Politik

Wie die NSA: Bundesnachrichtendienst spioniert türkische Politiker aus

Lesezeit: 1 min
14.09.2014 01:01
Nach Informationen des Türkei-Analysten Faruk Şen hat der Bundesnachrichtendienst in der Türkei eine Spionage-Zentrale mit 32 Mitarbeitern. Der deutsche Geheimdienst verfügt offenbar über belastendes Material gegen türkische Regierungsbeamte. Darunter sollen sich auch Steuer-CDs aus der Schweiz befinden. Diese hatten deutsche Behörden vor einigen Jahren von Schweizer Banken gekauft.
Wie die NSA: Bundesnachrichtendienst spioniert türkische Politiker aus

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Deutschland spioniert die Türkei seit Jahrzehnten aus und soll hochrangige türkische Politiker sogar abgehört haben. Wie ist das rechtlich zu bewerten?

Faruk Şen: Es ist vertraglich geregelt, dass sich NATO-Staaten nicht gegenseitig abhören oder ausspionieren. Doch genau dies hat Deutschland mindestens fünf Jahre lang gemacht. Es liegt ein Rechtsbruch vor.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Aber wie soll der BND türkische Politiker abgehört haben? Hat der BND eine Spionage-Zentrale in der Türkei?

Faruk Şen: Im Jahr 1985 wurde zwischen Deutschland und der Türkei ein Spionage-Vertrag geschlossen. Der BND erhielt das Recht zugesprochen ein Spionage-Büro in Ankara einzurichten. Dieses Büro sollte Spionage-Aktivitäten in den Ländern des Nahen Ostens durchführen. Das Ausspionieren der Türkei wurde logischerweise nicht vertraglich festgesetzt. Das war offiziell ausgeschlossen. Doch genau das hat der BND offenbar gemacht.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Könnte es zu einem No-Spy-Abkommen zwischen Deutschland und der Türkei kommen?

Faruk Şen: Spionage bewegt sich immer im Bereich der Illegalität. Was soll ein derartiges Abkommen bringen? Wird sich die Bundesregierung daran halten? Wohl eher nicht. Dasselbe gilt für alle anderen No-Spy-Abkommen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Welche Rolle spielt die USA in der Spionage-Affäre zwischen der Türkei und Deutschland?

Faruk Şen: Die Türkei hat es letztendlich den USA zu verdanken, dass dieser Skandal aufgedeckt wurde. Meines Erachtens hat Washington hier eine entscheidende Rolle gespielt. Die Amerikaner wollten Kanzlerin Merkel eine Lektion erteilen. Das ist jedenfalls mein Eindruck.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Die türkische Regierung verhält sich relativ passiv. Bisher haben wir keinen entschiedenen Protest beobachten können. Warum nicht?

Faruk Şen: Die deutschen Behörden haben in der Schweiz eine Reihe von Steuersünder-CDs erworben. Die CDs beinhalteten auch Kontodaten von hochrangigen türkischen Amtsträgern. Hinzu kommt, dass es eine Reihe von dokumentierten Telefongesprächen von hochrangigen türkischen Regierungsbeamten gibt, die in den Händen des BND sind.

Entweder sind die türkischen Behörden unfähig oder sie geben möglichen Erpressungen der Bundesregierung und des BND nach. Das sind meine beiden Schlussfolgerungen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Was erwarten sie für die Zukunft?

Faruk Şen: Wenn die Türkei nicht entschieden reagiert, wird der BND mit seinen illegalen Spionage-Aktivitäten fortfahren.

Faruk Şen, geboren 1948 in Ankara, ist Vorsitzender der Türkisch-Europäischen Stiftung für Bildung und Wissenschaftliche Forschung STİFTUNG (TAVAK). Von 1985 bis 2008 war er Leiter des Essener Zentrums für Türkeistudien.


Mehr zum Thema:  

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft EU-Austritt Deutschlands: Ist „Dexit“ der Weg in die Katastrophe?
23.05.2024

Seit dem Brexit-Referendum wird in Deutschland immer wieder über einen möglichen EU-Austritt, den „Dexit“, diskutiert. Eine aktuelle...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Grenzziehung: Russlands Planspiele sorgen für Besorgnis bei Nachbarn
22.05.2024

Ein russisches Gesetzesprojekt zur Neubestimmung der Ostsee-Grenzen sorgt für Aufregung bei Nachbarländern. Litauen spricht von...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Handelskonflikt mit USA und EU heizt sich auf: China erwägt höhere Import-Zölle auf Verbrenner
22.05.2024

Der Handelskonflikt zwischen den USA und China eskaliert weiter und erfasst nun auch europäische Autobauer, die gar keine E-Autos...

DWN
Finanzen
Finanzen Bundesbank: Konjunkturaussichten hellen sich langsam auf
22.05.2024

Die deutsche Wirtschaft scheint das Gröbste überstanden zu haben. Nach einem leichten Wachstum zu Jahresbeginn dürfte die Konjunktur...

DWN
Politik
Politik Lehrerverband will Islamunterricht: Lösung für bessere Integration oder Anbiederung?
22.05.2024

Gut 1,6 Millionen Schüler moslemischen Glaubens besuchen mittlerweile Deutschlands Schulen. Für sie wünscht sich der Präsident des...

DWN
Immobilien
Immobilien Bessere Laune im Bausektor, aber Auftragsmangel immer noch zentrales Problem
22.05.2024

Auf dem ZIA-Finance Day letzte Woche ging es - unter anderen Schlüsselthemen - um die sich stabilisierende makroökonomische Lage in...

DWN
Finanzen
Finanzen Der DWN-Marktreport: Börsen im Rally-Modus – Aktienmärkte erreichen Allzeithochs, Metalle glänzen
22.05.2024

Die vergangene Woche konnte sich sehen lassen: Die internationalen Finanz- und Rohstoffmärkte warteten mit beeindruckenden Preisbewegungen...

DWN
Politik
Politik Erleichterungen für Hausarztpraxen im Fokus
22.05.2024

Das Bundeskabinett befasst sich mit einer stärkeren Absicherung der Gesundheitsversorgung für Patientinnen und Patienten - besonders in...