Politik

Fracking: EU-Kommission gibt grünes Licht für Gasimporte aus den USA

Lesezeit: 3 min
18.02.2016 16:48
Unbeachtet von der breiten Öffentlichkeit hat die EU eine wichtige Weichenstellung getroffen: Künftig kann das umweltschädlich geförderte Fracking-Gas in die EU importiert werden. Die Entscheidung ist ein wichtiger Meilenstein, die es den USA ermöglichen, Russland den europäischen Energiemarkt abzujagen.
Fracking: EU-Kommission gibt grünes Licht für Gasimporte aus den USA

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Mehr verflüssigtes Erdgas (LNG) importieren, lautet die neue Devise der EU-Kommission. Ihre Pläne dazu stellte sie am Dienstag vor. Dazu will sie die Vernetzung verbessern, indem neue Drehkreuze und Infrastrukturen geschaffen werden. Der EU-weite LNG-Verbrauch liegt bei nur 20 Prozent. Mit einem höheren Anteil ließe sich die Abhängigkeit von Versorgern wie Russland verringern, heißt es. Auch Norwegen ist einer der Hauptgasversorger der EU.

Die EU-weite Gaserzeugung gehe immer weiter zurück, weshalb mehr Importe notwendig seien, betont die Kommission. Zur Zeit führt sie Gespräche über LNG-Importe mit Kanada, den USA, Australien, Japan, Nigeria und Algerien.

Im vergangenen Dezember einigten sich die weltweiten Staats- und Regierungschefs in Paris auf ein richtungsweisendes Abkommen. Diesem zufolge soll die Erderwärmung auf zwei Grad über den vorindustriellen Werten begrenzt werden. Das Abkommen gilt als klares Signal an den Markt: Die Zeit der klimaschädlichen fossilen Energieträger ist vorbei.

Erdgas setzt sich zum Großteil aus Methan zusammen. Letzteres ist ein Treibhausgas, das in den letzten 20 Jahren ein 86-mal größeres Erderwärmungspotenzial aufwies als CO2. Studien haben ergeben: Erdgasbedingte Stromerzeugung ist nur dann klimafreundlicher als die kohleabhängige, wenn während der Produktion weniger als 3,2 Prozent Methan austreten. Diese Zahl berücksichtigt noch nicht den Vertrieb.

Beim Fracking pumpt man Flüssigkeiten mit hohem Druck in den Boden. Dabei entstehen kleine Risse im Schiefergestein, die wiederum Erdgas freisetzen. Das Verfahren gilt als umweltschädlich. In den USA fördert man auf diese Weise fast die Hälfte des Erdgases (47 Prozent). Satelliten zur Emissionsmessung zeigen, dass die Methankonzentration in vielen großen Gasförderregionen der USA in letzter Zeit dramatisch anstieg. Für die Regionen Eagle Ford (Texas), Marcellus (Pennsylvania) und Bakken (North Dakota) verzeichneten sie sogar Emissionsraten von 9,5 Prozent der gesamten Methanproduktion.

Der Schiefergas-Boom der letzten Jahre brachte die USA dazu, ihr langjähriges Energieexportverbot aufzuheben. Inzwischen sind viele LNG-Exportprojekte genehmigt, doch nur wenige davon laufen bereits. Das neue Gaspaket der EU habe den USA nun „grünes Licht“ für den LNG-Export nach Europa gegeben, erklärt Antoine Simon von Friends of the Earth Europe.

Gas sei der sauberste fossile Brennstoff, betont Klimakommissar Miguel Arias Cañete Journalisten gegenüber. Man brauche es für den Übergang zu einer CO2-armen Wirtschaft.

Aber widerspricht das Vorhaben, LNG-Importe per Schiff nach Europa zu transportieren, nicht dem Geiste des neuen Pariser Klimaabkommens? Immerhin ist die Schifffahrt aus dem Deal ausgeklammert worden. Auf diese Frage seitens EurActiv antwortet Cañete nur indirekt. Auch kann er nicht sagen, wann die EU den Ausbau der Gasinfrastruktur stoppen werde. Solche Investitionen könnten sich letzten Endes als umsonst erweisen, warnen Aktivisten. Außerdem laufe die EU so Gefahr, sich auf Gas festzufahren – zulasten der emissionsfreien Erneuerbaren.

„Auf dem Pariser Klimagipfel vor zwei Monaten forderte die Kommission den Rest der Welt auf, Maßnahmen zu ergreifen, um ab der zweiten Hälfte des Jahrhunderts ohne Emissionen auszukommen. Nun drängt sie Gasunternehmen, mehr in Importeinrichtungen zu investieren, die noch mindestens 40 Jahre laufen sollen. Hierfür bietet sie ihnen sogar finanzielle Unterstützung aus öffentlichen Kassen“, so Jonathan Gavanta, Direktor des Umwelt-Think-Tanks E3G.

Laut Kommission soll Gas bis 2030 einen wichtigen Anteil des Energiemixes in der EU ausmachen. „Gas wird uns noch eine ganze Weile begleiten. Wir brauchen einfach Versorgungssicherheit“, bestätigt auch Cañete. Die EU-Institution wolle nach eigenen Angaben weltweit Nummer eins bei den Erneuerbaren werden. In diesem Kontext verspricht sie, das Thema Energieeffizienz ganz nach oben auf die Agenda zu setzen. Steigert man jedoch wie im Pariser Abkommen vorgesehen den Anteil der Erneuerbaren und die Energieeffizienz, geht Aktivisten zufolge die Gasnachfrage weiter zurück.

„Selbst wenn wir die ehrgeizigen Ziele bei den Treibhausgasen, den Erneuerbaren und der Effizienz erreichen, werden wir noch immer jede Menge Gas benötigen“, so Cañete. „Es ist eindeutig der sauberste fossile Brennstoff. Letzten Endes wird der Markt entscheiden. Die Kommission überprüft den Bedarf an gut vernetzten Gasmärkten. Wir wollen beim Übergang zu den Erneuerbaren notfalls auch auf Gas als Energieträger zurückgreifen können.“

Darüber hinaus zahlen schlecht vernetzte Länder höhere Gaspreise, ergänzt Maroš Šefčovič, Vize-Präsident der Kommission und zuständig für Strategie einer Energieunion. Er bezweifelt, dass die EU es schafft, bis Ende des Jahrhunderts eine CO2-neutrale Wirtschaft aufzubauen. LNG könne jedoch dabei helfen, umweltschädliche Industrien zu dekarbonisieren.

Am Dienstag war der US-Klimagesandte, Todd Stern, einen Tag lang zu Besuch in Brüssel. Als EurActiv ihn nach den LNG-Exportplänen Amerikas fragt, verweigert er sich, Stellung zu nehmen. Auf die Frage hin, wie zuverlässig Erdgas als Übergangsbrennstoff sei, verweist er auf den Schiefer-Boom. Dieser habe in den USA zu einem Rückgang in der Kohlenutzung geführt. „Abgesehen davon ist es von großer Bedeutung, beim Umweltaspekt alles richtig zu machen“, so Stern. „Methan in zwanzig mal schädlicher als CO2. Schon kleinste Austrittmengen können den natürlichen Vorteil des Erdgases gegenüber Kohle zunichte machen.“ Auch wenn das US-Vorzeigeprojekt, der Clean Power Plan, in letzter Zeit ins Stocken geriet, würden die USA das Pariser Abkommen unterzeichnen – „komme, was wolle.“

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Euractiv. EurActiv Deutschland ist das unabhängige Portal für europäische Nachrichten, Hintergründe und Politikpositionen.

 


Mehr zum Thema:  
Europa >

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Kostenloses Experten-Webinar: Die Zukunft der personalisierten Medizin aus der Cloud - und wie Sie davon profitieren

Eine individuelle Behandlung für jeden einzelnen Menschen - dieser Traum könnte nun Wirklichkeit werden. Bei der personalisierten Medizin...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Tesla Grünheide - Protesttage: Polizei schützt Autofabrik mit Großaufgebot
10.05.2024

Die Kundgebungen gegen den Autobauer Tesla in Grünheide erreichten am Freitag einen neuen Höhepunkt. Während eines...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Der Chefredakteur kommentiert: Deutsche Bahn, du tust mir leid!
10.05.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Technologie
Technologie Kein Erdgas mehr durch die Ukraine? Westeuropa droht erneute Energiekrise
10.05.2024

Eines der größten Risiken für die europäische Erdgasversorgung im nächsten Winter ist die Frage, ob Gaslieferungen weiterhin durch die...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX-Rekordhoch: Deutscher Leitindex springt auf Allzeithoch bei über 18.800 Punkten
10.05.2024

Der DAX hat am Freitag mit einem Sprung über die Marke von 18.800 Punkten seinen Rekordlauf fortgesetzt. Was bedeutet das für Anleger und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Streik am Bau: Gewerkschaft kündigt Proteste in Niedersachsen an
10.05.2024

Die IG Bauen Agrar Umwelt hat angekündigt, dass die Streiks am Bau am kommenden Montag (13. Mai) zunächst in Niedersachsen starten...

DWN
Politik
Politik Selenskyj drängt auf EU-Beitrittsgespräche - Entwicklungen im Ukraine-Krieg im Überblick
10.05.2024

Trotz der anhaltenden Spannungen an der Frontlinie im Ukraine-Krieg bleibt Präsident Selenskyj optimistisch und setzt auf die...

DWN
Politik
Politik Corona-Aufarbeitung: Spahn spricht sich für breite Analyse aus mit allen Blickwinkeln
10.05.2024

Im deutschen Parlament wird zunehmend eine umfassende Analyse der offiziellen Corona-Maßnahmen, einschließlich Masken und Impfnachweisen,...

DWN
Politik
Politik Pistorius in den USA: Deutschland bereit für seine Aufgaben
10.05.2024

Verteidigungsminister Boris Pistorius betont in Washington eine stärkere Rolle Deutschlands im transatlantischen Bündnis. Er sieht den...