Politik

Streit um Sicherheitsgarantien: Europa ringt nach Ukraine-Gipfel um Kurs

Der Ukraine-Gipfel in Washington hat die Debatte über die Zukunft des von Russland angegriffenen Landes neu entfacht. Im Zentrum steht die Frage, wie ein möglicher Frieden dauerhaft abgesichert werden kann. Während in Deutschland und der EU über konkrete Sicherheitsgarantien diskutiert wird, mahnt Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zur Vorsicht: Ein vorschneller Friedensschluss ohne feste Zusagen könnte Europa nach seiner Einschätzung erneut in eine gefährliche Lage bringen.
19.08.2025 15:17
Lesezeit: 4 min
Streit um Sicherheitsgarantien: Europa ringt nach Ukraine-Gipfel um Kurs
Nach dem Ukraine-Gipfel in Washington debattiert Europa über dauerhafte Sicherheitsgarantien (Foto: dpa).

In Deutschland wird verstärkt darüber diskutiert, ob sich die Bundeswehr an einer Absicherung des Friedens beteiligen soll. Die Bandbreite reicht von einer strikten Ablehnung etwa der AfD bis hin zur Forderung der FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Deutschland solle hier eine „Führungsrolle“ übernehmen.

Beratungen der Koalition der Willigen und der EU über Gipfel

Über die Ergebnisse des Gipfels im Weißen Haus wollten am Tag danach zunächst die in der sogenannten Koalition der Willigen zusammengeschlossenen Unterstützer der Ukraine und später die EU-Staaten beraten. Beide Runden wollten in Videoschalten tagen.

Als Ergebnis des Gipfels von Washington strebt US-Präsident Donald Trump ein Zweiertreffen des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj mit Kremlchef Wladimir Putin an. Danach solle es ein Dreiertreffen geben, an dem auch er teilnehmen werde, schrieb Trump auf seiner Plattform Truth Social. Zuvor hatte Trump am Montag Selenskyj und mehrere europäische Staats- und Regierungschefs sowie die Spitzen der Nato und der EU-Kommission im Weißen Haus empfangen. Zwischenzeitlich waren die Beratungen unterbrochen worden, weil Trump mit Putin telefonierte.

Laut Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) ist das Selenskyj-Putin-Treffen innerhalb der nächsten zwei Wochen geplant.

Die öffentliche Reaktion aus Russland war zunächst verhalten. Moskau sei prinzipiell für jedes Gesprächsformat offen, sagte Außenminister Sergej Lawrow im Staatsfernsehen. „Aber alle Kontakte unter Beteiligung der Staatschefs müssen äußerst sorgfältig vorbereitet werden“, fügte er hinzu. Schon zuvor hatte Russland mit diesem Argument Forderungen Selenskyjs nach einem schnellen Treffen mit Putin zurückgewiesen. Nach Ansicht Moskaus müssen zuerst Delegationen auf unterer Ebene eine Vereinbarung aushandeln.

Ausgestaltung von Sicherheitsgarantien ist offene Frage

Trump erklärte sich in Washington zwar dazu bereit, dass die USA Sicherheitsgarantien mittragen werden, Details ließ er aber offen. Er versicherte mit Blick auf die Ukrainer nur: „Wir werden ihnen sehr guten Schutz geben, sehr gute Sicherheit.“

Selenskyj bezeichnete die Sicherheitsgarantien für sein Land - also Maßnahmen zum Schutz vor neuen Angriffen - als vorrangig für einen Frieden mit Russland. „Es ist sehr wichtig, dass die Vereinigten Staaten ein starkes Signal geben und bereit sind für diese Sicherheitsgarantien.“ Zudem hänge die Sicherheit der Ukraine auch von den europäischen Verbündeten ab.

Macron sagte, die erste Sicherheitsgarantie sei ein starkes ukrainisches Militär. Die zweite Garantie bestehe aus Rückversicherungstruppen und der Ansage, „dass die Briten, Franzosen, Deutschen, Türken und andere bereit sind, Operationen durchzuführen, nicht an der Front, nicht provokativ, sondern zur Beruhigung in der Luft, auf See und an Land, um ein strategisches Signal zu setzen und zu sagen: Ein dauerhafter Frieden in der Ukraine ist auch unser Anliegen“.

Auf die Frage, ob diese Rückversicherungstruppen im Falle eines russischen Angriffs gezwungen wären, zu kämpfen, sagte Macron dem Sender: „Das ist das Ziel dieser Sicherheitsgarantien.“ Wenn Russland nach einem Friedensabkommen an die Grenzen Europas zurückkehre und provoziere, dann gäbe es in diesem Moment eine Reaktion.

Debatte über deutsche Beteiligung

Außenminister Johann Wadephul (CDU) sagte im Deutschlandfunk während seiner Japan-Reise, letztlich müssten Sicherheitsgarantien einfach bedeuten, dass man nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten an der Seite der Ukraine stehe. Über eine Beteiligung der Bundeswehr an einer möglichen Friedenstruppe müsse auch mit der Opposition gesprochen werden. Entscheiden werde der Bundestag.

„Sicherheitsgarantie heißt, dass man Beistand leistet in dem Fall, dass Russland sich an eine Friedensvereinbarung mit der Ukraine nicht hält. Und damit muss man ja rechnen, nachdem Russland ohne jede Not und ohne jede Motivation die Ukraine angegriffen hat“, sagte Wadephul.

Rolle der Vereinten Nationen für Friedenssicherung?

Der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich forderte eine Beteiligung von UN und OSZE an einer Friedenslösung für die Ukraine. Dies sei wichtig, bevor über einzelne nationalstaatliche Beteiligungen an Sicherheitsgarantien nachgedacht werde, sagte er im Deutschlandfunk.

Die FDP-Europaabgeordnete Strack-Zimmermann verlangte von Europa ein geschlossenes Auftreten und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. “Deutschland muss hier eine Führungsrolle übernehmen. Dazu gehören militärische Unterstützung, wirtschaftliche Unterstützung und eben klare Sicherheitsgarantien“, sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Merz: Hohe deutsche Verantwortung bei Sicherheitsgarantien

Merz hatte in Washington gesagt, die Frage, wer sich in welchem Umfang an Sicherheitsgarantien beteilige, müsse man zwischen den europäischen Partnern und der US-Regierung besprechen. „Völlig klar ist, dass sich ganz Europa daran beteiligen sollte.“ Deutschland habe „eine hohe Verantwortung“, dies zu tun. Auf die Frage, ob sich auch die Bundeswehr daran beteiligen könnte, antwortete Merz, es sei zu früh, darauf eine endgültige Antwort zu geben.

Beistandsklausel wie im Nato-Vertrag im Gespräch

Nato-Generalsekretär Mark Rutte betonte im US-Sender Fox News nach dem Treffen in Washington, es gehe auch nicht um eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine, sondern „was wir hier diskutieren, sind Sicherheitsgarantien für die Ukraine gemäß Artikel 5“.

Artikel 5 des Nato-Vertrags regelt, dass die Bündnispartner im Fall eines Angriffs auf die Unterstützung der Alliierten zählen können und eine Attacke auf ein Mitglied als Angriff auf alle gewertet wird. Schon vor dem Gipfel war ein Nato-ähnliches Schutzversprechen der USA und europäischer Staaten an die Ukraine im Gespräch gewesen - was letztendlich ein militärisches Eingreifen im Fall eines Angriffs bedeuten würde.

Russland will keine Truppen aus Nato-Staaten in der Ukraine

Russland lehnte eine Stationierung von Truppen aus Nato-Staaten in der Ukraine erneut ab, nachdem der britische Premier Starmer sich dazu bereit erklärt hatte. Großbritannien strebe mit solchen Szenarien weiter nach einer Eskalation in dem Konflikt und bringe die Nato-Mitglieder an eine gefährliche Grenze, von der es bis zu einem großen globalen Konflikt nicht mehr weit sei, warnte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, in Moskau.

Uneinigkeit über Notwendigkeit einer Waffenruhe

Bei dem Treffen im Weißen Haus wurde die Frage einer sofortigen Waffenruhe als Voraussetzung für Friedensverhandlungen unterschiedlich bewertet. Auch Trump hatte dies ursprünglich verlangt. Nach seinem Treffen mit Putin am vergangenen Freitag im US-Bundesstaat Alaska gab er diese Position jedoch auf. Nicht so Kanzler Merz: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass das nächste Treffen ohne eine Feuerpause stattfindet“, sagte er im Weißen Haus.

Selenskyj verzichtete dagegen auf die Forderung nach einer Waffenruhe vor einem Treffen mit Putin „Ich finde, dass wir uns ohne irgendwelche Vorbedingungen treffen und darüber nachdenken müssen, wie dieser Weg zur Beendigung des Krieges weitergehen könnte“, sagte er.

Trump sagte bei seinem Treffen mit Selenskyj, er möge zwar das Konzept einer Feuerpause, weil damit das Töten von Menschen sofort aufhören würde. „Aber wir können an einem Deal arbeiten, wo wir auf ein Friedensabkommen abzielen.“

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