Zölle, Absatzkrisen und E-Flops: Die wahren Gründe für Europas Autobranchen-Desaster
Alle europäischen Autohersteller verzeichneten einen Margenrückgang – auch jene, die ihren Gewinn steigern konnten. Teilweise betrug der Rückgang über sieben oder gar zehn Prozent. Das berichtet das Wirtschaftsportal Finance.si.
Die europäischen Autokonzerne haben in den vergangenen Tagen ihre Verkaufszahlen und Geschäftszahlen für das erste Halbjahr 2025 vorgelegt. Bekanntlich ist der europäische Automarkt in den ersten sechs Monaten des Jahres um etwa ein Prozent geschrumpft – vor allem wegen des schwachen Juni. Dennoch verlief die Geschäftsentwicklung der Konzerne, auch unter Berücksichtigung von Absatz auf anderen Kontinenten und US-Einfuhrzöllen, sehr unterschiedlich. Wie erwartet, erzielte der Volkswagen-Konzern erneut den höchsten Gewinn im ersten Halbjahr – inklusive aller Marken, auch der Premiumhersteller wie Porsche, Bentley und Lamborghini, die kaum Abweichungen zum Vorjahr zeigten. Der Konzernumsatz lag bei 158,4 Milliarden Euro – ein Plus von 1,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Doch dieser Wert ist irreführend: Alle anderen Kennzahlen zeigen nach unten.
VW-Aktie: Umsatz rauf, Gewinn runter bei Volkswagen
Volkswagen hatte im ersten Halbjahr 2024 noch 9,4 Milliarden Euro Gewinn erzielt, in diesem Jahr sind es rund ein Drittel weniger: 6,65 Milliarden Euro. Die Konzernmarge sank entsprechend von sechs auf 4,2 Prozent – deutlich unter den Erwartungen. Im März, vor Inkrafttreten der US-Zölle, hatte der Konzern noch eine Marge von 5,5 bis 6,5 Prozent für 2025 prognostiziert. Doch die Zölle, die den Konzern bisher 1,5 Milliarden Euro kosteten, verschlechterten die Prognose auf 4 bis 5 Prozent. Innerhalb des Konzerns schnitt Škoda vergleichsweise gut ab: Die Marke erzielte 15,07 Milliarden Euro Umsatz, rund 1,5 Milliarden mehr als im Vorjahr, und 1,29 Milliarden Euro Nettogewinn. Škoda erreichte mit 8,5 Prozent zudem die höchste Marge im Konzern. Die vier Volumenmarken (Volkswagen, Cupra, Škoda und Seat) lagen gemeinsam bei 4,8 Prozent Marge. Auch die Renault-Gruppe erzielte ein leichtes Umsatzplus: 27,6 Milliarden Euro bedeuten 0,7 Milliarden mehr als im Vorjahr. Größerer Zuwachs wurde, wie berichtet, durch schwache Nissan-Ergebnisse verhindert. Nissan entschied sich wegen der angekündigten US-Zölle zur Schließung seines Werks in Mexiko. Renault ist von US-Zöllen nicht betroffen – ebenso wenig die Marken Alpine und Dacia, da sie nicht in den USA vertreten sind.
Die Analysten bewerten die Geschäftsentwicklung der Volkswagen AG differenziert, jedoch überwiegend konstruktiv. Solide Quartalszahlen und moderate Kurszielanhebungen sprechen für eine stabile Einschätzung der VW-Aktie. Am 29. Juli 2025 hat die Schweizer Großbank UBS ihr Kursziel für Volkswagen nach Vorlage der Zahlen zum zweiten Quartal von 92 auf 100 Euro angehoben. Die Einstufung blieb bei „Neutral“. Analyst Patrick Hummel bezieht in seinen Schätzungen mögliche US-Zölle von 15 Prozent auf EU-Güter mit ein. Auch die Gewinnwarnung der Tochter Traton wurde berücksichtigt. Dennoch bevorzugt Hummel weiterhin die Aktien von BMW gegenüber der VW-Aktie. Ebenfalls am 29. Juli 2025 bestätigte Deutsche Bank Research ihre Kaufempfehlung für die VW-Aktie mit einem Kursziel von 125 Euro. Analyst Tim Rokossa verweist darauf, dass sich die Medien auf die revidierte Konzernprognose aufgrund der drohenden Zölle konzentriert hätten. Dabei sei übersehen worden, dass Volkswagen im Kerngeschäft solide Ergebnisse vorgelegt habe. Für Rokossa bleibt die VW-Aktie der „Top Pick“ im Automobilsektor. Das Analysehaus Bernstein Research passte am gleichen Tag sein Kursziel für Volkswagen leicht von 90 auf 92 Euro an und behielt die Einstufung „Market-Perform“ bei. Analyst Stephen Reitman hob hervor, dass die Q2-Zahlen etwas besser als erwartet ausgefallen seien, warnte jedoch davor, das Ausbleiben negativer Nachrichten als positives Signal zu werten.
Renault mit seltener Steigerung im Neuwagenabsatz
Renault hielt mit sechs Prozent eine relativ hohe Marge – ein Prozentpunkt weniger als im Vorjahr. Der Neuwagenabsatz stieg leicht: gut 808.400 Fahrzeuge bedeuten ein Plus von 2,7 Prozent. Dacia hingegen verzeichnete mit knapp 356.100 verkauften Fahrzeugen einen Rückgang von 0,7 Prozent. Alpine erzielte mit dem neuen Modell A290 bei 5.015 Einheiten ein Verkaufsplus von 84,6 Prozent. Den stärksten Margenrückgang verzeichnete Stellantis, der viertgrößte Autokonzern der Welt. Hier kam es zu massiven Problemen, verursacht durch verschiedene Faktoren: Zum einen die US-Zölle, zum anderen schwache Neuwagenverkäufe sowie eine missglückte Elektrifizierungsstrategie – insbesondere in den USA, wo der Rückzug von Achtzylindern den Umstieg auf E-Modelle erschwerte. Beispiele sind der E-Charger und die Ram-Pick-ups, für die es kaum Nachfrage gibt.
BMW-Aktie: Münchener Autobauer hält weiter eine der höchsten Margen
Der Münchner Autobauer BMW blieb stabil. Zwar sank der Umsatz leicht auf rund 58 Milliarden Euro – ein Minus von 1,3 Milliarden oder 2,2 Prozent –, doch im Vergleich zur Konkurrenz wirkte sich das kaum auf die Marge aus. Diese fiel von 8,8 auf 6,9 Prozent. Der Nettogewinn sank von 6,9 auf 5,2 Milliarden Euro. Damit bleibt BMW – inklusive Mini und Rolls-Royce – der margenträchtigste Hersteller Europas. Direkter Konkurrent Mercedes-Benz schnitt im Halbjahr deutlich schlechter ab. Der Umsatz sank von 72,6 auf 66,4 Milliarden Euro – ein Rückgang von 8,6 Prozent, der nur von Stellantis übertroffen wurde. Der Nettogewinn schrumpfte von 5,8 auf 3,6 Milliarden Euro, die Marge fiel von acht auf 5,4 Prozent – weniger als bei Renault. Die Ursachen sind vielfältig. Mercedes-Benz importiert 63 Prozent seiner in den USA verkauften Fahrzeuge – und war somit stärker von den Zöllen betroffen als BMW. Hinzu kamen enttäuschende Verkaufszahlen bei den Elektro-Modellen. Die elektrische G-Klasse stieß kaum auf Interesse. Angesichts der schwachen Absatzzahlen der EQ-Reihe strich Mercedes-Benz diese nun ganz.
Mehrere Analysten haben sich zuletzt positiv zur BMW-Aktie geäußert. Besonders hervorgehoben werden Innovationsschritte, solide Quartalszahlen und ein starker Free Cashflow als Treiber für die Bewertung. Bernstein Research bestätigte am Montag (29. Juli) seine Einstufung mit "Outperform" und einem Kursziel von 92 Euro. Analyst Stephen Reitman sieht in der Einführung der „Neuen Klasse“ den bedeutendsten Technologiesprung der Unternehmensgeschichte. BMW könnte damit als traditioneller Hersteller eine Führungsrolle in der Branche übernehmen – ein starkes Signal für die BMW-Aktie. Am Freitag (2. August) erhöhte UBS ihr Kursziel für BMW von 90 auf 103 Euro und beließ die Einstufung auf "Buy". Patrick Hummel lobte die Entwicklung der Margen sowie des Free Cashflows. Dies verleiht der BMW-Aktie zusätzliche Unterstützung – vor allem im Vergleich zu Wettbewerbern. Ebenfalls am Freitag aktualisierte die Privatbank Berenberg ihr Kursziel von 91 auf 93 Euro, ebenfalls mit "Buy". Analyst Romain Gourvil merkte zwar an, dass Umsatz und Profitabilität hinter den hohen Erwartungen zurückblieben, hob jedoch die positive Entwicklung des Free Cashflows hervor. Seine moderate Anpassung der Bewertungsmultiplikatoren stützt die Bewertung der BMW-Aktie zusätzlich. Bereits am Donnerstag (1. August) bestätigte JPMorgan die Einstufung „Overweight“ mit Kursziel 89 Euro. Analyst Jose M Asumendi verwies auf ein starkes zweites Quartal und prognostiziert Vorteile durch geringere Ausgaben im zweiten Halbjahr – ein stabilisierender Faktor für die BMW-Aktie. Jefferies wiederum bestätigte am selben Tag „Buy“ mit Kursziel 92 Euro. Analyst Philippe Houchois hob ebenfalls den starken freien Barmittelzufluss hervor, was das Vertrauen in die BMW-Aktie weiter stärkt.
Volvo offiziell mit einziger Negativmarge
Der einzige größere europäische Hersteller mit negativer Marge im Halbjahr war Volvo (Jaguar Land Rover hat keine Daten veröffentlicht). Der schwedische Hersteller erzielte 15,7 Milliarden Euro Umsatz – ein Rückgang von 8,6 Prozent. Deutlicher fiel die Nettoergebnisverschlechterung aus: Während 2024 noch 1,3 Milliarden Euro Gewinn standen, verzeichnete Volvo nun 0,68 Milliarden Euro Verlust – die Marge fiel von sieben auf minus 0,4 Prozent. Die Ursachen sind vielfältig. Bereits im ersten Quartal verkaufte Volvo zwölf Prozent weniger Fahrzeuge – wegen Lagerabbau Ende 2024. Die Schwäche zeigte sich bereits im ersten Quartal. Dann folgten US-Zölle und Lieferprobleme beim Modell EX90. Zudem belastete die starke schwedische Krone das Ergebnis in Euro.
Im Juli präsentierte Volvo ein Sparprogramm mit Einsparzielen von 1,7 Milliarden Euro. Der größte Teil – rund 0,9 Milliarden – soll durch Investitionsstopp und weniger gebundenes Kapital erzielt werden, etwa durch Verzicht auf den Ausbau des Werks im belgischen Gent. Weitere 0,5 Milliarden will man durch geringere indirekte Kosten, 0,3 Milliarden durch Senkung variabler Kosten einsparen. Geplant ist auch der Abbau von 3.000 Stellen und der Bau eines Werks in Kalifornien, wo der XC60 gefertigt werden soll – um Zölle zu vermeiden.