Wirtschaft

Wo wird das erste Lithium-Vorkommen abgebaut: in Deutschland oder Serbien?

Ein gigantisches Lithium-Vorkommen in Sachsen-Anhalt könnte Deutschland in die erste Liga der Batterie- und Elektroauto-Industrie katapultieren. Auch in Serbien besteht eine gute Chance. Aber während Serbien am Widerstand der Bevölkerung scheitert, setzt Deutschland mit moderner Technologie auf nachhaltige Förderung. Der Wettlauf hat begonnen
05.10.2025 05:41
Lesezeit: 3 min
Wo wird das erste Lithium-Vorkommen abgebaut: in Deutschland oder Serbien?
Neptune Energy will in Deutschland andere Wege gehen als bei der herkömmlichen Gewinnung von Lithium-Vorkommen wie hier in Chile. (Foto: dpa) Foto: Lucas Aguayo

Neues Lithium-Vorkommen wird Zentrum für die Batterieindustrie

Deutschland könnte zum Hauptakteur in den globalen Lieferketten für Batterien und Elektrofahrzeuge werden, berichtet das Portal Energy Reporters. Der Fund eines der größten Lithium-Vorkommen der Welt in Altmark in Sachsen-Anhalt wurde in der vergangenen Woche von der Öl- und Gasgesellschaft Neptune Energy bestätigt, die dort bereits drei Lizenzen für Lithium-Exploration sowie eine Abbaulizenz besitzt. Nach Einschätzung der unabhängigen Energieberatungsfirma Spruole ERCE befinden sich in den dortigen Salzlaugen 43 Millionen Tonnen Lithiumkarbonat-Äquivalent.

Neuer globaler Lithium-Atlas

Nach Angaben des U.S. Geological Survey sollen die weltweiten Lithium-Vorräte 115 Millionen Tonnen betragen. Die größten Lagerstätten liegen in Bolivien und Argentinien, mit 23 bzw. 22 Millionen Tonnen. Besonders stark stiegen die Schätzungen in den USA – von 14 auf 19 Millionen Tonnen –, nachdem große Vorkommen in Nevada entdeckt wurden. Auch Australien erhöhte die globale Bilanz mit neuen Funden und bleibt zugleich der größte Produzent von Lithium aus dem Erz Spodumen. Die größten Vorkommen in Salzlaugen befinden sich im Dreieck Chile, Argentinien und Bolivien, das 2024 rund ein Drittel der weltweiten Produktion stellte. Das Vorkommen im deutschen Altmark sei so reichhaltig, dass es die Weltkarte der Energieversorgung verändern könnte, schreiben die Energy Reporters.

Neptune Energy, bislang im Bereich Öl- und Gasförderung tätig, erhielt im vergangenen Jahr die erste Abbaulizenz für Lithium in Deutschland und verfügt mittlerweile über drei Lizenzen. Der Nachweis von 43 Millionen Tonnen Lithiumkarbonat-Äquivalent könnte das Geschäftsmodell des Unternehmens grundlegend verändern.

Neptune Energy ist in Großbritannien, Norwegen, Deutschland, Algerien, den Niederlanden und Indonesien aktiv. Im Jahr 2023 übernahm der italienische Energiekonzern Eni für 2,3 Milliarden US-Dollar die norwegischen Aktivitäten von Neptune. Der verbleibende Teil von Neptune Energy gehört dem chinesischen Staatsfonds China Investment Corporation sowie den Private-Equity-Gesellschaften Carlyle und CVC Partners, teilweise auch Mitarbeitern.

Das Unternehmen kündigt an, beim Lithium-Abbau Technologien einzusetzen, die den ökologischen Fußabdruck minimieren. Anstelle von offenen Minen oder Verdunstungsbecken soll die direkte Lithiumextraktion (Direct Lithium Extraction, DLE) genutzt werden. Dabei wird Lithium direkt aus unterirdischer Sole mittels Ionenaustausch und Adsorption gewonnen. Dies reduziert die Wasserverbräuche erheblich und minimiert Eingriffe an der Erdoberfläche. Erste Pilotprojekte zeigen, dass Lithium in Batteriequalität („battery grade“) gewonnen werden kann. Der nächste Schritt ist eine Demonstrationsanlage im industriellen Maßstab, ehe der kommerzielle Betrieb beginnt.

Serbiens Beispiel: Widerstand gegen Lithiumabbau

Zum Vergleich: Der australisch-britische Konzern Rio Tinto prüft seit 20 Jahren Lithiumvorkommen im Jadar-Tal in Serbien. Dort sollten jährlich 58.000 Tonnen Lithium-Erz abgebaut werden. Das ist genug für 1,1 Millionen Fahrzeuge oder 17 Prozent der europäischen Elektroauto-Produktion.

2021 startete Rio Tinto ein 2,4-Milliarden-Dollar-Projekt, noch bevor staatliche Genehmigungen vorlagen, was massive Proteste auslöste. Serbiens Akademie der Wissenschaften und Künstler warnte vor irreversiblen Schäden: Landschaftszerstörung, Verlust der Biodiversität, Wasserverschmutzung, Umsiedlung von Anwohnern und Aufgabe landwirtschaftlicher Nutzung.

2022 stoppte die Regierung den Abbau offiziell. Doch das serbische Verfassungsgericht erlaubte 2023 die Wiederaufnahme. Präsident Aleksandar Vučić unterzeichnete im Juli 2024 ein Partnerschaftsabkommen über nachhaltige Rohstoffe mit dem damaligen Bundeskanzler Olaf Scholz und EU-Vizepräsident Maroš Šefčovič. Zudem folgte eine Absichtserklärung mit europäischen Automobilkonzernen und Batterieproduzenten. Zwischen 2003 und 2024 wurden in Serbien insgesamt 69 Explorationsgenehmigungen erteilt. Bei Rio Tinto heißt es, man habe zwar Rückschläge erlitten, werde aber nicht aufgeben.

Sachsen-Anhalt könnte Europas Batterieherz werden

Das Lithium-Vorkommen in Altmark könnte für Deutschland einen strategischen Wendepunkt markieren. Der Zugang zu heimischen Rohstoffen würde die Abhängigkeit von Importen aus Südamerika oder China reduzieren. Angesichts der Ambitionen, die Elektromobilität massiv auszubauen, könnte Deutschland zum Schlüsselland der europäischen Batterie- und Fahrzeugindustrie werden. Zudem könnte die Nutzung umweltfreundlicher Technologien beim Abbau den politischen Rückhalt in der Bevölkerung sichern – im Gegensatz zu den Erfahrungen in Serbien.

Der Fund im Altmark ist mehr als nur ein Rohstoffthema – er könnte Deutschlands Rolle in den globalen Wertschöpfungsketten neu definieren. Ob das „weiße Gold“ tatsächlich nachhaltig und wirtschaftlich nutzbar wird, hängt jedoch von Technologie, Investitionen und politischem Willen ab. Eines ist sicher: Das Lithium-Vorkommen in Sachsen-Anhalt verschiebt die Gewichte in der weltweiten Energiewende.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Das Zeitalter des intelligenten passiven Einkommens: Bitcoin-Mining mit BlackchainMining

In der heutigen, sich rasant entwickelnden digitalen Wirtschaft sind Kryptowährungen wie Bitcoin nicht nur Vermögenswerte, sondern auch...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Exporte: USA- und China-Geschäft bricht im Oktober ein
09.12.2025

Die deutschen Exporte geraten in ihren wichtigsten Absatzmärkten ins Rutschen, und die Zahlen aus den USA und China zeichnen ein klares...

DWN
Finanzen
Finanzen Neues Silberpreis-Rekordhoch: Engpässe treiben Aufwärtsrallye – warum Anleger jetzt wachsam sein müssen
09.12.2025

Der Silberpreis jagt von Rekord zu Rekord und übertrifft selbst den Hype um Gold, folgerichtig gibt es am Dienstag ein neues...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Arbeitsmarkt: Sieben Wege wie Unternehmen Fachkräfte finden und halten
09.12.2025

Qualifizierte Fachkräfte werden knapp – das spüren Unternehmen bei der Personalsuche immer deutlicher. Die Folgen: Engpässe,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Milan Nedeljkovic folgt auf Oliver Zipse bei BMW
09.12.2025

BMW bekommt einen neuen Chef: Milan Nedeljkovic übernimmt das Ruder von Oliver Zipse. Der Produktionsvorstand bringt Erfahrung aus fast...

DWN
Finanzen
Finanzen Allianz-Aktie im Fokus: Allianz-Kooperation mit Oaktree – was der Syndikat-Pakt für Anleger bedeutet
09.12.2025

Ein neuer Deal in London, ein bestätigtes Top-Rating und höhere Gewinnziele treiben die Allianz-Aktie bis an das Jahreshoch. Doch hinter...

DWN
Politik
Politik Merz fordert Abschaffung: EU-Lieferkettengesetz wird deutlich gelockert
09.12.2025

Das EU-Lieferkettengesetz sollte Unternehmen weltweit verpflichten, Menschenrechte zu achten. Doch bevor es überhaupt greift, haben sich...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kosten für Wohnen und Essen fressen geringere Einkommen auf
09.12.2025

Wohnen und Lebensmittel werden teurer – doch die Härte trifft nicht alle gleich. Neue Daten der Statistiker zeigen, wie stark vor allem...

DWN
Politik
Politik Analyse: Putins Besuch in Indien zeigt die gefesselten Hände des Kreml
09.12.2025

Wladimir Putins Besuch in Indien sollte Stärke demonstrieren, doch die Realität wirkt gegenteilig. Der Kreml ist stark von Ölexporten...