Drohnenangriff auf strategische Infrastruktur
In der Nacht zum 24. August griffen die Spezialeinheiten der ukrainischen Streitkräfte in Koordination mit anderen Einheiten der Verteidigungskräfte das russische See-Terminal von Ust-Luga sowie industrielle Objekte an. Auch eine Ölraffinerie in der Region Samara wurde getroffen.
Wie die staatliche Nachrichtenagentur „Ukrinform“ berichtet, meldete der Generalstab der ukrainischen Streitkräfte auf seiner Facebook-Seite die Angriffe auf den Hafen, den Russland zur Umgehung von Sanktionen und für mehrere logistische Einrichtungen seiner Kriegsmaschinerie nutzt. „Ein erfolgreicher Schlag auf das Ziel wurde bestätigt, danach brach ein Brand aus. Die Angriffe wurden durchgeführt, um das militärische und wirtschaftliche Potenzial des Aggressorstaates zu verringern“, hieß es in der Mitteilung.
Vorläufigen Angaben zufolge wurde im Terminal Ust-Luga in der Region Leningrad eine Anlage zur Fraktionierung und Umladung von Gaskondensat getroffen. Die Kapazität dieses Objekts liegt bei bis zu 6,9 Millionen Tonnen Rohmaterial pro Jahr.
Angriffe auf „Novatek“ und regionale Energiezentren
Nach Informationen unserer litauischen Kollegen von Verslo Zinios attackierten der ukrainische Sicherheitsdienst und Spezialeinheiten den russischen Ostseehafen Ust-Luga mit Langstreckendrohnen, um die Energieinfrastruktur Moskaus zu schwächen. Laut einem an der Operation beteiligten Insider, der nicht autorisiert war, öffentlich zu sprechen, trafen die Drohnen den Gasverarbeitungskomplex von „Novatek“. Diese Angaben konnten nicht unabhängig verifiziert werden.Es handelt sich bereits um den zweiten Angriff der ukrainischen Sicherheitskräfte in diesem Jahr auf Ust-Luga, das am Finnischen Meerbusen liegt, über 1.000 Kilometer nördlich von Kiew.
Feuerwehrkräfte löschten den Brand im „Novatek“-Terminal, der durch Trümmer einer abgeschossenen Drohne ausgelöst worden war. Reparaturarbeiten seien im Gange, erklärte der Gouverneur der Region Leningrad, Alexander Drosdenko, auf Telegram. Zur Brandbekämpfung wurde ein Löschzug der Eisenbahn eingesetzt. Opfer wurden nicht gemeldet, und laut Drosdenko seien die Öltanks unbeschädigt geblieben. Nach Verzögerungen nahm der Flughafen Pulkowo in Sankt Petersburg seinen Betrieb wieder auf, nachdem ein aus Ägypten kommendes Flugzeug nach Tallinn umgeleitet werden musste.
Insgesamt seien über Ust-Luga und den umliegenden Gebieten 13 Drohnen abgeschossen worden. Über Nacht habe Russland in 14 Regionen 95 unbemannte Flugkörper zerstört, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit. Gleichzeitig setzte Russland 72 iranische „Shahed“-Drohnen und Attrappen gegen ukrainisches Territorium ein, von denen 48 zerstört oder blockiert wurden, so die Luftwaffe Kiews auf Telegram.
Eskalation im Energiekrieg
In jüngster Zeit verstärkte die Ukraine ihre Angriffe auf den russischen Energiesektor, da sich nach dem Treffen der Präsidenten der USA und Russlands am 15. August in Alaska Donald Trump der Position Wladimir Putins annäherte – und sich damit von seinen europäischen Verbündeten entfernte.
Am Freitag wurde erneut die Ölversorgung Ungarns und der Slowakei über die „Druschba“-Pipeline unterbrochen, nur zwei Tage nachdem sie nach ukrainischen Drohnenangriffen wiederhergestellt worden war.
Ust-Luga, rund 112 Kilometer westlich von Sankt Petersburg, zählt zu den wichtigsten Exportzentren Russlands, in dem Rohöl, Flüssigerdgas und Düngemittel umgeschlagen werden. Der größte unabhängige Erdgasproduzent des Landes und führende LNG-Konzern „Novatek“ betreibt dort eines seiner Hauptterminals.
In derselben Nacht trafen Trümmer einer abgeschossenen Drohne auch das Atomkraftwerk Kursk im Süden Russlands. Laut der staatlichen Atomgesellschaft „Rosatom“ wurde dabei ein Transformator beschädigt und ein Reaktor musste seine Leistung um die Hälfte reduzieren.
„Rosatom“ teilte mit, dass ein kleiner Brand gelöscht wurde und keine Opfer zu beklagen seien. Die Strahlungswerte in der Anlage und Umgebung seien unverändert geblieben.
Darüber hinaus meldete der Generalstab der ukrainischen Streitkräfte, dass die Hauptnachrichtendienstdirektion und die Drohneneinheiten des Landes einen Schlag gegen die Ölraffinerie „Syzran“ in der Region Samara geführt hätten. Diese ist eine der größten Anlagen im „Rosneft“-System. „Auf dem Gelände des Objekts wurden Treffer und Explosionen registriert. Die Schadensbewertung läuft noch. Die ukrainischen Verteidigungskräfte führen systematisch Operationen durch, um das Kampfpotenzial der russischen Armee zu verringern, ihre Logistik, insbesondere im Bereich Treibstoffe und Schmierstoffe, zu destabilisieren und Russland zum Abbruch der bewaffneten Aggression gegen die Ukraine zu zwingen“, heißt es in der Mitteilung des Generalstabs auf Facebook.
Die Raffinerie „Syzran“ ist für die Verarbeitung von bis zu 8,5 Millionen Tonnen Rohöl pro Jahr ausgelegt, was rund 3,08 Prozent der gesamten russischen Ölraffineriekapazitäten entspricht. Dort werden Benzin, Diesel, Kerosin und andere Ölprodukte produziert, die direkt an russische Militäreinheiten geliefert werden.
Russlands Achillesferse im Visier
Die Angriffe zeigen, dass die Ukraine ihre Strategie konsequent auf die Schwächung der russischen Energieinfrastruktur ausrichtet. Ust-Luga spielt für Moskau eine Schlüsselrolle bei der Umgehung westlicher Sanktionen und beim Export lebenswichtiger Ressourcen. Indem Kiew gezielt Öl- und Gaszentren sowie logistische Knotenpunkte attackiert, greift es das Fundament des russischen Kriegsfinanzierungsmodells an. Gleichzeitig erhöhen die Attacken den Druck auf europäische Abnehmer wie Ungarn und die Slowakei, die über „Druschba“ von russischem Öl abhängig bleiben. Vor dem Hintergrund einer US-Außenpolitik unter Donald Trump, die stärker auf Moskau ausgerichtet ist, droht Europa in eine strategische Zwickmühle zu geraten: zwischen Solidarität mit der Ukraine und der Abhängigkeit von russischer Energie.
Die Drohnenangriffe markieren eine neue Eskalationsstufe im Energiekrieg zwischen Russland und der Ukraine. Kiew setzt auf systematische Sabotage, um die russische Kriegswirtschaft zu schwächen. Für Europa wird dies zu einem geopolitischen Stresstest – zwischen Energiewende, Sicherheitspolitik und der Frage nach der eigenen Handlungsfähigkeit.