Moskauer Insolvenzpläne: Russlands Gerichte erhöhen den Druck auf die VW-Aktie
Ein Urteil des Arbitragegerichts der Region Nischni Nowgorod, das „Volkswagen AG“ zur Zahlung von fast 17 Milliarden Rubel (0,8 Milliarden Euro) für den Abbruch der Autoproduktion in Russland verpflichtet, hat eine überraschende Wendung genommen. Das Inkassounternehmen „Kameja“ plant, einen Antrag auf Bankrott von „Volkswagen AG“ einzureichen. Juristen schätzen die Chancen, der deutschen Autogruppe tatsächlich ein Insolvenzverfahren aufzuzwingen, als gering ein.
Doch der Gläubiger könnte versuchen, die Schuld aus dem Vermögen der russischen „Porsche“-Vertretung einzutreiben. Nach Angaben der Aktiengesellschaft „Kameja“ beträgt die Schuld von „Volkswagen AG“ 16,9 Milliarden Rubel. Sie ist durch das rechtskräftige Urteil vom 23. Juli 2024 bestätigt und bislang nicht beglichen. Das Recht auf die Forderung erwarb das Unternehmen von „Avotomobilnyj zavod NAZ“ (früher „Avtozavod GAZ“) für 120 Milionen Rubel (1,23 Milionen Euro).
Schadensersatz wegen der Montage von Škoda- und VW-Fahrzeugen
„Avotomobilnyj zavod NAZ“ hatte von der Volkswagen AG Schadensersatz verlangt, nachdem die Vereinbarung über die Montage von Škoda- und VW-Autos in dessen Werk beendet worden war, erinnert kommersant.ru. Das Arbitragegericht der Region Nischni Nowgorod ließ im März 2023 Vermögenswerte von „Volkswagen AG“ in Russland pfänden, darunter die Anteile an „Volkswagen Group Rus“, der Eigentümerin des Werks Kaluga. Dies erschwerte den Verkauf des Unternehmens. Im April wurden die Beschränkungen teilweise aufgehoben, und im Mai meldete Volkswagen den Abschluss eines 125-Millionen-Euro-Deals – die Aktiva wurden an „AGR Holding“ veräußert. Die Anwälte von „Volkswagen AG“ versuchten, die Abtretung der Schuld an „Kameja“ anzufechten. Ihrer Ansicht nach hätte die Übertragung mit dem Schuldner abgestimmt werden müssen, was nicht geschehen sei.
Die Juristen erklärten, es handle sich in Wahrheit um einen verschleierten Schenkungsvertrag zwischen verbundenen Firmen. Doch das Gericht ignorierte die Argumente des Autobauers. „Avotomobilnyj zavod NAZ“ betonte, die Schuld sei an eine auf Inkasso spezialisierte Firma übertragen worden, sie selbst nähmen an dem Verfahren nicht teil. Den Versuch von Volkswagen, die Abtretung zu stoppen, sehen sie als Ausweichen vor Verantwortung für den Schaden.
Laut dem russischen Unternehmensregister ist „Kameja“ im Januar 2025 in Moskau eingetragen worden. Die Eigentümer werden nicht offengelegt. 2024 verkaufte die „Volkswagen Group“ 9 Mio. Fahrzeuge, erzielte einen Umsatz von 324,7 Mrd. Euro und einen operativen Gewinn von 19,1 Mrd. Euro. Russische Juristen weisen darauf hin, dass es bereits drei Versuche gab, großen ausländischen Konzernen Bankrottverfahren in Russland aufzuzwingen – alle scheiterten.
VW-Aktie: Was das für Anleger bedeutet
Ein Insolvenzverfahren in Russland kann nur unter zwei Bedingungen eröffnet werden: erstens, wenn das Hauptgeschäft des Schuldners in Russland liegt, dort die wesentlichen Vermögenswerte und Kunden existieren; zweitens, wenn die Hauptinteressen im Ausland liegen, aber in Russland eine ständige Vertretung oder Vermögen vorhanden ist. Doch die Volkswagen AG hat das Geschäft in Russland verkauft und besitzt dort keine Aktiva mehr. Allerdings gehört zur Gruppe weiterhin die Firma „Porsche Zentrum Moskau“, die ein Porsche-Autohaus betreibt und zu den größten offiziellen Händlern der Marke in Russland zählt.
Für Anleger bedeutet der Konflikt zusätzliche Unsicherheit: Die VW-Aktie bleibt damit auch politisch unter Druck. Schon die Beschlagnahme russischer Vermögenswerte hatte im Vorjahr Belastungen für die VW-Aktie zur Folge. Sollte „Kameja“ nun tatsächlich ein Insolvenzverfahren anstoßen, könnte dies neue Schlagzeilen produzieren, die auf die VW-Aktie durchschlagen. Beobachter sehen im Streit ein weiteres Beispiel dafür, wie geopolitische Risiken zunehmend die Bewertung der VW-Aktie bestimmen.