Technologie

Lokale Rechenzentren: Auslaufmodell oder Bollwerk digitaler Souveränität?

Cloud oder eigenes Rechenzentrum? Unternehmen stehen vor einem strategischen Wendepunkt. Lokale Infrastruktur ist teuer – aber oft die einzige sichere Lösung.
19.07.2025 16:01
Lesezeit: 2 min

Steigende Risiken zwingen Unternehmen dazu, die Rolle lokaler Rechenzentren neu zu bewerten.

Lokale Rechenzentren: Auslaufmodell oder Bollwerk digitaler Souveränität?

In Zeiten wachsender Betriebskosten und zunehmender Abhängigkeit von externer IT-Infrastruktur suchen Unternehmen nach tragfähigen Lösungen für die Datenverarbeitung und -speicherung. Cloud-Dienste bieten zwar Skalierbarkeit und Kostenvorteile, sind jedoch nicht in allen Fällen mit Sicherheits-, Regulierungs- und Compliance-Anforderungen vereinbar. Vor allem mittelständische und große Unternehmen sind gezwungen, Teile ihrer digitalen Infrastruktur lokal zu betreiben – entweder im eigenen Rechenzentrum oder über spezialisierte Anbieter.

Prognosen der Boston Consulting Group zufolge wird der weltweite Bedarf an Rechenzentrumsleistung zwischen 2023 und 2028 jährlich um etwa 16 Prozent steigen – und damit rund ein Drittel schneller als im Zeitraum 2020 bis 2023. Der zunehmende Einsatz von KI-Systemen lässt auch in lokalen Rechenzentren einen massiven Anstieg der Rechenlast erwarten. Unternehmen sollten dies bei anstehenden Investitionen frühzeitig berücksichtigen.

Kostendruck, Fachkräftemangel und geopolitisches Risiko

Doch die Herausforderungen sind erheblich: Neben hohen Investitions- und Betriebskosten stellen sich Fragen der Energieverfügbarkeit, Skalierbarkeit, Compliance und Sicherheit. Hinzu kommt, dass viele IT-Dienste in der Cloud deutlich weiterentwickelte Funktionalitäten bieten als lokal installierte Systeme.

Unternehmen müssen sich beim Aufbau lokaler Rechenzentren über vielfältige Risiken im Klaren sein – insbesondere, da es sich um langfristige und kapitalintensive Vorhaben handelt. Dazu zählen unvorhersehbare Baukosten durch Materialengpässe, Verzögerungen in der Lieferkette und volatile Strompreise. In Deutschland ist Strom aktuell etwa 11 Cent pro Kilowattstunde teurer als in Slowenien – ein erheblicher Nachteil für lokale Betreiber.

Ein weiteres Risiko liegt im Fachkräftemangel. Gerade außerhalb der Metropolen fehlen qualifizierte Spezialisten für Planung, Betrieb und Wartung. Technologische Überalterung, fehlende Redundanz und eine ungenaue Kapazitätsplanung können dazu führen, dass neue Anforderungen – etwa durch KI- oder Edge-Anwendungen – nicht mehr bedient werden können.

Nicht zuletzt steigen die regulatorischen Anforderungen: Neue europäische Vorschriften etwa zu Datenschutz, Emissionen oder Wasserverbrauch treffen Betreiber hart. Deshalb raten Experten wie Miha Kerin (Unistar) zu modularen Architekturen, die schrittweise erweiterbar sind, und zur Zusammenarbeit mit europäischen Technologiepartnern.

Warum lokale Rechenzentren für Deutschland unverzichtbar sind

Für Deutschland hat die Frage lokale versus globale Infrastruktur strategische Bedeutung. Als größter Datenproduzent Europas – etwa durch die Industrie 4.0, das Gesundheitswesen oder Behörden – ist der Bedarf an sicheren, resilienten und konformen Speicherlösungen enorm. Gerade in kritischen Infrastrukturen wird die Cloud allein nicht ausreichen. Lokale Rechenzentren sind daher kein Relikt, sondern das Rückgrat digitaler Souveränität. Deutschland muss deshalb die Interoperabilität zwischen privaten, öffentlichen und hybriden Lösungen systematisch fördern – auch im europäischen Verbund.

Nachhaltigkeit und hybride Architektur als Schlüssel

Die Zukunft liegt in einer intelligenten Kombination aus lokalen Rechenzentren und hybriden Cloud-Architekturen. Kritische Daten und Anwendungen bleiben vor Ort, flexible oder saisonale Workloads wandern in die Public Cloud. Dieses Modell erhöht die Ausfallsicherheit, vermeidet unnötige Überinvestitionen und unterstützt agile Prozesse in der digitalen Transformation.

Technologisch setzen moderne Rechenzentren dabei auf KI-gestützte Steuerungssysteme, die den Energieverbrauch dynamisch optimieren. Wasserkühlung und Solarstromanlagen spielen ebenfalls eine wachsende Rolle – insbesondere in Regionen mit hohem Strompreisniveau.

Sicherheit bleibt oberstes Gebot: Physischer Schutz, mehrstufige Cybersicherheitsstrategien und Umweltresilienz müssen Hand in Hand gehen. Auch geopolitische Faktoren gewinnen an Gewicht – etwa durch Exportkontrollen, Standortabhängigkeiten oder Konflikte in Technologie-Lieferketten.

Das EU-Ziel der digitalen Souveränität verlangt robuste, eigenverantwortliche IT-Strukturen. Deshalb bevorzugen viele Unternehmen das Hybridmodell mit Speicherorten innerhalb europäischer Rechtsräume, etwa in Frankfurt oder Amsterdam. Sensible Daten bleiben dabei lokal – auch um Compliance mit DSGVO, ISO-Normen und branchenspezifischen Sicherheitsstandards zu gewährleisten.

Für den nachhaltigen Betrieb sind definierte Servicequalitätskriterien entscheidend – etwa Reaktionszeit, Systemverfügbarkeit und Störungsresilienz. Diese müssen bereits in der Planungsphase verankert werden, unterstützt durch standardisierte Prozesse und IT-Service-Management-Plattformen. Nur so kann die Resilienz bei Krisen, Ausfällen und Cyberbedrohungen sichergestellt werden.

Entscheidend für den Erfolg sind motivierte, gut ausgebildete IT-Mitarbeiter. Sie sichern die Betriebsqualität – und damit die strategische Handlungsfähigkeit von Unternehmen im digitalen Zeitalter.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Kryptowährungsmarkt im Fokus: ETFs, XRP und Moon Hash – Weihnachtsbonusverträge beflügeln Cloud-Computing-Trends

Zum Jahresende erlebt der Kryptowährungsmarkt einen neuen Aufschwung. Kryptowährungs-ETFs und XRP ziehen zunehmend Gelder traditioneller...

DWN
Technologie
Technologie Natrium-Batterien: Wie China die nächste Akkurevolution vorantreibt
20.12.2025

Chinesische Hersteller treiben die Entwicklung von Natrium-Batterien rasant voran und bedrohen damit das bisherige Lithium-Dominanzmodell...

DWN
Politik
Politik Härtefallfonds für bedürftige Ostrentner schliesst: 425 Millionen Euro ungenutzt
20.12.2025

Aus dem Härtefallfonds für bedürftige Rentner aus der ehemaligen DDR und Osteuropa fließen zu Jahresende mehrere Hundert Millionen Euro...

DWN
Panorama
Panorama Grüne Stadt der Zukunft: Wie realistisch CO2-neutrale Metropolen bis 2040 sind
20.12.2025

Städte sollen Europas Klima-Rettungsanker werden – doch zwischen Vision und Wirklichkeit klafft eine Lücke. EU-Ziele, Modellstädte und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chefin der Wirtschaftsvereinigung Stahl warnt: Die Deindustrialisierung ist real
20.12.2025

Kerstin Maria Rippel ist Hauptgeschäftsführerin der Wirtschaftsvereinigung Stahl. Im DWN-Interview sagt sie, dass Berlin nach dem...

DWN
Immobilien
Immobilien Eigenkapitalbildung: Immobilienkauf laut IfW-Studie für Millennials schwerer
20.12.2025

Eigenkapitalbildung wird für viele Kaufwillige zur größten Hürde: Eine neue Studie vergleicht, wie stark sich die Anforderungen für...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EU-CO2-Zoll wird ausgeweitet: Kommt die nächste Stufe für Waschmaschinen und andere Haushaltsgeräte?
20.12.2025

Der EU-CO2-Zoll steht vor der nächsten Ausbaustufe: Brüssel will ihn auf Haushaltsgeräte und weitere Industrieprodukte ausdehnen. Ab...

DWN
Politik
Politik Neues Ranking: Wer jetzt über Europas Zukunft entscheidet
20.12.2025

Donald Trumps Aufstieg an die Spitze des aktuellen Politico-Rankings zeigt, wie stark externe Kräfte Europas Politik inzwischen bestimmen....

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen: Rallye mehrerer Technologieunternehmen treibt US-Aktien an
19.12.2025

Die US-Aktien unterbrachen ihre jüngste Verlustserie und stiegen am Freitag, da Anzeichen einer abkühlenden Inflation und nachlassende...