Unternehmen

Niedrige Zinsen treiben Niederländer immer tiefer in die Schulden-Falle

Die niederländischen Privathaushalte haben über Jahre hinweg einen immensen Schuldenberg angehäuft – hauptsächlich für Eigenheime. Als die Immobilienpreise einbrachen, begann ein zaghafter Schuldenabbau. Doch jetzt sind die Kredite noch billiger und die private Verschuldung wächst weiter.
12.08.2014 00:06
Lesezeit: 2 min

Während Ende 2000 alle holländischen Privathaushalte zusammen Schulden in Höhe von 440 Milliarden Euro hatten, waren es Ende 2008 schon Schulden in Höhe von 770 Milliarden Euro. Die durchschnittlich jährliche Steigerung, so lässt sich aus diesen Zahlen des holländischen Statistikamtes errechnen, betrug über 7%. Das Verhältnis der Schulden der Privathaushalte zum niederländischen BIP kletterte auf 121%. Zum Vergleich: In Deutschland waren es zur gleichen Zeit nur 62%, heute sind es noch weniger.

Die Hauptursache für den holländischen Schuldenboom war der boomende Häusermarkt. Jeder wollte ein Eigenheim. Und Hypothekenkredite waren leicht zu bekommen. Die Banken gewährten Kredite in einer Höhe bis zu 106% des Kaufpreises. Und die Zinsen konnten vollständig von der Steuer abgesetzt werden. Die Preise für Eigenheime stiegen ständig, was den Kreditboom weiter anheizte. Lag der durchschnittliche Kaufpreis eines Eigenheims im Jahr 2000 noch bei 172.000 Euro, waren es im dritten Quartal 2008 259.000 Euro.

Doch mit der Finanz- und Wirtschaftskrise kam die Wende. Die Nachfrage ging zurück und die Immobilienpreise brachen ein. Statt 48.000 Hauskäufe im dritten Quartal 2008 registrierte man knapp fünf Jahre später nur noch 22.000 Hauskäufe. Die Preise für Eigenheime sanken im gleichen Zeitraum um 19%.

Der einmal angehäufte Schuldenberg verschwand aber nicht so schnell. Ganz im Gegenteil wuchs er, wenn auch mit geringerem Tempo, bis zum ersten Quartal 2013 weiter – und zwar bis auf 838 Milliarden Euro. Besonders prekär war, dass nun das Wirtschaftswachstum in den Niederlanden lahmte. Das Verhältnis der Schulden der privaten Haushalte zum BIP stieg ungebremst. Es erreichte Ende 2012 139%. Die Niederlande wurde zum privaten Schuldenmeister in der EU (mehr dazu hier).

Die holländischen Banken zogen nun die Bremse immer fester an. Der beschwerliche und lange Weg des „deleveraging“, des Schuldenabbaus, begann. Ausgaben Kürzen und Schulden Abbezahlen waren nun bei den Holländern angesagt. Ende 2013 war der Schuldenberg um 16 Milliarden Euro verringert. Doch die Wirtschaft quittierte den Umschwung mit einer Rezession. Das Verhältnis der Schulden der Privathaushalte zum BIP lag daher noch immer bei 136%.

Studien der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) zeigen übrigens, das für eine gesunde Wirtschaftsentwicklung das Verhältnis maximal 85% betragen darf. Das wäre für Holland ein weiter Weg. Und vor allem wäre es ein dorniger Weg, denn das Wirtschaftswachstum müsste dauerhaft unter dem Schuldenabbau leiden. Nicht zuletzt bliebe es ein riskanter Weg. Die Zahl der faulen Kredite ist in Holland bereits gestiegen. Zwar ist das Niveau noch unbedenklich, aber das könnte sich schnell ändern, vor allem, wenn die Wirtschaft schwach bleibt und die Arbeitslosigkeit steigt. Dann käme es doch noch zu einem Bankenkrach.

Doch Mario Draghi hat mit seiner Nullzinspolitik und der von ihm ausgelösten Geldschwemme auch die Holländer beeindruckt. Kredite so billig wie noch nie. Daher sind im ersten Quartal 2014 die Verbindlichkeiten der Holländer wieder gestiegen. Auch die Zahl der Käufe von Eigenheimen ist wieder deutlich gewachsen. Im zweiten Quartal diesen Jahres waren es bereits 34.000. Selbst die Immobilienpreise haben sich stabilisiert und angefangen, wieder zu steigen.

Im Moment deuten also die Zahlen darauf hin, dass die Niederlande den Versuch, von der hohen Schuldenrate herunterzukommen, bereits nach vier Quartalen wieder abgebrochen haben. Das Spiel mit dem billigen Geld geht weiter.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt

 

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Ölpreis: OPEC-Konflikt eskaliert – Saudi-Arabien warnt vor Marktchaos
11.05.2025

Ein gefährlicher Riss geht durch die mächtige Allianz der OPEC-Plus-Staaten. Statt mit geschlossener Strategie die Preise zu...

DWN
Politik
Politik Kann Deutschland Europa retten? Der neue Koalitionsvertrag offenbart alte Schwächen
11.05.2025

Zum Europatag 2025 richtet sich der Blick erneut nach Berlin. Die Erwartungen an Deutschland sind hoch – nicht nur innerhalb der Union,...

DWN
Finanzen
Finanzen Börsenkrisen: Warum Volatilität kein Risiko ist
11.05.2025

Wenn die Börsen Achterbahn fahren, zittern viele Anleger. Doch Panik ist oft der schlechteste Berater – denn was aussieht wie ein...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Strategien für Krisenzeiten: Wie Sie jetzt Ihre Unternehmensleistung steigern
11.05.2025

Steigende Kosten, Fachkräftemangel, Finanzierungsdruck – viele KMU kämpfen ums Überleben. Doch mit den richtigen Strategien lässt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft USA vor Energieumbruch: Strom wird zum neuen Öl – und zur nächsten geopolitischen Baustelle
11.05.2025

Ein fundamentaler Wandel zeichnet sich in der US-Wirtschaft ab: Elektrizität verdrängt Öl als Rückgrat der nationalen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bill Gates verschenkt Vermögen – Symbol einer neuen Weltordnung oder letzter Akt der alten Eliten?
11.05.2025

Bill Gates verschenkt sein Vermögen – ein historischer Akt der Großzügigkeit oder ein strategischer Schachzug globaler Machtpolitik?...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft „Made in America“ wird zur Hypothek: US-Marken in Europa auf dem Rückzug
11.05.2025

Eine neue Studie der Europäischen Zentralbank legt nahe: Der Handelskrieg zwischen den USA und der EU hat tiefgreifende Spuren im...

DWN
Finanzen
Finanzen Tech-Börsengänge unter Druck: Trumps Handelskrieg lässt Startup-Träume platzen
10.05.2025

Schockwellen aus Washington stürzen IPO-Pläne weltweit ins Chaos – Klarna, StubHub und andere Unternehmen treten den Rückzug an.