Politik

Erdogan verliert die Nerven: Frontal-Angriff auf die USA

Lesezeit: 2 min
10.02.2016 16:35
Die Kooperation der Amerikaner mit den Russen in Syrien bringt den türkischen Präsidenten Erdogan in massive Bedrängnis. Beide Großmächte kooperieren mit den Kurden – was Erdogan nun zu einem Frontal-Angriff gegen die US-Regierung bewegt hat. Denn die Regierung in Ankara bemerkt, dass ihr in Syrien die Felle davonschwimmen.
Erdogan verliert die Nerven: Frontal-Angriff auf die USA
Koordinierte Aktion: Die Kurden, die im Norden die türkische Grenze abriegeln, während die syrische Armee am Südrand der Karte auf den Staudamm in der Nähe von Raqqa vorrückt. (Karte: Twitter)

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat die USA wegen ihrer Unterstützung der syrischen Kurdenpartei YPD ungewöhnlich scharf attackiert. Die Unfähigkeit der USA, das wahre Wesen der YPD zu verstehen, habe die Region in ein „Meer des Blutes“ verwandelt, sagte Erdogan am Mittwoch in Ankara. „Sind Sie auf unserer Seite oder auf der Seite der terroristischen YPD und der PKK?“

Die YPD gehört zu den wichtigsten US-Verbündeten beim Kampf um Syrien. Die YPD steht aber auch der von den USA und der EU als Terrorvereinigung eingestuften Kurdischen Arbeiterpartei PKK nahe, gegen die die Regierung in Ankara seit Jahrzehnten in einen gewalttätigen Konflikt um mehr Autonomie für die Kurden im Südosten der Türkei verwickelt ist. Die Regierung ist zuletzt mit äußerster Härte gegen die Kurden vorgegangen. Beobachter sprachen von einem regelrechten Bürgerkrieg.

Das Problem Erdogans: Russland und die USA sind offenkundig übereingekommen, die Kurden in Nordsyrien als Teil der Lösung in Syrien anzusehen. Die YPD kämpft seit Anbeginn gegen die Terror-Miliz IS und wird sowohl von den Amerikanern als auch den Russen unterstützt. Die US-Regierung hatte erst vor einigen Tagen klargemacht, dass sie die YPD nicht als Terroristen ansieht – was zu einem ersten Tobsuchtsanfall von Erdogan geführt hatte.

Enttäuscht dürfte Erdogan auch von Angela Merkel sein, die ihm noch am Montag in Ankara versprochen hatte, Deutschland stehe auf der Seite der türkischen Regierung. Merkel hatte sogar angekündigt, die Nato mobilisieren zu wollen, um den Türken zu helfen – offiziell im Kampf gegen die Schlepper.

Doch am Mittwoch hat sich auch Erdogans Hoffnung auf eine Hilfe durch die Nato zerschlagen: Beim Treffen der Verteidigungsminister der Allianz stellte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Mittwoch keine schnelle Entscheidung in Aussicht. Die Bundesregierung ruderte ihrerseits zurück und stellte fest, eine „eigenständige“ Rolle der Militärallianz im Kampf gegen Schlepper in der Ägäis solle es nicht geben.

Deutschland und die Türkei hatten am Montag beim Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Ankara angekündigt, sie wollten die Nato in den Kampf gegen Schlepper in der Ägäis einbinden. Die Nato war laut Reuters von der Initiative Merkels überrascht worden, die vage Ankündigung ließ Raum für Spekulationen in alle Richtungen.

Stoltenberg bekräftigte, der Vorschlag werde „sehr ernsthaft“ geprüft. Es sei aber „zu früh“, eine Entscheidung zu treffen. Auch Fragen, ob See- oder Luftkräfte eingesetzt werden sollten, könnten erst später beantwortet werden.

Doch Erdogan läuft die Zeit davon: Die Russen nähern sich der Stadt Raqqa, die Kurden riegeln – in offenkundiger Abstimmung mit den Russen – die türkische Grenze ab. Damit wird es für die Türkei nicht mehr möglich, ihre Interessen durch den IS vertreten zu lassen. Zuletzt hatte die UN die Initiative Russlands in Syrien ausdrücklich gelobt. Wie die Karte am Anfang des Artikels zeigt, könnten die Positionen der Kurden und der syrischen Armee bereits einen Hinweis darauf enthalten, dass die Kurden ihrem Ziel eines eigenen Staates bereits sehr nahe gekommen sind: Wenn es ihnen gelingt, den Zugang zu dem im Norden gelegenen Staudamm in der Nähe von Raqqa zu sichern, wären sie in der Lage, die Region autonom mit Energie zu versorgen. Die Syrer hätte dann Zugang im Süden - wodurch eine Koexistenz möglich wäre.

Am Mittwoch versuchte die türkische Militär-Propaganda, die Lage noch etwas zu dramatisieren. Das türkische Militär behauptete, man habe an der Grenze zu Syrien eine Gruppe von 34 schwer bewaffnete Menschen festgenommen, darunter 20 Kinder. Bei der Aktion seien vier Selbstmordattentäter-Westen und 15 Kilogramm Sprengstoff beschlagnahmt worden, meldeten die Nachrichtenagentur Dogan und andere Medien am Mittwoch unter Berufung auf die Armee. Zu der Gruppe gehörten demnach neben den Kindern zehn Frauen und vier Männer. Sie seien am Dienstag im Südosten der Türkei in der Provinz Gaziantep festgenommen worden. Damit soll wohl versucht werden, in der EU weiteren Schrecken zu verbreiten. Denn entgegen der bisherigen Lesart behauptet ein US-Geheimdienst laut Reuters, dass sich Terroristen unter die Flüchtlinge mischen.

Im türkischen Kurdengebiet gab es nach Armeeangaben am Dienstagabend zudem ein Gefecht zwischen dem Militär und kurdischen Extremisten, die aus Syrien eingedrungen seien. Ein Soldat sei dabei getötet worden, ein weiterer verletzt.

 


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Technologie
Technologie Künstliche Intelligenz: Wie sich Deutschland im internationalen Rennen positioniert
26.04.2024

Die Deutsche Industrie macht Tempo bei der KI-Entwicklung. Das geht aus einer kürzlich veröffentlichten Analyse des Deutschen Patent- und...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Automesse China 2024: Deutsche Autohersteller im Preiskrieg mit BYD, Xiaomi und Co.
25.04.2024

Bei der Automesse in China steht der eskalierende Preiskrieg bei Elektroautos im Vordergrund. Mit hohen Rabatten kämpfen die Hersteller...

DWN
Technologie
Technologie 3D Spark: Ein Hamburger Start-up revolutioniert die Bahnbranche
25.04.2024

Die Schienenfahrzeugindustrie befindet sich in einem grundlegenden Wandel, in dessen Verlauf manuelle Fertigungsprozesse zunehmend...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Lieferdienste in Deutschland: Bei Flink, Wolt und anderen Lieferando-Konkurrenten geht es um alles oder nichts
25.04.2024

Getir, Lieferando, Wolt, UberEats - das Angebot der Essenskuriere ist kaum noch überschaubar. Wer am Markt letztlich bestehen wird,...

DWN
Politik
Politik Bericht: Habeck-Mitarbeiter sollen Kritik am Atom-Aus missachtet haben
25.04.2024

Wichtige Mitarbeiter von Bundesministern Habeck und Lemke sollen laut einem Bericht interne Zweifel am fristgerechten Atomausstieg...

DWN
Finanzen
Finanzen Feiertagszuschlag: Was Unternehmer an den Mai-Feiertagen beachten sollten
25.04.2024

Feiertagszuschläge sind ein bedeutendes Thema für Unternehmen und Arbeitnehmer gleichermaßen. Wir werfen einen genauen Blick auf die...

DWN
Finanzen
Finanzen Teurer Anlegerfehler: Wie der Blick in den Rückspiegel fehlgeht
25.04.2024

Anleger orientieren sich an den Renditen der vergangenen drei bis zehn Jahre, um Aktien oder Fonds auszuwählen. Doch laut Finanzexperten...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Kommunikation im Wandel – Was es für Unternehmen in Zukunft bedeutet
25.04.2024

In einer Ära schneller Veränderungen wird die Analyse von Trends in der Unternehmenskommunikation immer entscheidender. Die Akademische...