Putin und Selenskyj: Die Gegner finden nicht zu Friedensgesprächen zusammen
Eigentlich sollten Kremlchef Putin und der ukrainische Präsident Selenskyj zu Friedensgesprächen zusammentreten. US-Präsident Trump hatte dies gefordert. Doch auch Kanzler Merz erwartet nun keine baldige Begegnung.
Das letzte direkte Treffen von Wolodymyr Selenskyj mit Wladimir Putin im Dezember 2019 in Paris dürfte beiden kaum positiv im Gedächtnis geblieben sein. Damals lächelte der frühere Schauspieler und Komiker während einer Pressekonferenz und schüttelte den Kopf, als Putin die von Kiew geforderten Umsetzungen im Verhandlungsprozess auflistete. Zwar möchte Selenskyj Putin, der an diesem Sonntag zunächst eine viertägige Reise nach China beginnt, dringend sprechen, um den Krieg zu beenden. Auch Kanzler Friedrich Merz glaubt nicht an eine baldige Begegnung. Mehrere Hindernisse machen solche Friedensgespräche wenig realistisch:
Streit über die Legitimität von Selenskyj
Putin wirft Selenskyj vor, nach Ablauf seiner regulären Amtszeit im Mai des Vorjahres seine Legitimität verloren zu haben, da er keine Neuwahlen abhalte. Doch in der Ukraine gilt das Kriegsrecht, das Abstimmungen untersagt. In Kiew heißt es, Selenskyjs Befugnisse gälten, bis Frieden herrsche und Wahlen wieder möglich würden. US-Präsident Donald Trump bezeichnete die russischen Einwände klar als "Blödsinn". Vorerst blieb sein Versuch, beide Präsidenten für Friedensgespräche zusammenzubringen, ohne Erfolg.
Russlands Zweifel an der Legitimität reichen länger zurück. Die Moskauer Führung sieht Selenskyj als Ergebnis der Maidan-Proteste 2014, die den Sturz des russlandfreundlichen Viktor Janukowitsch auslösten. In Moskau wird Selenskyj regelmäßig als "Marionette" westlicher, russlandfeindlicher Eliten dargestellt, die die Ukraine lediglich als Werkzeug nutzen wollten, um die Rohstoffmacht Russland zu schwächen.
Im Machtapparat herrscht die Erwartung, Selenskyj könnte enden wie Michail Saakaschwili, der einstige georgische Präsident. Er führte 2008 einen kurzen Krieg mit Russland, verlor später aber den Rückhalt der USA und des Westens.
Angespannte persönliche Beziehungen
Im Jahr seines Wahlsieges mit historisch hohem Ergebnis traf Selenskyj im Dezember 2019 in Paris unter Vermittlung von Emmanuel Macron und Angela Merkel mit Putin zusammen. Russische Staatsmedien zeigen bis heute Szenen, die Selenskyj in Putins Gegenwart abschätzig erscheinen lassen. Kremlsprecher Dmitri Peskow erklärte, Selenskyj habe sich in langen Verhandlungen bei einigen Fragen "unseriös" verhalten.
Damals ging es um die Minsker Abkommen für die Ostukraine. Nach den politischen Veränderungen in Kiew 2014 hatten prorussische Kräfte mit Unterstützung Moskaus in Luhansk und Donezk die Kontrolle übernommen. Die Vereinbarungen, die dem Donbass Autonomie einräumten, wurden nie vollständig umgesetzt. Selenskyj betonte mehrfach, er sehe diese Abkommen kritisch.
Putin erkannte Selenskyj zwar Talent als Komiker und Schauspieler zu, nahm ihn als Präsident jedoch lange nicht ernst. Auch jetzt verbreitet Maria Sacharowa, Sprecherin des russischen Außenministeriums, ein Video, in dem Selenskyj 2014 im bereits von Separatisten beherrschten Horliwka auf Russisch erklärt, die Russen seien ein Brudervolk, er liebe sie, habe aber kein Talent für Politik. Dies dient Moskau zur Diskreditierung.
Fehlender Wille zum Frieden?
Selenskyj wirft Putin vor, so viele Bedingungen für ein Ende des Krieges zu stellen, dass es kaum überschaubar sei. Deshalb wolle er vor Friedensgesprächen zunächst einen Waffenstillstand und danach Verhandlungen. Putin hingegen lehnt einen umfassenden, bedingungslosen Waffenstillstand ab und verweist auf frühere Erfahrungen: Kiew habe solche Phasen genutzt, um mit westlicher Hilfe die Streitkräfte neu auszurüsten.
Nach dem Gipfel im Weißen Haus mit Trump und den Europäern erklärte Selenskyj erneut, dass er den von Moskau geforderten Gebietsverzicht strikt ablehne. Er berief sich auf die ukrainische Verfassung, die dies untersage. Stattdessen verlangte Selenskyj verstärkten Sanktionsdruck auf Putin, den Krieg zu beenden, sowie zusätzliche militärische Unterstützung durch den Westen. Von russischer Seite heißt es, Selenskyj wolle durch eine Fortsetzung des Krieges an der Macht bleiben und Wahlen vermeiden. Es drohten interne Machtkämpfe. So drohte der ukrainische Nationalist Serhij Sternenko offen: "Wenn Selenskyj unbesetztes Land abgibt, dann wäre er eine Leiche – zuerst politisch und dann auch real", erklärte er gegenüber der britischen "Times".
Praktische Hindernisse
Nachdem Trump kürzlich mit Putin telefoniert hatte, erklärte er, der Kremlchef habe einem Treffen mit Selenskyj zugestimmt. Moskau sprach jedoch lediglich von der Bereitschaft, die bisherigen bilateralen Gespräche über Frieden auf eine höhere Ebene zu heben – etwa durch direkte Verhandlungen der Außenminister. Russland hält ein Präsidententreffen nur am Ende eines Prozesses für denkbar, wenn es um die Unterzeichnung einer Vereinbarung geht. Mit Befremden reagierte Moskau auch auf Diskussionen über mögliche Verhandlungsorte wie Genf oder den Vatikan. Da der Internationale Strafgerichtshof Putin wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen zur Fahndung ausgeschrieben hat, zweifelt der Kreml an Garantien, dass der Haftbefehl nicht vollstreckt würde.
Der Politologe Sergej Markow behauptete sogar, die Ukraine oder Großbritannien könnten einen Anschlag auf Putin planen. "Putin darf nicht nach Europa fliegen", sagte er und warnte, der Kremlchef müsse dort um sein Leben fürchten. Ein Treffen mit Selenskyj in Moskau wäre für Putin dagegen kein Problem, doch Selenskyj lehnt das strikt ab. Vermittler wie die Türkei oder arabische Staaten signalisierten Bereitschaft, Friedensgespräche auszurichten.
Putins vermeintliche Bereitschaft
Putin betont zwar, er sei bereit für ein Treffen mit Selenskyj. Tatsächlich zeigt er jedoch wenig Interesse, weshalb ihm Trump und die Europäer Verzögerung vorwerfen. Sie sehen darin das Ziel, den Krieg fortzuführen und in der Ukraine weiter vorzurücken. Kiew und der Westen kritisieren, Putins Bedingungen für Frieden liefen auf eine Kapitulation hinaus. Vielleicht könnte das Eingeständnis einer Niederlage ihn bewegen, einem Treffen zuzustimmen. Ein Diktatfrieden wird jedoch sowohl von der Ukraine als auch von ihren europäischen Partnern abgelehnt.
Putin will kein erneutes Einfrieren des Konflikts wie einst unter Petro Poroschenko im Rahmen der Minsker Abkommen. Diesmal strebt er eine endgültige Lösung an – allerdings zu seinen eigenen Bedingungen.

