Politik

Steinmeier: Russland und Ukraine wollen Waffenstillstand

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sieht deutliche Zeichen der Entspannung in der Ukraine-Krise. Als Zeichen der Entspannung sehen Beobachter auch die Tatsache, dass der umstrittene Hilfskonvoi aus Russland nach einer Woche schließlich doch in die Ukraine durchgelassen wurde.
21.08.2014 16:53
Lesezeit: 3 min

Das Tauziehen um den seit fast einer Woche an der ukrainischen Grenze feststeckenden russischen Hilfskonvoi ist zu Ende. Am Donnerstag passierten die ersten der 280 LKWs die russische Seite des Grenzübergangs Donezk. Das Rote Kreuz soll in den umkämpften Gebieten der Ostukraine für die Verteilung der Hilfsgüter sorgen. Bei ihrer Flucht aus der umkämpften Stadt Luhansk kamen nach Angaben der ukrainischen Armee drei Zivilisten ums Leben, darunter ein fünf Jahre altes Kind. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko wird voraussichtlich kommende Woche das Parlament auflösen. Wirtschaftsminister Pawlo Scheremeta trat wegen des dortigen Reformstaus vom Amt zurück.

Die ukrainische Regierung hatte den Hilfskonvoi vor einer Woche mit der Begründung aufgehalten, Russland könne ihn als Deckmantel für eine Intervention nutzen. Am Wochenende hatte die Regierung den Konvoi dann als humanitäre Hilfe anerkannt. Nach russischen Angaben transportieren die LKWs 2000 Tonnen Wasser, Babynahrung und andere Hilfsgüter. Wegen der Kämpfe zwischen der Armee und pro-russischen Separatisten ist zum Beispiel Luhansk seit fast drei Wochen von Wasser und Strom abgeschnitten.

Die Ukraine hatte zwischendurch verlangt, die Güter müssten auf neue Lastwagen umgeladen werden. Die etwas weltfremde Idee wurde von allen Beteiligten beerdigt (hier).

Täglich versuchen etwa 500 Menschen die Provinzmetropole zu verlassen, die vor dem Konflikt gut 400.000 Einwohner zählte. Dabei geraten immer wieder Zivilisten ins Kreuzfeuer. Ein Sprecher der ukrainischen Armee sagte, die drei jüngsten Toten seien in einem mit einer weißen Flagge gekennzeichneten Auto unterwegs gewesen, aber dennoch von Rebellen beschossen worden. Eine unabhängige Bestätigung dafür gab es nicht. Am Montag waren bei einer Raketenattacke auf einen Flüchtlingskonvoi nach ukrainischen Angaben 17 Menschen gestorben. Die Verantwortung dafür schieben sich die Konfliktparteien gegenseitig zu.

Die Vereinten Nationen beziffern die Zahl der Opfer der Kämpfe - Soldaten und Zivilisten - auf mehr als 2000. Die Zahl habe sich mit dem Beginn der ukrainischen Offensive zur Rückeroberung der Rebellenhochburgen Ende Juli verdoppelt. Nach Angaben der Regierung in Kiew kamen in der Nacht zum Donnerstag fünf Soldaten ums Leben. Außerdem hätten die Rebellen einen Kampfjet abgeschossen, die Piloten hätten sich aber gerettet.

Auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier sieht im Ukraine-Konflikt Bewegung. Es gebe eine «deutliche Veränderung» in der Haltung Moskaus und Kiews, sagte er am Dienstag in der ZDF-Sendung «Was nun, Herr Steinmeier?». «Ich habe den Eindruck, beide suchen im Augenblick nach Möglichkeiten, doch einen Weg zum Waffenstillstand zu finden.»

Steinmeier hatte am Sonntag eine neue Vermittlungsinitiative gestartet und die Außenminister Russlands und der Ukraine, Sergej Lawrow und Pawel Klimkin, an einen Tisch gebracht. Beide Außenminister hätten sich für eine Fortsetzung der Gespräche ausgesprochen, sagte Steinmeier. Auch das Treffen zwischen den Präsidenten Wladimir Putin und Petro Poroschenko nannte er als Zeichen der Annäherung.

Beide Staatschefs nehmen am kommenden Dienstag an einem Gipfel der Zollunion in der weißrussischen Hauptstadt teil, wie der Kreml am Dienstag mitteilte. Ein solches Treffen gilt als Schlüssel für die Lösung des Konflikts mit bisher mehr als 2000 Toten.

Putins Treffen mit Poroschenko wäre die erste Zusammenkunft der beiden Präsidenten seit Anfang Juni. Damals hatten sich die Staatschefs in der Normandie am Rande der Feiern zum 70. Jahrestag der Landung der Alliierten im Zweiten Weltkrieg getroffen. Seither hatten sich die Beziehungen der Nachbarländer extrem verschlechtert.

Zu dem Treffen in Minsk werden auch die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton sowie Energiekommissar Günther Oettinger und Handelskommissar Karel De Gucht erwartet. In der weißrussischen Metropole ist ein Treffen der von Putin initiierten Eurasischen Zollunion geplant. Dazu gehören neben Russland die autoritären Staaten Weißrussland und Kasachstan.

Putin hatte immer auch für die Ukraine als Mitglied geworben. Die Ex-Sowjetrepublik hatte aber ein Assoziierungsabkommen mit der EU geschlossen und einen Beitritt zur Zollunion zuletzt abgelehnt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) reist bereits am Samstag zum Krisengespräch mit Poroschenko nach Kiew; es ist ihre erste Kiew-Reise seit Beginn des Konflikts Ende 2013. Merkel trifft auch Regierungschef Arseni Jazenjuk, wie das Bundespresseamt in Berlin mitteilte. Unter anderem sollen konkrete Schritte zu einer Unterstützung erörtert werden. Die Ukraine hatte zuletzt um Waffenhilfe gebeten; dies hatte der Westen aber abgelehnt.

Die Bundesregierung bemüht sich mit anderen westlichen Staaten um einen Waffenstillstand zwischen Regierungstruppen und prorussischen Separatisten in der krisengeschüttelten Ex-Sowjetrepublik - sowie um eine wirksame Kontrolle der Grenze zu Russland, bisher ohne Erfolg. Trotz intensiver Bemühungen um eine diplomatische Lösung kam es in der Ostukraine erneut zu erbitterten Gefechten mit vielen Toten.

In der Ostukraine lieferten sich Armee und Aufständische erneut erbitterte Kämpfe. Bei Gefechten nahe der Separatistenhochburgen Lugansk und Donezk starben mindestens zwei Soldaten. 32 Armeeangehörige wurden verletzt. In der Stadt Mospino schlugen Granaten in ein leerstehendes Schulgebäude ein.

Der ukrainischen Regierung zufolge wurden nach dem angeblichen Beschuss eines Flüchtlingskonvois bei Lugansk mindestens 17 Leichen und 6 Verletzte geborgen. Andrej Lyssenko vom Sicherheitsrat in Kiew beschuldigte erneut Separatisten des Angriffs. Die militanten Gruppen weisen die Vorwürfe zurück. Die prowestliche Führung in Kiew teilte mit, bei Kämpfen habe das Militär auch einen Serben mit slowakischem Pass gefangen genommen.

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