Die Parteien kämpfen mit harten Bandagen bei der EU-Wahl. Es geht um viele neue Posten und insgesamt 6.000 Jobs, die von den europäischen Steuerzahlern zu finanzieren sind (mehr dazu hier).
Am Wochenende ist bereits das ZDF mit einer gespenstischen Sendung aufgefallen: Bei „WiSo“ wurde in einem Meisterstück der Manipulation und Desinformation der „Fall“ des EU-Austritts Deutschlands durchgespielt. Die Sendung hat sich qualifiziert für die unseriöseste Darbietung der vergangenen Jahre – eigentlich ein Fall für den Rundfunkrat. Die Sendung, in der angebliche Fakten, Meinungen und Halbwahrheiten mit GEZ-Geldern zusammengerührt wurden, gipfelte in der Schreckensvision für alle Rentner: Ein EU-Austritt Deutschlands – den keine einzige ernstzunehmende politische Partei in Deutschland fordert und der nirgends zur Debatte steht – ein solcher Austritt würde zur schlagartigen Verarmung der Rentner führen. Das ZDF inszenierte eine latent gewaltbereite Rentner-Demo.
Nun kann man sich über solche Sendungen zu Recht ärgern, weil sie mit Zwangsgebühren finanziert sind. Aber außer T-Online, das über die Sendung einen Alarmismus-Artikel schrieb („...dramatische Konsequenzen eines deutschen EU-Austritts - fiktiv, aber sehr realistisch und beängstigend“), nimmt kaum noch jemand solche Machenschaften ernst.
Doch den Parteien, die die ihnen ergebenen Sender für den Wahlkampf einsetzen, ist es bitter ernst: Sie müssen fürchten, dass viele neue Parteien – extreme Rechte, extreme Linke, Tierschutz, Spaß-Parteien (Sonnenborn), regionale Gruppen etc. – ihnen wertvolle Parlamentssitze wegnehmen. Daher versuchen die Parteien, ihre Pfründe vor den Eindringlingen zu verteidigen.
Auch die sogenannten Euroskeptiker haben nämlich nur ein Interesse: Sie wollen Jobs auf Steuerzahlerkosten. Ein trauriges Beispiel ist die einstige Gallionsfigur der Euroskeptiker, Nigel Farage von der britische UKIP: Er kassiert eine vom EuGH als illegal eingestufte Zusatzpension und sagt dazu achselzuckend: „Mir wäre ein anderes System lieber, aber das ist das System.“ (mehr hier).
Es fällt dem Bürger also schwer, wen er unsympathischer finden soll.
Doch die etablierten Parteien nutzen alle Mittel, die sie haben, um die Newcomer abzudrängen.
In Deutschland spielen die öffentlich-rechtlichen Sender eine herausragende Rolle: Neben der ZDF-Untergangssendung gab es eine TV-Diskussion der „Spitzenkandidaten“ Juncker und Schulz, in der so viel heiße Luft verblasen wurde wie in allen Friseursalons von Paris bis Kopenhagen gleichzeitig.
Um den Anschein der Vielfalt zu wahren, veranstalten die Sender am Donnerstagabend auf Phoenix eine breitere Runde von „Spitzenkandidaten“: Eine, ebenfalls von der EU finanzierte Lobbyorganisation von Berufspolitikern, die „JEF – Junge europäische Förderalisten“, prangerte das ZDF an, weil der Sender nur die Runde mit den Kandidaten von CDU und SPD ausstrahlen wollte und die anderen Kandidaten auf Phoenix abgeschoben wurden. Die JEF ist eine kleine EU-Lobbygruppe, die Steuergelder erhält, wie auf der Finanzordnung des Vereins für NRW hervorgeht.
Wir wollten bei der JEF erfahren, wie man mehr Demokratie in die EU bringen könnte, und erhielten nach einer ersten Zusage zu einem Interview die bornierte Antwort der Bundessekretärin Linn Selle: „Nachdem wir uns über die Hintergründe und Themensetzungen des Portals informiert haben, sind wir zu dem Schluss gekommen den Deutschen Wirtschaftsnachrichten kein Interview geben zu wollen.“
Eine nähere Erklärung erhielten wir nicht. Aber wofür die JEF steht, kann man erfahren, wenn man sich die Phoenix-Runde für die EU-Wahl ansieht: Martin Schulz, Jean-Claude Juncker, Ska Keller (Grüne), Guy Verhofstadt (Liberale) und Alexis Tsipras (Die Linke) diskutieren auf Phoenix. Alle anderen Parteien finden im Staatsfunk nicht statt. Genau diese Parteien sind in der JEF zusammengeschlossen: Jusos und Julis, wie die Splittergruppe stolz vermerkt. Auf dem Marsch durch die Institutionen verschwinden nach so vielen Kilometern die ideologischen Gegensätze. Die Linke wird von Phoenix im übrigen eindeutig schlechter gestellt: Von allen Partei-Managern gibt es Videobotschaften, nicht jedoch von Alexis Tsipras.
Man merkt: Hier geht es um Posten, nicht um das Gemeinwohl.
Jene Parteien, die schon länger im Politik-Business sind, betrachten alle kleinen und neuen Parteien nicht als Mitbewerber mit anderen Ideen, sondern als potentielle Bedrohung für das eigene Fortkommen. Man begegnet ihnen nicht mit Souveränität und besseren Argumenten, sondern mit einem widerlichen Futterneid. Die alten Elite-Parteien sind nicht mehr in der Lage, politisch zu kämpfen. Manchmal hat man den Eindruck, sie und ihre Apparate - die Staatssender und die Lobbyisten - können nur verdauen.
Das ist das Übel der Demokratie im alternden, politisch gelangweilten Europa: Es gibt keinen Wettstreit der Ideen mehr, keine engagierte Auseinandersetzung, keine kantigen Positionen, an denen sich die Wähler reiben könnten. Das Big Business der Parteien verträgt sich nicht mit der mutigen Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner. Das politische Big Business ist wie jedes Business: Es neigt zur Kartellen und endet im Monopol. Der gefährlichste Regulator, der Wähler, muss eingelullt werden in die ewig gleichen Versatzstücke - deren Leere man an den Parolen der Wahlplakate zur EU-Wahl ablesen kann.
Die politischen Gegner werden als Rechtsradikale, Spinner oder Randgruppen diffamiert, denen man wegen ihrer Kleinheit und wegen der nicht vorhandenden Prozent-Hürde für das EU-Parlament nicht mit Kampfeslust und Engagement begegnet, sondern sie mit Diffamierung und Ignoranz vom politischen Geschäft fernhalten will.
So erleben wir eine Dreiklassen-Demokratie, die letzten Ende auf die Abschaffung der Demokratie hinausläuft: Ganz oben sitzt die Große Koalition. Sie findet im ZDF statt. Darunter ist mit den etablierten Parteien eine Art politischer Mittelstand, der von ständigen Verarmungsängsten getrieben wird und keinesfalls so enden will wie die FDP. Sie klammert sich an Phoenix. Die unterste Klasse sind die schmuddeligen Newcomer, die allesamt deswegen so unansehnlich sind, weil sie nicht gefordert und zur scharfen Argumentation gezwungen werden. Sie sollen öffentlich nicht stattfinden. Man will sie in die intellektuelle Illegalität drängen. Das hat in der Geschichte stets zur Katastrophe geführt.
Der Kampf der Klassen I und II gegen die politischen Außenseiter führt in seiner lächerlichen Kleinlichkeit und seiner schamlosen Arroganz dazu, dass diese Parteien ihrerseits die größte Erfolgschance in der Radikalisierung sehen. So wird es auf einmal möglich, mit Antisemitismus, Rassismus und Diskriminierung in Europa zu punkten. Gäbe es eine faire, selbstbewusste und charakterstarke politische Klasse; gäbe es eine verantwortungsbewusste und gerechte Wirtschaftspolitik – warum sollten sich die Europäer den Extremisten zuwenden? Warum werden die Extremisten jetzt so stark, wo doch angeblich der politische Konzern EU Ltd. nur Segnungen über den Kontinent gebracht hat? Der griechische Ökonom Yanis Varoufakis hat das Problem in einem Interview mit den Deutschen Wirtschafts Nachrichten das stark ausgeprägte Element der Heuchelei bei den Parteien-AGs beschrieben.
Varoufakis sagt, dass die Extremisten Europa beherrschen, ohne dass sie dazu ein einziges Regierungsamt innehaben müssen: „Dies geschieht dadurch, dass die politische Agenda der regierenden Parteien menschenverachtende Positionen einnimmt, wie das vor zehn Jahren unvorstellbar war.“
Mehr über das Problem der Parteien-Herrschaft lesen Sie im Buch von DWN-Herausgeber Michael Maier, "Die Plünderung der Welt. Wie die Finanz-Eliten unsere Enteignung planen".
Ein Kapitel zeigt, dass in einer Herrschaft der Parteien nur wenige profitieren, die Demokratie und die Bürger jedoch geschwächt werden.
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