Politik

Kanada: Massenproteste der Studenten wegen Finanzkrise

Die weltweite Finanzkrise zieht immer weitere Kreise und hat nun auch Kanada erreicht. Anfängliche Studentenproteste entwickelten sich zu Massenkundgebungen, welche nun zum Rücktritt der Bildungsministerin führten.
08.08.2012 00:23
Lesezeit: 1 min

Im kanadischen Quebec spitzt sich im Zuge der weltweiten Finanzkrise die Situation immer weiter zu. Was anfänglich vor zirka vier Monaten als Studentenproteste gegen die Erhöhung der Studiengebühren gedacht war, entwickelt sich immer weiter zu einer Massenbewegung, an der nun auch kanadische Gewerkschaften beteiligt sind.

Grund für die Studentenproteste sind umfangreiche Sparmaßnahmen, die die Liberale Regierung im letzten Jahr erlassen hat. Im Zuge dessen sollten unter anderem die Studiengebühren in Quebec in den nächsten sieben Jahren um ganze 82 % angehoben werden. Dies wollten die Studierenden allerdings nicht akzeptieren, was angesichts der Milliarden, die in immer neue Bankenrettungen fließen durchaus nachvollziehbar ist.

Als Reaktion darauf, dass die Regierung die Demonstrationen der Studenten schlichtweg ignorierte, traten diese in einen unbefristeten Streik. Am 13. Februar diesen Jahres machten die Studenten der Université Laval den Anfang. Nur zirka eine Woche später befanden sich offiziell bereits 40.000 Studenten im Streik, eine Zahl, die innerhalb weniger Wochen auf rund 180.000 anwuchs.

Unterstützt wurden die Proteste ebenfalls von den zwei größten Gewerkschaften Quebecs CSN und CUPE und anderen Verbänden, welche die Sparmaßnahmen als ungerecht empfinden. Den Höhepunkt fanden die Proteste am 22. März diesen Jahres, als sich rund 300.000 Menschen in Montreal versammelten um ihren Ärger kund zu tun. Diese enorme Beteiligung übertraf sogar die großen Demonstrationen gegen die Beteiligung Kanadas am Irakkrieg im Jahr 2003.

Im April erließ die Kanadische Regierung daraufhin gerichtliche Verfügungen, welche die Streiks für illegal erklärten. Außerdem wurde verboten Streikposten zu errichten und den Universitätsbetrieb weiterhin zu stören. Die Professoren wurden gezwungen in leeren Hörsälen zu unterrichten, doch trotz eines enormen Polizeiaufgebots und rechtlichen Drohungen blieben die Verordnungen wirkungslos. Stattdessen solidarisierten sich die Professoren mit den Studenten und weigerten sich ebenfalls weiterhin zu unterrichten.

Die Proteste weiteten sich sogar soweit aus, dass die Bildungsministerin Line Beauchamp am 14. Mai zurücktreten musste, nachdem Verhandlungen mit den drei wesentlichen Vertretergruppen der Bewegung gescheitert waren.

Die Maßnahmen, mit denen die Regierung den Protesten bislang begegnete erscheinen bei genauerer Betrachtung äußerst fragwürdig. Seit Februar 2012 hat die Polizei mindestens 2.700 Festnahmen getätigt und es gab unzählige Verletzte. Darunter waren sogar zwei Studenten, die bei Auseinandersetzungen mit der Polizei ihr Augenlicht verloren.

Auch in Punkto Demokratie muss man langsam die Frage stellen, ob diese nach dem 18. Mai 2012 und dem Erlass der Bill 78 noch gewährleistet ist. Dieses neu erlassene Gesetz beinhaltet ein Versammlungsverbot für mehr als 50 Menschen rund um Bildungseinrichtungen, was einen tiefen Eingriff in die Grundrechte darstellt.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Unternehmen
Unternehmen Drohnenhersteller Helsing: Deutschlands wertvollstes Start-up erhält 600 Millionen Euro von Investoren
17.06.2025

Der Drohnenhersteller Helsing sorgt für Schlagzeilen: Mit einer Milliardenbewertung steigt das Rüstungsunternehmen zum wertvollsten...

DWN
Technologie
Technologie Made in Germany: Wie Technik und Tüfteln Hoffnung machen
17.06.2025

Deutschland war einmal stolz auf seinen Erfindergeist – heute dominiert die Krisenrhetorik. Doch während Politik und Großindustrie...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Verdi warnt vor Finanzloch: Kommunen brauchen Milliardenausgleich
17.06.2025

Kurz vor dem Spitzentreffen von Bund und Ländern schlägt Verdi‑Vorsitzender Frank Werneke Alarm. Steuerliche Entlastungen für...

DWN
Politik
Politik Russischer Angriff auf Kiew überschattet G7-Gipfel – mindestens 14 Tote
17.06.2025

Russische Raketen treffen Kiew während des G7-Gipfels. Mindestens 14 Menschen sterben – Selenskyj warnt vor Moskaus Strategie, zivile...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Teilzeit boomt: Deutschland zählt zu den EU-Spitzenreitern
17.06.2025

Beschäftigte in Deutschland liegen in Sachen Teilzeit mit an der Spitze in der EU. 2024 arbeiteten hierzulande 29 Prozent der...

DWN
Panorama
Panorama Großes Bangen in Regensburg: CSD unter Bedrohungslage neu geplant
17.06.2025

Die Zahl queerfeindlicher Angriffe in Deutschland steigt. Nun ist auch der Christopher Street Day (CSD) in Regensburg von einer...

DWN
Politik
Politik Trump verlässt G7 vorzeitig: Drohende Nahost-Eskalation im Fokus
17.06.2025

Mit einem überraschenden Abgang beim G7-Gipfel wirbelt Trump das hochrangige Treffen durcheinander. Kurz nach der Abreise hinterlässt er...

DWN
Politik
Politik US-Anspruch auf Grönland: Der stille Bruch im westlichen Bündnis
17.06.2025

Die USA werfen Dänemark vor, ein schlechter Verbündeter zu sein – weil es Grönland nicht energisch genug verteidigt. Doch hinter der...