte der Arbeitgeber bei klaren Anzeichen gestärkt.

Arbeitgeber dürfen bei begründetem Verdacht die Echtheit eines Attests anzweifeln und den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) einschalten. Dieser prüft im Auftrag der Krankenkasse, ob die Arbeitsunfähigkeit tatsächlich gerechtfertigt ist. Solche Schritte sind besonders dann zulässig, wenn ein Mitarbeiter sein Fehlen gezielt ankündigt – etwa nach einem abgelehnten Urlaubsantrag – oder regelmäßig an bestimmten Tagen fehlt, etwa montags oder freitags. Auch der Betriebsarzt kann zur Erstellung eines Gutachtens hinzugezogen werden (§ 276 BGB, § 5 EFZG).

Arbeitsrechtliche Konsequenzen nur bei klaren Fakten!

Kann ein unrechtmäßiges Fehlen nachgewiesen werden, darf der Arbeitgeber abmahnen und im Wiederholungsfall oder bei schwerwiegendem Fehlverhalten sogar kündigen. Rechtsanwalt Volker Görzel warnt: „Das ist eine Straftat, dafür kann fristlos gekündigt werden.“ Wichtig ist jedoch: Ohne eindeutige Beweise verliert man oft vor Gericht, denn unser Recht schützt nicht nur vor Missbrauch, sondern auch vor vorschnellen Strafen.

Zudem unterliegen Gesundheitsdaten strengen Datenschutzvorgaben und Mitarbeiter können medizinischen Untersuchungen widersprechen. Heimliche Überwachung, Detektiv-Einsätze oder das grundlose Zurückhalten von Lohn sind verboten – solche Maßnahmen können nicht nur rechtliche Folgen haben, sondern auch den Ruf des Unternehmens massiv beschädigen.

Der nachhaltige Weg gegen Fehlzeiten: Prävention statt Konfrontation

Am Ende ist Prävention immer wirkungsvoller als ein Rechtsstreit vor Gericht. Der beste Schutz gegen „Blaumachen“ liegt in einem nachhaltigen Fehlzeitenmanagement. Dieses ermöglicht, Krankheitsmuster frühzeitig zu erkennen und gezielt gegenzusteuern – bevor einzelne Ausfälle zur dauerhaften Belastung für das Unternehmen werden. Offenheit, klare Regeln und vertrauensvolle Kommunikation bilden dabei das stabile Fundament für ein gesundes Betriebsklima.

Joachim Pawlik, Führungs- und Personalentwicklungsexperte, unterstreicht die Notwendigkeit, die tieferliegenden Ursachen konsequent anzugehen: „Wir müssen mentale Stärke fördern, den Zusammenhalt stärken und ein neues Führungsverständnis entwickeln, das die Kräfte im Team mobilisiert und den Menschen Energie gibt.“ Ein wirkungsvolles präventives Fehlzeitenmanagement umfasst:

  • Früherkennung: Regelmäßige Analyse der Fehlzeiten-Daten, um Muster wie Montags-Häufungen frühzeitig zu erkennen.
  • Offene Kommunikation: Persönliche, wertschätzende Gespräche mit Mitarbeitenden, die ohne Vorwürfe Belastungen und Ursachen aufdecken.
  • Flexible Arbeitsmodelle: Angebote wie Homeoffice, flexible Arbeitszeiten oder temporäre Entlastungen, um individuelle Bedürfnisse zu berücksichtigen.
  • Präventive Gesundheitsförderung: Zusammenarbeit mit Betriebsärzten zur ergonomischen Arbeitsplatzgestaltung und Stressmanagement.
  • Klare Regeln und Transparenz: Eine verbindliche Fehlzeitenrichtlinie, die den Umgang mit Krankmeldungen und Konsequenzen bei Missbrauch klar regelt.
  • Rechtssichere Dokumentation: Sorgfältige und transparente Protokollierung aller Maßnahmen und Gespräche zur Absicherung im Ernstfall.

So schaffen Unternehmen ein vertrauensvolles Umfeld, stärken die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden und sichern langfristig ihre Produktivität.

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