Anleger sehen Europa vorne – US-Aktien verlieren an Glanz
US-Aktien galten lange als unangefochtene Renditebringer – doch dieser Nimbus beginnt zu bröckeln. Zumindest wenn es nach den Einschätzungen einiger der weltweit größten Vermögensverwalter geht. Diese wittern inzwischen an anderen Orten bessere Gelegenheiten. Laut einer aktuellen Umfrage der Bank of America unter 222 institutionellen Investoren, die gemeinsam Vermögenswerte im Wert rund 507 Milliarden Euro verwalten, sehen viele Anleger in global gestreuten Aktien die renditestärkste Anlageklasse der nächsten fünf Jahre.
„Die Zeiten, in denen US-Aktien die Märkte dominiert haben, sind vorüber. Die Stimmung ist klar gegen die USA gerichtet. Kapitalströme verlagern sich zunehmend nach Europa, Japan und in die Schwellenländer“, sagt Josephine Cetti, Chefstrategin bei Nordea und Teilnehmerin der Umfrage. Dabei folgt der Markt einer historischen Logik: Nach den Boomjahren der Schwellenländer vor der Finanzkrise und der darauffolgenden Dominanz der USA könnte nun Europa ins Zentrum des Anlegerinteresses rücken, so Cetti.
Anleger setzen auf strukturellen Wandel – Europa im Fokus
Tatsächlich sehen 54 Prozent der befragten Investoren globale Aktien – und hier vor allem europäische – als aussichtsreichste Anlageklasse für die kommenden Jahre. Schon in diesem Jahr lieferten europäische Börsen bessere Ergebnisse als der US-Markt. Die überwiegende Mehrheit erwartet, dass dieser Trend anhält. „Das ist keine Momentaufnahme, sondern Ausdruck eines strukturellen Wandels. Die Marktführerschaft rotiert. Nach den USA kommt nun Europa an die Reihe“, erklärt Cetti.
Auch Danske Bank-Strategin Sofie Manja Eger Huus bestätigt diese Entwicklung: „Der Trend weg von US-Werten hin zu internationalen, insbesondere europäischen Aktien, ist deutlich. Selbst beim Dollar sehen wir das größte Untergewicht seit 20 Jahren. Die Zeiten des amerikanischen Exzeptionalismus schwinden.“
Parallel dazu steigt Gold wieder in der Anlegergunst. 13 Prozent der Befragten halten das Edelmetall für die beste Investition der nächsten fünf Jahre. Hintergrund ist die Unsicherheit über die globale Konjunktur – auch wenn eine Rezession derzeit als unwahrscheinlich gilt. Huus betont: „Gold bleibt der ultimative sichere Hafen – unabhängig von den üblichen Konjunkturrisiken, die Dollar oder US-Staatsanleihen betreffen.“
Deutschland als Profiteur des Europa-Trends?
Für Deutschland könnte diese Entwicklung eine doppelte Chance bieten. Zum einen profitieren hiesige Unternehmen, insbesondere im exportorientierten Mittelstand, von einer Kapitalverlagerung nach Europa. Zum anderen könnten DAX- und MDAX-Werte an Attraktivität gewinnen – vor allem, wenn geopolitische Risiken den US-Markt belasten.
Allerdings bleibt Skepsis angebracht. Während europäische Aktien seit Jahresbeginn um rund sechs Prozent zulegten, verzeichneten US-Werte nur ein Plus von zwei Prozent. Doch die strukturellen Defizite Europas – von schwachem Wachstum bis zu hoher Regulierung – könnten das erhoffte Comeback erschweren.
US-Riesen halten dagegen – KI als Renditetreiber
Der weltgrößte Vermögensverwalter BlackRock hält indes an seiner US-Strategie fest. Trotz politischer Unsicherheiten und Lieferkettenproblemen glaubt das Unternehmen an eine Renaissance amerikanischer Aktien. Der Grund: Künstliche Intelligenz. „KI wird langfristig die Produktivität steigern und die Unternehmensgewinne stützen“, heißt es von BlackRock. Auch Nordea hält US-Aktien weiterhin für unverzichtbar im Portfolio. Die erwarteten Renditeunterschiede dürften zwar kleiner werden, doch für ein europäisches Comeback müsse das Wachstum deutlich anziehen, so Cetti.
Die Danske Bank bleibt vorerst neutral positioniert und empfiehlt, US-Werte bei etwa 50 Prozent im Portfolio zu belassen. Huus erklärt: „Die Fundamentaldaten der USA sind stark, doch Handelskonflikte und politische Unsicherheit bleiben Belastungsfaktoren. Deshalb halten wir an der aktuellen Gewichtung fest.“