Politik

EU sichert Ukraine-Finanzierung bis 2027 – Moskau spottet

Die EU hat sich nach zähem Ringen auf eine Ukraine-Finanzierung bis 2027 geeinigt. Ein zinsloser Kredit über 90 Milliarden Euro soll fließen, abgesichert durch eingefrorenes russisches Vermögen.
19.12.2025 09:38
Aktualisiert: 19.12.2025 09:38
Lesezeit: 3 min
EU sichert Ukraine-Finanzierung bis 2027 – Moskau spottet
Ukraine-Finanzierung: Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) spricht bei der Pressekonferenz nach dem EU-Gipfel (Foto: dpa). Foto: Michael Kappeler

EU sichert Ukraine-Finanzierung – russisches Vermögen

Die EU-Länder haben sich nach Streit auf einen Kompromiss zur Finanzierung der Ukraine für die nächsten zwei Jahre verständigt. Wie Bundeskanzler Friedrich Merz nach dem EU-Gipfel in Brüssel ankündigte, erhält das von Russland angegriffene Land einen zinslosen Kredit zur Ukraine-Finanzierung über 90 Milliarden Euro. Falls Russland für Kriegsschäden keine Entschädigung leistet, sollen in der EU eingefrorene russische Vermögenswerte für die Rückzahlung herangezogen werden – russisches Vermögen.

Merz wertete die Lösung als "großen Erfolg", obwohl sie nicht seinem ursprünglichen Vorschlag entspricht. Er wollte die in Belgien festgesetzten Gelder der russischen Zentralbank direkt für Darlehen in Höhe von bis zu 210 Milliarden Euro einsetzen und so die Ukraine-Finanzierung neu aufstellen. Dieser Plan scheiterte am Ende am Widerstand von Ländern wie Frankreich und Italien, nachdem zuvor Belgien zu große rechtliche und politische Risiken gesehen hatte.

Kanzler sieht Demonstration europäischer Souveränität

Merz zeigte sich aber auch mit dem Alternativmodell zufrieden. "Europa hat verstanden, was die Stunde geschlagen hat und Europa hat eine Demonstration seiner Souveränität abgeliefert", sagte er nach rund 18-stündigen Beratungen im Brüsseler Europagebäude. "Wir stellen uns entschlossen der größten sicherheitspolitischen Bedrohung Europas entgegen. Das ist die Aggression Russlands, die längst den Angriffskrieg gegen die Ukraine übersteigt."

Die 90 Milliarden Euro reichen Merz zufolge aus, um den militärischen Bedarf und den Bedarf beim Haushalt der Ukraine für die nächsten zwei Jahre zu decken. Die Auszahlung kann seinen Angaben zufolge schon im Januar beginnen - damit bleibt die Ukraine-Finanzierung für diesen Zeitraum gesichert.

Putins Chefunterhändler verspottet Merz

Der russische Chefunterhändler Kirill Dmitrijew bezeichnete den Brüsseler Kompromiss als Schlag für Merz und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die er beide "Kriegstreiber" nannte. "Gesetz und gesunder Menschenverstand haben vorerst gesiegt", schrieb er auf der Plattform Telegram.

Russland hatte stets vor einem "Diebstahl" seines Staatsvermögens gewarnt und damit gedroht, im Gegenzug auch westliches Geld - vor allem von Privatinvestoren und Unternehmen - für seine Zwecke zu verwenden. Nun seien Merz, von der Leyen und Premierminister Keir Starmer gescheitert: "Die ganze Welt hat gerade zugesehen, wie ihr daran gescheitert seid, andere zum Rechtsbruch zu zwingen", schrieb er auf der Plattform X.

Paris und Rom verhinderten "Merz-Modell"

Das ursprüngliche Finanzierungsmodell des Kanzlers kam nach Angaben von Diplomaten nicht durch, weil die Regierungen in Paris und Rom sich weigerten, die notwendigen Mittel für den von Belgiens Regierungschef Bart De Wever geforderten Schutzmechanismus bereitzustellen. Er wollte garantiert bekommen, dass alle Risiken, die sich aus der Nutzung russischen Geldes ergeben könnten, vollständig gemeinschaftlich abgesichert werden.

Die belgische Regierung sah die Gefahr, dass Russland Vergeltung gegen europäische Privatpersonen und Unternehmen übt und es in Russland zu Enteignungen kommt. Vor allem fürchtet sie um die Existenz des Finanzinstituts Euroclear, das den Großteil der in der EU festgesetzten russischen Vermögenswerte verwaltet - also russisches Vermögen. Nach dem Gipfel zeigte sich aber auch De Wever zufrieden. "Die Ukraine hat gewonnen, Europa hat gewonnen, die finanzielle Stabilität hat gewonnen", sagte er. "Hätten wir Brüssel heute gespalten verlassen, hätte Europa seine geopolitische Bedeutung eingebüßt. Das wäre eine totale Katastrophe gewesen." Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bezeichnete die nun gefundene Lösung als "die realistischste und praktikabelste".

Orban spricht von "verlorenem Kriegskredit"

Seit fast vier Jahren beteuern die führenden Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union, dass die Ukraine so lange unterstützt werde, wie es nötig sei. Bei einem Scheitern der weiteren Ukraine-Finanzierung wäre diese Zusage hinfällig gewesen.

Es wäre auch ein Scheitern von Kanzler Merz gewesen, der sich schon im September überraschend an die Spitze der Befürworter der Nutzung des russischen Vermögens gesetzt hatte. Nun hat er zwar seinen ursprünglichen Plan nicht durchgebracht, die Finanzierung der Ukraine aber trotzdem gesichert - und damit die Ukraine-Finanzierung. Es gab auch Kritik aus den Reihen der Staats- und Regierungschefs. Ungarns Regierungschef Viktor Orban, der für kremlfreundliche Positionen bekannt ist, sprach von einem "verlorenen Kriegskredit". EU-Ratspräsident António Costa sagte dagegen, Ziel sei es nicht, den Krieg zu verlängern, sondern einen gerechten und dauerhaften Frieden in der Ukraine zu erreichen.

Mercosur-Deal auf Januar verschoben

Noch nicht zu einer abschließenden Entscheidung kam die EU beim zweiten Gipfelthema: Die für diesen Samstag geplante Unterzeichnung des EU-Freihandelsabkommens mit vier Mitgliedsländern des Staatenbunds Mercosur muss verschoben werden. Einen neuen Termin soll es nun in der ersten Januarhälfte geben.

Zuvor hatte die italienische Regierungschefin Giorgia Meloni mitgeteilt, sie sei noch nicht bereit, dem geplanten Abkommen mit den vier Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay zuzustimmen. Damit war klar, dass die für eine Unterzeichnung erforderliche Mehrheit nicht zustande kommt. Kommissionspräsidentin von der Leyen und EU-Ratspräsident Costa wollten dafür nach Brasilien reisen.

Freihandelszone mit mehr als 700 Millionen Einwohnern

Für Merz ist die Verschiebung ein Dämpfer. Er hatte zu Gipfelbeginn gesagt, wenn die Europäische Union in der Handelspolitik glaubwürdig bleiben wolle, dann müssten jetzt Entscheidungen getroffen werden. "Und die Entscheidung kann nur lauten, dass Europa zustimmt und dass die Kommissionspräsidentin und der Ratspräsident morgen nach Südamerika reisen und dieses Abkommen unterzeichnen", fügte er hinzu.

Die neue Freihandelszone mit mehr als 700 Millionen Einwohnern wäre nach Angaben der EU-Kommission die weltweit größte dieser Art und soll ein Zeichen gegen die protektionistische Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump setzen. Geplant ist, Zölle und Handelsbarrieren zwischen der EU und den Mercosur-Staaten abzubauen. Die Verhandlungen für den Deal starteten bereits 1999.

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