Finanzen

Stresstest: Dutzende Banken in Europa brauchen mehr Kapital

Wegen des Bilanzchecks und des bevorstehenden Stresstests durch die EZB müssen Banken im Euroraum Kapitallücken von annähernd 300 Milliarden Euro decken. Grund sind faule Kredite. Dazu kommt ein gewaltiges „schwarzes Loch“ bei den Derivaten.
25.06.2014 00:59
Lesezeit: 2 min

Einer Umfrage der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young zufolge erwarten 22 von 295 europäischen Banken, dass sie ihr Kapitalpolster nach der Bilanzprüfung durch die EZB erhöhen müssen. 43 Banken gaben an, dass sie „möglicherweise“ eine Kapitalaufstockung benötigten. Die Umfrage unter den Banken erfolgte anonym. Jedoch wurde festgestellt, dass allein 35 Prozent der spanischen Banken eine weitere Kapitalerhöhung brauchen. Jede vierte spanische Bank kann erneuten Kapitalbedarf nicht ausschließen.

Deutsche Banken sind laut dem Ergebnis der Umfrage optimistisch, was die Prüfung durch die EZB betrifft. Lediglich vier Prozent rechnen mit einem zusätzlichen Kapitalbedarf, weitere zwei Prozent halten dies für nicht unmöglich.

Ganz anders sieht es im gesamten europäischen Raum aus. Wie die britische Times berichtet, gibt es bei den europäischen Banken einen Kapitalbedarf von annähernd 300 Milliarden Euro wegen hoher Schuldenstände, die auf faule Kredite zurückzuführen sein dürften. Dazu käme ein gewaltiges „schwarzes Loch“ bei den Derivaten.

Die Warnung kam von Analysten der Berenberg-Bank, der ältesten Privatbank Deutschlands, und stellt die negativste Bewertung des Zustands der Banken seit dem Höhepunkt der Krise in der Eurozone dar.

Bereits im Mai 2013 ging die deutsche Berenberg-Bank davon aus, während des Bilanzchecks (Asset-Quality-Review) durch die EZB könne sich eine „Kapitallücke“ von 300 bis 400 Milliarden Euro für die Banken in der Eurozone ergeben (mehr hier). Für die europäischen Banken insgesamt sollten es 720 Milliarden Euro sein (mehr hier).

Dabei dürfen die Banken hinsichtlich der Bewertung der faulen Kredite in ihren Büchern eine weichere, "vereinfachte Definition" bei der Erhebung ihrer ersten Daten zur Erreichung des Standards der Asset-Quality-Review anwenden.

Die Befunde kommen just zu der Zeit, nachdem die bulgarische Regierung nach einem Bank-Run gezwungen war, die viertgrößte Bank des Landes, die Corporate Commercial Bank, zu verstaatlichen. Die Zentralbank musste einschreiten und garantierte den Sparern die Einlagen (mehr hier).

Der Stresstest könnte nun den Druck auch auf die osteuropäische Banken erhöhen. Eine Reihe von Banken wird von Gläubigern bzw. Banken gestützt, die ihrerseits frisches Kapital benötigen, was bedeutet, dass die osteuropäischen Banken im Regen stehen gelassen werden könnten, wie cityam.com berichtet.

„Stärkere Banken können wie erwartet ihre finanzielle Aufstellung verbessern. Sie können ihr Kreditvolumen erhöhen, während die schwächeren Banken immer noch Befürchtungen haben, was ihre Kapitalausstattung betrifft“, so Steven Lewis von Ernst & Young. „Bei genauerem Hinsehen wird klar, dass die Kluft zwischen den Starken und den Schwachen immer größer wird.“

Jedoch könnte hier die EZB erneut aushelfen. Von den Krediten der EZB in Höhe von rund 1 Billion Euro Ende 2011 und Anfang 2012 (LTRO), um eine Liquiditätskrise der Banken in der Eurozone abzuwenden, sind noch etwa 300 Milliarden zur Rückzahlung offen.

Offenbar plant die EZB hierbei eine kleine Version der Dicken Bertha, um den Banken erneut die spätestens zum 1. Mai 2015 fälligen Papiere um weitere drei Jahre zu refinanzieren (mehr hier). Es liefe darauf hinaus, marode bzw. Zombie-Banken weiterhin zu stützen, was nichts anderes bedeutete, als dass die EZB die Bankenunion auch ohne einen ernsthaften Stresstest der beteiligten Banken in Kraft setzen möchte.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Europas Wettbewerbskompass: Kurskorrektur bei Technologiewettbewerb dringend nötig!
19.04.2025

Europa steht vor großen wirtschaftlichen Herausforderungen: Der globale Technologiewettbewerb spitzt sich zu, geopolitische Krisen...

DWN
Finanzen
Finanzen Digitalisierung im Bürgeramt: Passfotos ab Mai nur noch digital erlaubt
19.04.2025

Ab dem 1. Mai sind in Deutschland im Grunde nur noch digitale Passfotos erlaubt. Das neue Verfahren soll Fälschungen vorbeugen. Wer denkt,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Italienische Luxusunternehmen: Prada übernimmt und trägt nun auch Versace
19.04.2025

Über einen möglichen Kauf war seit mehreren Monaten spekuliert worden: Der Luxuskonzern Prada schluckt den Konkurrenten Versace. Damit...

DWN
Technologie
Technologie „Mein alter Job als Softwareentwickler ist weg“ – Jentic-Chef über selbstprogrammierende KI-Agenten
19.04.2025

Der irische Tech-Unternehmer Sean Blanchfield ist überzeugt, dass KI-Agenten menschliche Programmierer und Softwareentwickler zunehmend...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt „We don’t believe in Outsourcing“ – Klöber zeigt, wie Produktion in Deutschland wieder gelingt
18.04.2025

Sitzen, aber richtig: Der Büromöbelhersteller aus Owingen setzt auf Inhouse-Produktion, recycelte Materialien und digitale Innovation –...

DWN
Finanzen
Finanzen S&P 500 und die Illusion von sicheren, langfristigen Renditen
18.04.2025

Der amerikanische Aktienmarkt befindet sich in turbulenten Zeiten. Angesichts der unvorhersehbaren Handelspolitik von Präsident Donald...

DWN
Finanzen
Finanzen Wertvoller Schmuck im Fokus: So sichern Sie Ihre teuren Schmuckstücke ab
18.04.2025

Die Absicherung wertvoller Schmuckstücke wird immer wichtiger – Hausrat reicht oft nicht aus. Experten raten zu gezieltem...

DWN
Immobilien
Immobilien Wohnen in Dänemark: Wie Sie mit etwas Hygge ein Haus günstig kaufen können
18.04.2025

Nachdem es 2023 und 2024 in Deutschland zum ersten Mal seit 2013 spürbare Wertverluste auf dem Immobilienmarkt gab, kündigten Experten...