Politik

Regierungs-Krise in Österreich: EU-Musterschüler wankt

Der österreichische Finanzminister Michael Spindelegger ist zurückgetreten, weil er sich einer Steuererhöhung widersetzt. Die Lage ist so verfahren, dass auch bereits über Neuwahlen diskutiert wird. In Brüssel verfolgt man die Entwicklung mit Sorge, weil mit Österreich auch einer der früheren Leistungsträger immer sichtbarer im Schuldensumpf versinkt. Auf dem Horizont taucht der eurokritische HC Strache als kommender starker Mann in Österreich auf.
26.08.2014 10:44
Lesezeit: 2 min

„Michael Spindelegger von allen Ämtern zurückgetreten. [www.oevp.at] derzeit überlastet.“ Mehr war von der konservativen Österreichischen Volkspartei (ÖVP) am Dienstag im Internet nicht zu erfahren. Der Parteivorsitzende und Finanzminister hatte wenig zuvor alle Ämter niedergelegt.

Der Rücktritt kam nicht ganz überraschend und war dennoch ein Schock.

Der Grund des Rücktritts liegt in der schlechten Finanzlage von Österreich: Die Große Koalition hatte die von Jörg Haider als Dukatenesel gemolkene Hypo Alpe Adria verstaatlicht und damit dem Steuerzahler für mehrere Jahre eine Milliardenlast aufgebürdet. Beobachter sprechen von bis zu 19 Milliarden Euro, die das Debakel die Steuerzahler kosten könnte.

Spindelegger hatte, begleitet von starker Kritik aus der Finanzwelt, einen Schuldenschnitt bei der maroden Staatsbank Hypo Alpe Adria beschlossen. Die Bank wurde zur Bad Bank. Als ein Teil der Maßnahmen wurde ein Schuldenschnitt über 1,7 Milliarden Euro beschlossen. Dadurch gingen die Käufer nachrangiger Anleihen der Hypo Alpe Adria im Umfang von 890 Millionen Euro, die vom Land Kärnten garantiert wurden, leer aus.

Dieses Gesetz hat auf den Finanzmärkten für großen Ärger gesorgt – auch wenn die nachrangigen Gläubiger eigentlich immer rasiert werden sollten; schließlich kassieren sie für ihr Risiko höhere Zinsen.

Doch in der Folge wurden mehrere österreichische Banken herabgestuft – sehr zur Sorge der österreichischen Raiffeisen-Bank, die die ÖVP traditionell dominiert.

Der Druck auf die ÖVP kam auch von anderer Seite: Der sozialdemokratische Bundeskanzler Werner Faymann will eine Steuerreform mit Steuererhöhungen, um die hohen Staatsausgaben weiter tätigen zu können. So soll es eine Vermögens-, Schenkungs- und Erbschaftssteuer geben.

Dem hat sich der wirtschaftsliberale Flügel der ÖVP, zu dem auch Spindelegger gehört, bisher widersetzt. Doch die Linken in der ÖVP haben zuletzt den Druck auf Spindelegger so erhöht, dass dem Finanzminister kein anderer Weg mehr blieb als der Rücktritt.

So hatte etwa der Tiroler Arbeiterkammer-Präsident Erwin Zangerl den Rücktritt von Spindelegger gefordert, weil „er hat zur Genüge bewiesen, dass er das Volk nicht mehr versteht. Er ist ja auf beiden Seiten taub. Die ÖVP braucht jemanden, der das Volk vertritt und nicht die Lobbyisten.“

Die ÖVP befindet sich nach dem Rücktritt in einer misslichen Lage: Sie kann sich dem SPÖ-Weg anschließen und Steuern erhöhen. Das würde die Wähler noch stärker in das Lager der FPÖ und damit die Hände von HC Strache treiben. Die Alternative, über die die Wiener Zeitung Der Standard bereits diskutiert, wäre die Verweigerung der ÖVP zur Steuerreform und damit Neuwahlen. Aus diesen dürfte HC Strache ebenfalls als Sieger hervorgehen.

Ähnlich wie in Frankreich, wo die Sozialisten vor einer Existenzkrise stehen, ist die ÖVP in Österreich das Opfer einer jahrzehntelangen Schuldenpolitik geworden. Auch der SPÖ geht es nicht viel besser - sie hat ihre Regierungsmannschaft erst vor wenigen Tagen umbauen müssen. Wie in Paris steht auch in Wien eine Alternative bereit, die das System ablehnt und auch gegen die EU kämpfen will. Strache würde, wie Le Pen, genauso hemmungslos Schulden machen wie alle anderen Politiker. Es ist ja kein Zufall, dass die Republik vom Nachlass eines Politikers an den Rand des Abgrunds getrieben wurde, der sich immer als der Anwalt der „Anständigen und Fleißigen“ geriert hatte: Jörg Haider Volksbeglückung war so teuer, dass noch Generationen dafür bezahlen müssen.

Die Österreicher werden, so ist zu erwarten, nun in den Chor jener Länder einstimmen, die ein Ende des Sparkurses in Europa fordern werden. Obwohl in keinem einzigen Land wirklich gespart wird, könnte die Entwicklung in dem einstigen Musterland der EU den Verfall der Brüsseler Institutionen beschleunigen. In Brüssel jedenfalls ist man besorgt, dann nun auch schon die vermeintlich soliden Staaten ins Schlingern geraten sind.

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