Finanzen

Draghi vollzieht radikalen Kurswechsel: Euro-Zone soll Sparkurs aufgeben

Mario Draghi beugt sich dem Druck Frankreichs und Italiens: In Jackson Hole fordert der EZB-Chef überraschend die Abkehr vom sparsamen Staat. Die Geldschwemme der EZB habe zusammen mit dem bisherigen Sparkurs nicht die gewünschte Wirkung gezeigt. Draghi befürwortet nun staatliche Wachstumsprogramme und neue Schulden.
24.08.2014 00:25
Lesezeit: 2 min

EZB-Chef Mario Draghi geht auf die Forderungen der Schuldenländer nach einer flexibleren Schuldenregelung ein. Die Länder sollten ermutigt werden, mehr auszugeben, sagte Draghi in eine Rede anlässlich der Fed-Konferenz in Jacksonhole. Der EZB-Chef vollzieht damit einen überraschenden Kurswechsel, berichtet die Financial Times. Insbesondere Deutschland könne demnach als größte Wirtschaftskraft der Eurozone das Wachstum anheben, indem es mehr für Investitionen ausgebe und Steuern kürze.

Draghis Anregungen bringen die EZB näher an die Position des Italienischen Premier Renzi und dürften sowohl in Rom als auch in Paris auf Zustimmung stoßen. Beide Länder haben bereits mit enormen Schuldenbergen zu kämpfen und drängten wiederholt auf eine Aufweichung der Defizit-Regeln in der Euro-Zone (mehr hier).

Renzi hatte eine Aufweichung sogar zu einem Hauptziel seiner Amtszeit erklärt. Italien hat es bisher nicht geschafft, wirksame Reformen gegen die Wirtschaftskrise durchzuführen und rutschte zurück in die Rezession (mehr hier). Bisher hat sich Renzi dafür Kritik aus der EZB eingehandelt. Auf der Fed-Konferenz fand Draghi jetzt jedoch Vorteile in einer flexibleren Schulden-Regelung. Sie könne dazu genutzt werden, „auf die die schwache Erholung zu reagieren und Raum zu schaffen für die Kosten notwendiger Strukturreformen.“ Der EZB-Chef billigte daher einen Vorschlag des Kommissionspräsidenten Juncker über ein 300-Milliarden-Euro-Programm zur Förderung des Wachstums in Europa.

Draghis wachsende Besorgnis über die hohen Arbeitslosenquoten und niedrige Inflation in Europa signalisiert auch, dass die bisherigen Maßnahmen der EZB wirkungslos blieben (mehr dazu hier). Das massive Gelddrucken und de Ausverkauf der Staatsanleihen könnten demnach nichts ausrichten, wenn sie nicht durch strukturelle Reformen in den einzelnen Staaten und eine lockere regionale Geldpolitik begleitet würden.

Das Gelddrucken selbst will Draghi allerdings nicht aufgeben. Vielmehr deutet er damit an, das billige Geld für die Eurozone künftig nicht mehr an Bedingungen zu knüpfen. Künftig könnten somit die Schuldenberge in Europa grenzenlos anwachsen. Die Gefahr eines Crashs ist für Draghi dabei im Zuge der Euro-Rettung ohnehin nachrangig (mehr hier).

Auch Frankreich hält den Defizitabbau für nachrangig und plädiert stattdessen für Wachstumsförderung auch auf Kosten neuer Schulden. Der französische Finanzminister Montebourg, sagte der Zeitung Le Monde, die Priorität müsse darauf liegen, schnell aus der Wirtschaftskrise zu kommen. Dies müsse auch wichtiger sein als der Abbau der Haushaltsdefizite. Die bisherige Sparpolitik in der Euro-Zone habe die Arbeitslosigkeit nur in die Höhe getrieben. Das mache Budgetverbesserungen unmöglich und treibe in vielen Ländern Menschen in die Arme von extremistischen Parteien.

Die Regierung in Paris hatte zuletzt nach erneut schwachen Wirtschaftsdaten ihre Wachstumsziele für dieses und nächstes Jahr gesenkt. Die Neuverschuldung dürfte auch 2014 oberhalb der EU-Vorgaben liegen. Vor allem die vergleichsweise hohe Arbeitslosigkeit hemmt den Konsum der Franzosen.

Draghi plädierte für eine engere Koordination von Regierungen und Währungsaufsicht. Eine Abstimmung der nationalen Haushalts- und Finanzpolitik solle eine wachstumsfreundlichere Gesamtfinanzpolitik für die Eurozone ermöglichen. Damit dürfte Draghi auch auf die jüngst beschlossene Bankenunion anspielen, durch die seine Zentralbank die Aufsicht über alle Banken der Euro-Zone übernimmt (mehr hier).

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Experten-Webinar: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

DWN
Politik
Politik Rechtsruck in Polen – schlechte Aussichten für Berlin?
02.06.2025

Polen hat einen neuen Präsidenten – und der Wahlausgang sorgt europaweit für Nervosität. Welche Folgen hat der Rechtsruck für Tusk,...

DWN
Politik
Politik Trump zieht Investoren ab – Europa droht der Ausverkauf
02.06.2025

Donald Trump lockt mit Milliarden und Zöllen Investoren zurück in die USA – Europa verliert an Boden. Bricht der alte Kontinent im...

DWN
Politik
Politik Plan von Klingbeil: Steuerentlastungen für Unternehmen – das sind die Details
02.06.2025

Die schwarz-rote Koalition will zeigen, dass sie Probleme angeht – auch die schwächelnde Wirtschaft. Finanzminister Lars Klingbeil will...

DWN
Technologie
Technologie Robotikbranche 2025 in schwieriger Phase – Umsatzrückgang droht
02.06.2025

Die deutsche Robotikbranche kämpft 2025 mit rückläufigen Umsätzen und schwankenden Rahmenbedingungen. Welche Teilbereiche sind...

DWN
Finanzen
Finanzen Biontech-Aktie hebt ab: Milliardenkooperation mit US-Pharmaunternehmen
02.06.2025

Die Biontech-Aktie erhält neuen Aufwind: Eine milliardenschwere Allianz mit Bristol-Myers Squibb weckt Hoffnung bei Anlegern und...

DWN
Finanzen
Finanzen Hensoldt-Aktie auf Rekordjagd: Was Anleger jetzt wissen sollten
02.06.2025

Die Hensoldt-Aktie überrascht mit einem historischen Kursfeuerwerk – doch ist der Höhenflug gerechtfertigt? Anleger sollten genauer...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft KfW-Analyse: Mittelstand zieht sich aus dem Ausland zurück
02.06.2025

Eine aktuelle KfW-Analyse zeigt: Immer mehr Mittelständler ziehen sich aus dem Auslandsgeschäft zurück. Was steckt hinter dem Rückzug...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Personalstrategie: Warum Top-Kandidaten oft scheitern – und was das über unser System verrät
02.06.2025

Ein Blick hinter die Kulissen zeigt: Bei der Personalauswahl geht es immer weniger um Kompetenz – und immer mehr um Bauchgefühl,...