Politik

Pleite-Gefahr in Italien: IWF fordert Schuldenschnitt

Lesezeit: 2 min
26.09.2014 01:37
Langsam wird klar, warum EZB-Chef Mario Draghi so erpicht ist, Euro-Staatsanleihen aufzukaufen: Italien steht offenbar am Rande einer Staatspleite. Der IWF empfiehlt einen Schuldenschnitt. Nach Frankreich wankt damit das zweite große Euro-Land. Das Risiko für die deutschen Steuerzahler steigt damit beträchtlich.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die FT hält einen Schuldendschnitt Italiens für unvermeidlich. Auch der stellvertretende IWF-Direktor Ashoka Mody hat bereits öffentlich Italien zu einer „geordneten Umschuldung“ geraten. Doch vorerst hält sich der italienische Staat damit über Wasser, dass er die Bezahlung seiner Rechnungen verschleppt. Nur wie lange kann das gut gehen?

Inzwischen hat Italien Schulden in Höhe von 2,12 Billionen Euro angehäuft. Das ist fast genauso viel wie das ungleich größere Deutschland und mehr als Frankreich oder Großbritannien. Und die Verschuldung steigt weiterhin ungebremst. Nimmt man die aktuellsten durch Eurostat bestätigten Daten von Ende März, so stiegen die italienischen Staatsschulden in den zwölf Monaten davor um 84,1 Milliarden Euro. Lediglich zu Beginn der Finanzkrise, also zwischen März 2008 und März 2009, war der Anstieg noch größer.

Auf der anderen Seite schrumpft die italienische Wirtschaft. Im zweiten Quartal 2014 sank das BIP um 0,2%. Für Italien ist die Rezession allerdings schon längst chronisch geworden. In den letzten drei Jahren gab es nur ein einziges Quartal, in dem die italienische Wirtschaftsleistung stieg.

Selbst wenn man noch weiter zurückgeht, hellt sich das Bild nicht auf. Von den 25 größten Wirtschaftsnationen der Welt war Italien von 2002 bis 2012 dasjenige Land mit der mit Abstand schlechtesten Performance. Es war von den 25 das einzige Land, in dem das BIP 2012 sogar niedriger war als zehn Jahre zuvor.

Schnell steigende Schulden bei zurückgehender Wirtschaftsleistung bedeutet zwangsläufig, das das Kriterium, auf das alle schauen, nicht zuletzt auch die Finanzmärkte, sich rasant verschlechtert. Gemeint ist die Staatsschuldenquote. Im ersten Quartal 2014 erreichte sie für Italien 135,6%. Zum Ende des Jahres hin erwartet die OECD sogar 137,5%. In der EU ist nur Griechenland schlechter. Weltweit gesehen sind ansonsten nur Japan und der Libanon schlechter, nachdem Italien nun Jamaika überholt hat.

Nun zeigt das Beispiel Japan allerdings, dass eine hohe, sogar eine sehr hohe Schuldenquote lange Zeit gut gehen kann. Der Schlüssel sind niedrige Zinsen, möglichst Nullzinsen, auch wenn das für Anleger finanzielle Repression bedeutet. In Japan sorgt die Zentralbank wie selbstverständlich dafür. In der Eurozone ist die Lage allerdings komplizierter.

Seit seinem Amtsantritt verfolgt Mario Draghi eine expansive Geldpolitik, die seinem Heimatland Italien zugute kommt. Als Folge erbringen die 10-jährigen Staatsanleihen Italiens zur Zeit nur 2,3% Rendite. Damit ist die Rendite seit Anfang August noch einmal deutlich geschrumpft, damals lag sie bei 2,9%. Auf dem Höhepunkt der Eurokrise Ende 2011 betrug sie auch schon einmal 7,1%.

Japan zahlt allerdings nur 0,8% und bei einem so hohen Schuldenstand wie in Italien oder Japan zählt jeder Zehntelprozent-Punkt. Italien ist also noch lange nicht auf der sicheren Seite, was die Zinsen anbelangt. Mario Draghi müsste aus italienischer Sicht noch einiges mehr tun und Kolumnist Münchau fordert genau das in der Financial Times: Aufkauf von besicherten Unternehmensanleihen und von Anleihen des ESM mit frisch gedrucktem Geld. Zudem soll die Kommission ein schuldenfinanziertes Infrastrukturprogramm auflegen.

Was Mario Draghi anbelangt ist allerdings die Frage, wie weit er gehen kann und ob er nicht auch einmal Rücksicht auf die Nordländer in der Eurozone nehmen muss. Die Politik des ungezügelten Gelddruckens führt dort zu Vermögenspreisblasen.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Die Edelmetallmärkte

Wegen der unkontrollierten Staats- und Unternehmensfinanzierung durch die Zentralbanken im Schatten der Corona-Krise sind derzeitig...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Bürokratieabbau: Ministerin fordert mehr Widerstandsfähigkeit und Effizienz
26.04.2024

Rheinland-Pfalz ist ein mittelständisch geprägtes Land. Gerade kleinere Betriebe hadern mit zu viel bürokratischem Aufwand.

DWN
Politik
Politik Hybride Bedrohungen: Drohnen-Flüge und psychologische Kriegsführung
26.04.2024

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat eindringlich vor hybriden Bedrohungen in Deutschland gewarnt. Gegen den Einsatz von...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Gallup-Studie: Globale Führungsbewertung 2024 - wie Deutschland unter Großmächten abschneidet
26.04.2024

Die Gallup-Studie 2024 zeigt die Stabilität und Herausforderungen in der globalen Führungsbewertung für Länder wie USA, Deutschland,...

DWN
Politik
Politik Habeck kontert Kritiker: „Energiekrise gemeistert und Strompreise gesenkt“
26.04.2024

Nach Kritik an Atomausstieg: Habeck und Lemke bestätigen, die Energieversorgung sei gesichert und nukleare Sicherheit gewährleistet.

DWN
Immobilien
Immobilien Commerzbank-Studie: Immobilienpreise könnten weiter fallen
26.04.2024

Deutsche Wohnimmobilien verlieren weiter an Wert. Die Commerzbank sieht ein Abwärtspotenzial von 5 bis 10 Prozent, abhängig von...

DWN
Technologie
Technologie Künstliche Intelligenz: Wie sich Deutschland im internationalen Rennen positioniert
26.04.2024

Die Deutsche Industrie macht Tempo bei der KI-Entwicklung. Das geht aus einer kürzlich veröffentlichten Analyse des Deutschen Patent- und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Tarifrunde der Chemieindustrie: Gewerkschaft fordert mehr Lohn
26.04.2024

Im Tarifstreit in Ostdeutschlands Chemieindustrie fordert die Gewerkschaft IG BCE eine Lohnerhöhung von 7 Prozent. Arbeitgeber warnen vor...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Automesse China 2024: Deutsche Autohersteller im Preiskrieg mit BYD, Xiaomi und Co.
25.04.2024

Bei der Automesse in China steht der eskalierende Preiskrieg bei Elektroautos im Vordergrund. Mit hohen Rabatten kämpfen die Hersteller...