Neues Lithium-Vorkommen wird Zentrum für die Batterieindustrie
Deutschland könnte zum Hauptakteur in den globalen Lieferketten für Batterien und Elektrofahrzeuge werden, berichtet das Portal Energy Reporters. Der Fund eines der größten Lithium-Vorkommen der Welt in Altmark in Sachsen-Anhalt wurde in der vergangenen Woche von der Öl- und Gasgesellschaft Neptune Energy bestätigt, die dort bereits drei Lizenzen für Lithium-Exploration sowie eine Abbaulizenz besitzt. Nach Einschätzung der unabhängigen Energieberatungsfirma Spruole ERCE befinden sich in den dortigen Salzlaugen 43 Millionen Tonnen Lithiumkarbonat-Äquivalent.
Neuer globaler Lithium-Atlas
Nach Angaben des U.S. Geological Survey sollen die weltweiten Lithium-Vorräte 115 Millionen Tonnen betragen. Die größten Lagerstätten liegen in Bolivien und Argentinien, mit 23 bzw. 22 Millionen Tonnen. Besonders stark stiegen die Schätzungen in den USA – von 14 auf 19 Millionen Tonnen –, nachdem große Vorkommen in Nevada entdeckt wurden. Auch Australien erhöhte die globale Bilanz mit neuen Funden und bleibt zugleich der größte Produzent von Lithium aus dem Erz Spodumen. Die größten Vorkommen in Salzlaugen befinden sich im Dreieck Chile, Argentinien und Bolivien, das 2024 rund ein Drittel der weltweiten Produktion stellte. Das Vorkommen im deutschen Altmark sei so reichhaltig, dass es die Weltkarte der Energieversorgung verändern könnte, schreiben die Energy Reporters.
Neptune Energy, bislang im Bereich Öl- und Gasförderung tätig, erhielt im vergangenen Jahr die erste Abbaulizenz für Lithium in Deutschland und verfügt mittlerweile über drei Lizenzen. Der Nachweis von 43 Millionen Tonnen Lithiumkarbonat-Äquivalent könnte das Geschäftsmodell des Unternehmens grundlegend verändern.
Neptune Energy ist in Großbritannien, Norwegen, Deutschland, Algerien, den Niederlanden und Indonesien aktiv. Im Jahr 2023 übernahm der italienische Energiekonzern Eni für 2,3 Milliarden US-Dollar die norwegischen Aktivitäten von Neptune. Der verbleibende Teil von Neptune Energy gehört dem chinesischen Staatsfonds China Investment Corporation sowie den Private-Equity-Gesellschaften Carlyle und CVC Partners, teilweise auch Mitarbeitern.
Das Unternehmen kündigt an, beim Lithium-Abbau Technologien einzusetzen, die den ökologischen Fußabdruck minimieren. Anstelle von offenen Minen oder Verdunstungsbecken soll die direkte Lithiumextraktion (Direct Lithium Extraction, DLE) genutzt werden. Dabei wird Lithium direkt aus unterirdischer Sole mittels Ionenaustausch und Adsorption gewonnen. Dies reduziert die Wasserverbräuche erheblich und minimiert Eingriffe an der Erdoberfläche. Erste Pilotprojekte zeigen, dass Lithium in Batteriequalität („battery grade“) gewonnen werden kann. Der nächste Schritt ist eine Demonstrationsanlage im industriellen Maßstab, ehe der kommerzielle Betrieb beginnt.
Serbiens Beispiel: Widerstand gegen Lithiumabbau
Zum Vergleich: Der australisch-britische Konzern Rio Tinto prüft seit 20 Jahren Lithiumvorkommen im Jadar-Tal in Serbien. Dort sollten jährlich 58.000 Tonnen Lithium-Erz abgebaut werden. Das ist genug für 1,1 Millionen Fahrzeuge oder 17 Prozent der europäischen Elektroauto-Produktion.
2021 startete Rio Tinto ein 2,4-Milliarden-Dollar-Projekt, noch bevor staatliche Genehmigungen vorlagen, was massive Proteste auslöste. Serbiens Akademie der Wissenschaften und Künstler warnte vor irreversiblen Schäden: Landschaftszerstörung, Verlust der Biodiversität, Wasserverschmutzung, Umsiedlung von Anwohnern und Aufgabe landwirtschaftlicher Nutzung.
2022 stoppte die Regierung den Abbau offiziell. Doch das serbische Verfassungsgericht erlaubte 2023 die Wiederaufnahme. Präsident Aleksandar Vučić unterzeichnete im Juli 2024 ein Partnerschaftsabkommen über nachhaltige Rohstoffe mit dem damaligen Bundeskanzler Olaf Scholz und EU-Vizepräsident Maroš Šefčovič. Zudem folgte eine Absichtserklärung mit europäischen Automobilkonzernen und Batterieproduzenten. Zwischen 2003 und 2024 wurden in Serbien insgesamt 69 Explorationsgenehmigungen erteilt. Bei Rio Tinto heißt es, man habe zwar Rückschläge erlitten, werde aber nicht aufgeben.
Sachsen-Anhalt könnte Europas Batterieherz werden
Das Lithium-Vorkommen in Altmark könnte für Deutschland einen strategischen Wendepunkt markieren. Der Zugang zu heimischen Rohstoffen würde die Abhängigkeit von Importen aus Südamerika oder China reduzieren. Angesichts der Ambitionen, die Elektromobilität massiv auszubauen, könnte Deutschland zum Schlüsselland der europäischen Batterie- und Fahrzeugindustrie werden. Zudem könnte die Nutzung umweltfreundlicher Technologien beim Abbau den politischen Rückhalt in der Bevölkerung sichern – im Gegensatz zu den Erfahrungen in Serbien.
Der Fund im Altmark ist mehr als nur ein Rohstoffthema – er könnte Deutschlands Rolle in den globalen Wertschöpfungsketten neu definieren. Ob das „weiße Gold“ tatsächlich nachhaltig und wirtschaftlich nutzbar wird, hängt jedoch von Technologie, Investitionen und politischem Willen ab. Eines ist sicher: Das Lithium-Vorkommen in Sachsen-Anhalt verschiebt die Gewichte in der weltweiten Energiewende.



