Politik

Niederlande und Italien schießen sich auf Brüssel ein

Lesezeit: 2 min
05.04.2014 00:08
Im Vorfeld der EU-Wahl kritisieren führende Politiker Europas den Zustand der EU. Der niederländische Premier Rutte fordert die nationalen Parlamente dazu auf, stärker in Brüssel einzugreifen. Der frühere italienische Premier Letta nennt Brüssel einen „Moloch, ein Symbol der Bürokratie“.
Niederlande und Italien schießen sich auf Brüssel ein

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Der niederländische Premier Mark Rutte und der frühere italienische Premier Enrico Letta bescheinigen der EU einen miserablen Ruf beim Bürger. Zugleich machen sie Vorschläge, was zur Rettung des europäischen Projekts getan werden könnte.

Viele Leute in Europa sind wütend auf die EU, wütend auf jene, die in den letzten Jahren die Macht in Brüssel hatten“, sagte der niederländische Premier Mark Rutte in einer Rede bei der Berliner FDP. Wenn man dies nicht rechtzeitig erkenne, werde das gemeinsame Friedensprojekt werde zu einem Projekt der Unzufriedenheit, zitiert ihn der Open Europe blog.

„Der Ball liegt im Feld der nationalen Parlamente“, so Rutte. Deren Legitimität sei größer als die des EU-Parlaments. Daher sollten sie früher und stärker in die Brüsseler Entscheidungsfindung eingreifen. „Europäisch wo nötig, national wo möglich.“ Aufgaben wie das Gesundheitssystem, Bildung und Steuern sollten nach Ansicht von Rutte in nationaler Hand liegen.

„Viel zu oft sind Vereinbarungen zum Haushalt oder zur demokratischen Rechtsstaatlichkeit missachtet worden. (…) Europa wird mehr und mehr verbunden mit einer anonymen, formellen und unpersönlichen Regierungs-Ebene, wo die nationale Souveränität durch normative Regeln aus Brüssel ersetzt wird.“

Der frühere italienische Premier Letta sagte am Donnerstag, es sei falsch, dass aus Kostengründen alle Gipfeltreffen in Brüssel stattfinden. Bis 2003 fanden solche Treffen in den EU-Ländern statt, die gerade die halbjährige Ratspräsidentschaft innehatten. Es sei nun an der Zeit, die Folgen der dauerhaften Verlegung nach Brüssel zu betrachten, zitiert ihn EurActiv.

In den Augen der Bürger sei Brüssel „ein Moloch, ein Symbol der Bürokratie und der merkwürdigen politische Entscheidungen“ geworden, so Letta. Europa bestehe aus 28 nationalen Hauptstätten, wo in der Vergangenheit viele historische Errungenschaften der EU erreicht wurden.

Doch es ist unwahrscheinlich, dass die EU-Führer ihre Entscheidung rückgängig machen, Gipfeltreffen in Brüssel abzuhalten. Vor allem seit neben dem Brüsseler Sitz des EU-Rats ein neues Gebäude Form annimmt, das sogenannte „Van-Rompuy-Ei“. Die geplanten Kosten dafür liegen bei 240 Millionen Euro.

Es gebe einen Unterschied zwischen dem, was bei Gipfeltreffen in Brüssel tatsächlich passiert, und dem, was von der Presse in einzelnen EU-Staaten berichtet wird, so Letta. Es scheine, dass „alle an verschiedenen Gipfeln teilgenommen haben“.

Die Populisten hätten die Bürger sehr erfolgreich davon überzeugt, dass der Euro und die Beseitigung der internationalen Grenzen gescheitert sind, so Letta. Doch der wachsende Populismus im Vorfeld der EU-Wahl sei eine Gelegenheit für die etablierten Politiker, Europa in ein neues Licht zu rücken.

„Vielleicht wird diese politische Herausforderung uns dazu zwingen, einen politischen Kampf auszutragen“, sagte Letta. Der EU fehle ein Traum. Nötig sei ein neues großes Projekt. Die EU müsse in massive Bildungs- und Kultur-Programme investieren. Dies sei in der Vergangenheit versäumt worden.


Mehr zum Thema:  
Europa >

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Bildung für die Zukunft SOS-Kinderdorf Thüringen im Einsatz für die Demokratie

In einer Zeit, in der die Unzufriedenheit mit der Politik wächst, engagiert sich das SOS-Kinderdorf Thüringen mit einem Demokratieprojekt...

DWN
Politik
Politik Nato in der Krise: Wie sichern wir Frieden und Stabilität in Europa?
27.12.2024

Viele Deutsche sorgen sich angesichts der Lage in der Ukraine vor einer Ausweitung des Krieges. Der neue Nato-Generalsekretär hält dies...

DWN
Finanzen
Finanzen Notenbanker durch und durch: Ex-Bundesbankpräsident Schlesinger zum Gedenken
27.12.2024

Zeit seines Lebens hat sich Helmut Schlesinger für eine stabile Währung eingesetzt. Dabei scheute er auch nicht den Konflikt. Nun ist der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Reformen 2025: Steuererhöhungen, Mindestlohnerhöhung und neue Gesetze im Überblick
27.12.2024

Die Reformen 2025 bringen eine Reihe bedeutender Änderungen für Bürgerinnen und Bürger: vom neuen Mindestlohn über die Einführung der...

DWN
Politik
Politik Jetzt auch amtlich: Steinmeier macht Weg für Neuwahlen frei
27.12.2024

Die Ampel-Koalition zerbrochen, keine neue, stabile Mehrheit in Sicht, Deutschland in der Regierungskrise. Für den Bundespräsidenten gibt...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Als der Tiger noch im Tank war: Warum sich ExxonMobil von Europa distanziert
27.12.2024

Exxon mit Sitz ist Houston ist eine halbe Billion Dollar wert und damit der größte Mineralöl-Konzern der Welt. 20 Prozent der 62.000...

DWN
Politik
Politik Studie: Elterngeld seit Einführung deutlich weniger wert
27.12.2024

Die Kaufkraft des Elterngelds sei seit 2007 um 38 Prozent gesunken, schreibt das Institut der deutschen Wirtschaft in einer aktuellen...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Deutsche Flugsicherung erhöht Gebühren: Gründe, Auswirkungen und Forderungen
27.12.2024

Die Deutsche Flugsicherung (DFS) hat angekündigt, zum Jahreswechsel die Gebühren für Fluggesellschaften deutlich zu erhöhen. Während...

DWN
Politik
Politik Normenkontrollrat plant Empfehlungen für neue Regierung
27.12.2024

Eine Institution, von der man viel zu wenig hört: Ohne ein verbessertes Datenmanagement, einfachere Gesetze und mehr digitale Prozesse...