Der niederländische Premier Mark Rutte und der frühere italienische Premier Enrico Letta bescheinigen der EU einen miserablen Ruf beim Bürger. Zugleich machen sie Vorschläge, was zur Rettung des europäischen Projekts getan werden könnte.
„Viele Leute in Europa sind wütend auf die EU, wütend auf jene, die in den letzten Jahren die Macht in Brüssel hatten“, sagte der niederländische Premier Mark Rutte in einer Rede bei der Berliner FDP. Wenn man dies nicht rechtzeitig erkenne, werde das gemeinsame Friedensprojekt werde zu einem Projekt der Unzufriedenheit, zitiert ihn der Open Europe blog.
„Der Ball liegt im Feld der nationalen Parlamente“, so Rutte. Deren Legitimität sei größer als die des EU-Parlaments. Daher sollten sie früher und stärker in die Brüsseler Entscheidungsfindung eingreifen. „Europäisch wo nötig, national wo möglich.“ Aufgaben wie das Gesundheitssystem, Bildung und Steuern sollten nach Ansicht von Rutte in nationaler Hand liegen.
„Viel zu oft sind Vereinbarungen zum Haushalt oder zur demokratischen Rechtsstaatlichkeit missachtet worden. (…) Europa wird mehr und mehr verbunden mit einer anonymen, formellen und unpersönlichen Regierungs-Ebene, wo die nationale Souveränität durch normative Regeln aus Brüssel ersetzt wird.“
Der frühere italienische Premier Letta sagte am Donnerstag, es sei falsch, dass aus Kostengründen alle Gipfeltreffen in Brüssel stattfinden. Bis 2003 fanden solche Treffen in den EU-Ländern statt, die gerade die halbjährige Ratspräsidentschaft innehatten. Es sei nun an der Zeit, die Folgen der dauerhaften Verlegung nach Brüssel zu betrachten, zitiert ihn EurActiv.
In den Augen der Bürger sei Brüssel „ein Moloch, ein Symbol der Bürokratie und der merkwürdigen politische Entscheidungen“ geworden, so Letta. Europa bestehe aus 28 nationalen Hauptstätten, wo in der Vergangenheit viele historische Errungenschaften der EU erreicht wurden.
Doch es ist unwahrscheinlich, dass die EU-Führer ihre Entscheidung rückgängig machen, Gipfeltreffen in Brüssel abzuhalten. Vor allem seit neben dem Brüsseler Sitz des EU-Rats ein neues Gebäude Form annimmt, das sogenannte „Van-Rompuy-Ei“. Die geplanten Kosten dafür liegen bei 240 Millionen Euro.
Es gebe einen Unterschied zwischen dem, was bei Gipfeltreffen in Brüssel tatsächlich passiert, und dem, was von der Presse in einzelnen EU-Staaten berichtet wird, so Letta. Es scheine, dass „alle an verschiedenen Gipfeln teilgenommen haben“.
Die Populisten hätten die Bürger sehr erfolgreich davon überzeugt, dass der Euro und die Beseitigung der internationalen Grenzen gescheitert sind, so Letta. Doch der wachsende Populismus im Vorfeld der EU-Wahl sei eine Gelegenheit für die etablierten Politiker, Europa in ein neues Licht zu rücken.
„Vielleicht wird diese politische Herausforderung uns dazu zwingen, einen politischen Kampf auszutragen“, sagte Letta. Der EU fehle ein Traum. Nötig sei ein neues großes Projekt. Die EU müsse in massive Bildungs- und Kultur-Programme investieren. Dies sei in der Vergangenheit versäumt worden.