EU-Steuerplan mit einem Volumen von mehr als zwei Billionen Euro
Die Europäische Kommission unter Ursula von der Leyen hat im Rahmen ihres Vorschlags für den nächsten Siebenjahreshaushalt 2028–2034, über den im Herbst verhandelt werden soll, fünf neue Einnahmequellen für die EU präsentiert. Der Plan, der fast zwei Billionen Euro umfasst, soll unter anderem durch zusätzliche Steuern auf Emissionen, Tabak, Elektroschrott und Konzerne finanziert werden – ein Vorhaben, das in vielen Mitgliedstaaten für Kritik sorgt.
Brüssel argumentiert, die neuen sogenannten Eigenmittel würden nationale Haushalte entlasten, da weniger BNE-basierte Beiträge erforderlich wären. Tatsächlich ist der Hintergrund ein wachsender Finanzbedarf: Ab 2028 muss die EU mit der Rückzahlung der Schulden beginnen, die sie zur Finanzierung des Corona-Wiederaufbaupakets „NextGenerationEU“ aufgenommen hat. Ohne neue Einnahmen drohen Einschnitte bei europäischen Programmen – ein Szenario, das Brüssel unbedingt vermeiden will. Deshalb schlägt die Kommission nun fünf neue Abgabentypen vor.
ETS, CO2-Zoll, Elektroschrott: Woher das Geld kommen soll
1. Emissionshandel ETS 1
Die Kommission will künftig 30 Prozent der Einnahmen aus dem bestehenden EU-Emissionshandel (ETS 1) einbehalten. Das entspräche laut Schätzungen etwa 75,6 Milliarden Euro im Zeitraum 2028 bis 2034. Bisher fließen diese Mittel vollständig in die nationalen Haushalte – eine Umverteilung, die bei Mitgliedstaaten auf Widerstand stoßen dürfte.
2. CO2-Grenzausgleich CBAM
Auch beim neuen CO2-Zoll CBAM sollen 75 Prozent der Einnahmen an die EU fließen. Bis 2034 könnten so rund 10,8 Milliarden Euro generiert werden. Der Mechanismus belastet Importe energieintensiver Produkte – wie Stahl, Zement oder Dünger – aus Drittstaaten, deren Umweltstandards niedriger sind. Während die EU damit die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Industrie sichern will, sind Vereinfachungen für KMU geplant.
3. Elektroschrott-Abgabe
Angelehnt an die Plastiksteuer soll eine neue Abgabe auf nicht gesammelten Elektroschrott eingeführt werden – zwei Euro pro Kilogramm. Bis 2034 erwartet Brüssel hier Einnahmen von 118 Milliarden Euro. Hintergrund ist nicht nur der Umweltschutz, sondern auch das Interesse an kritischen Rohstoffen, die in alten Geräten enthalten sind.
4. Tabaksteuer TEDOR
Eine neue Abgabe auf Tabakprodukte soll 15 Prozent der nationalen Verbrauchsteuern in den EU-Haushalt umlenken und jährlich 88,3 Milliarden Euro einbringen. Parallel plant Brüssel eine drastische Erhöhung der Mindeststeuern auf Zigaretten, Tabak und neue Produkte wie E-Zigaretten. Die Kommission begründet dies mit gesundheitspolitischen Zielen, will aber auch den illegalen Handel eindämmen.
5. Konzernsteuer CORE
Am kontroversesten ist der Vorschlag einer neuen EU-weiten Unternehmensabgabe. Firmen mit über 100 Millionen Euro Jahresumsatz sollen ab 2028 abgestufte Beiträge zahlen – je nach Umsatzhöhe zwischen 100.000 und 750.000 Euro jährlich. Die Einnahmen beziffert die Kommission auf rund 53,3 Milliarden Euro. Viele Staaten, darunter Deutschland und die Niederlande, lehnen die Idee strikt ab – vor allem, weil Steuerrecht auf EU-Ebene nur einstimmig geändert werden kann.
Bedeutung für Deutschland: Milliardenrisiko für Wirtschaft und Haushalte
Für Deutschland könnten die Brüsseler Pläne weitreichende Konsequenzen haben. Die Industrie wäre mehrfach betroffen: durch die Umverteilung von ETS-Mitteln, höhere Abgaben auf CO2-intensive Importe und zusätzliche Belastungen durch die neue Konzernsteuer. Große DAX-Konzerne wie BASF, Siemens oder Volkswagen würden unter die CORE-Abgabe fallen. Der Tabakmarkt mit etablierten Herstellern und einem boomenden E-Zigaretten-Sektor wäre ebenso betroffen wie der Konsumsektor insgesamt.
Auch fiskalisch ist der Plan heikel: Deutschland gehört zu den größten Nettozahlern der EU. Wenn künftig weniger Mittel über BNE-Beiträge, dafür aber mehr über produktions- und verbrauchsbasierten Abgaben fließen, könnte dies die deutsche Wirtschaft ungleich stärker treffen – gerade in einer Phase schwacher Konjunktur. Kein Wunder, dass CDU-Chef Friedrich Merz dem Vorschlag eine klare Absage erteilte.
Widerstand gegen die Brüsseler Vorschläge wächst
Während sich die Kommission auf juristisch tragfähige Grundlagen für alle fünf Einnahmequellen stützt, bleibt die politische Lage heikel. Die Steuerhoheit der Mitgliedstaaten ist unantastbar – Änderungen sind nur bei Einstimmigkeit möglich. Viele nationale Parlamente sehen in den Vorschlägen eine schleichende Machtverschiebung Richtung Brüssel.
Insbesondere die CORE-Steuer gilt als Auslöser für parteiübergreifenden Widerstand. Neben Deutschland und den Niederlanden äußerten sich auch andere Staaten ablehnend. In EU-Kreisen heißt es, der Vorschlag sei de facto gescheitert, noch bevor die Haushaltsverhandlungen offiziell beginnen. Für Ursula von der Leyen könnte dies auch politisch zum Problem werden – nicht zuletzt innerhalb ihrer eigenen EVP-Fraktion.
Fazit: Die Pläne der EU-Kommission zeigen, wie ernst die Finanzierungslücke im EU-Haushalt ist. Ob und in welcher Form die vorgeschlagenen Abgaben Realität werden, hängt vom politischen Willen der Mitgliedstaaten ab – und davon, wie stark sich Brüssel gegenüber nationalen Interessen durchsetzen kann.