Die pro-russische ukrainische Hacker-Gruppe Cyber Berkut hat auf ihrer Web-Seite Kopien von Dokumenten veröffentlicht, die US-Waffenlieferungen an die Ukraine belegen sollen. Die Daten sollen während des Kiew-Besuchs von US-Vizepräsident Joe Biden in der vergangenen Woche über das Handy eines Delegationsmitglieds gestohlen worden sein, behauptet CyberBerkut einem Bericht der Nachrichtenagentur Ria Novosti zufolge.
Den Dokumenten zufolge soll die Ukraine unter anderem 400 Scharfschützen-Gewehre, 2000 Sturmgewehre, 720 Handgranatenwerfer, 200 Mörser mit mehr als 70 000 Munition, 150 Stinger-Luftabwehrgeräte und 420 Panzerabwehrraketen bestellt haben. Die Waffen sind in einer Art Wunschliste des ukrainischen Generalstabs aufgeführt, über die Vertreter der ukrainischen Armee offenbar mit Biden verhandelt haben. Sie sollen zum Teil von Beamten der US-Botschaft in Kiew paraphiert worden sein. Ob die Unterschriften der Amerikaner echt sind, ist nicht zu verifizieren.
Cyber Berkut meldet, dass das Waffen-Arsenal nicht nur in der Ostukraine, sondern auch auf der Krim eingesetzt werden könnte.
Aus einer Liste geht beispielsweise hervor, dass Kiew 150 Taucheranzüge mit den dazugehörigen Tauchermessern, Schnorcheln, Masken, Unterwasser-Computern, Unterwasser-Kompressoren, Flossen, Taschenlampen, Frischluftanlagen, elektrischen Pumpen und Industrieschraubern angefordert haben soll. Hinzu kommen insgesamt 30 Boote mit montierten Motoren, 30 Festrumpf-Schlauchboote der Klasse „Willard“ und 50 hydroakustische Empfangsstationen.
Für den Einsatz in der Ostukraine sind Materialien, die auf die Marine zugeschnitten sind, vor allem für die Kämpfer der ukrainischen Freiwilligen-Bataillone geeignet. Anfang der Woche hatte US-Vizepräsident Joe Biden im Rahmen seines Ukraine-Besuchs der Regierung in Kiew militärische Unterstützung zugesagt.
Die Richtigkeit der veröffentlichten Dokumente lässt sich nicht verifizieren. Doch Cyber Berkut hat in der Vergangenheit Korrespondenzen zwischen der US-Botschaft in Kiew und US-Organisationen veröffentlicht, deren Richtigkeit die USA bestätigt worden war. Ob es sich im aktuellen Fall um Prahlerei, Propaganda oder die Fakten handelt, ist unklar. Immerhin hat Cyber Berkut in der Vergangenheit mehrfach Telefonate von US-Leistungsträgern abgehört und Mitschnitte veröffentlicht, die sich später als echt herausgestellt hatten.
So enthüllte Cyber Berkut ein Telefongespräch zwischen der ehemaligen EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton und dem estnischen Außenminister Urmas Paet, in dem es um die Scharfschützen am Maidan ging.
Ein weiteres enthülltes Telefongespräch lief zwischen Yulia Timoschenko und dem ukrainischen Politiker Nestor Schufritsch ab. Die Betroffenen hatten die Authentizität der Telefongespräche bestätigt.
Während des Krim-Referendums hatte die Gruppe die Website der Nato gehackt und stundenlang lahmgelegt. Die Nato beklagte erst kürzlich einen signifikanten Anstieg von Hacker-Attacken in der Ukraine.
Westliche Medien haben über die Listen bisher so gut wie nicht berichtet. Lediglich die Junge Welt schildert ausführlich, was in den Papieren steht und weiß auch eine skurrile Anekdote zu erzählen:
"Schon im September war Semjon Semjontschenko, Führer des Bataillons »Donbass«, für zehn Tage in die USA gereist und mit der Zusage zurückgekommen, dass »pensionierte« Angehörige von amerikanischen Spezialeinheiten künftig sein Bataillon in irregulärer Kampfführung ausbilden werden. Wie sehr die USA ihrem neuen Partner Semjontschenko vertrauen, wurde vor einigen Tagen deutlich: da durfte er nämlich zwei weitere Kommandeure – sie sitzen im übrigen inzwischen für die »Volksfront« von Ministerpräsident Arseni Jazenjuk im Parlament – auf eine Folgemission in die USA mitnehmen. Die Sache flog auf, weil die Stiftung »US-Ukrainian Relations«, die die Reise finanzierte, einen Flug mit allzu kurzer Umsteigezeit in Frankfurt am Main gebucht hatte, so dass die drei Musketiere ohne Schengen-Visum auf dem dortigen Flughafen hängenblieben und nur mit Hilfe des örtlichen ukrainischen Generalkonsulats aus dem Transitbereich herauskamen und in einem Hotel übernachten konnten."
Die Nato überlegt offenbar, über Litauen auch offiziell Waffen an die Ukraine liefern. "Alles sollte auf den Tisch", sagte der litauische Verteidigungsminister Juozas Olekas der Nachrichtenagentur Reuters am Mittwoch auf die Frage, ob das baltische Land der Ukraine im Kampf gegen die Rebellen auch Waffen liefern könnte. Die Ukraine werde prüfen, was sie brauche. Litauen wiederum werde prüfen, was es liefern könne. "Und dann werden wir entscheiden, was wir tun können und wie wir helfen können." Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass die angeforderten US-Waffen über Litauen in die Ukraine verbracht werden sollen.
Anfang der Woche hatte die litauische Präsidentin Dali Grybauskaite bei einem Besuch in Kiew Lieferungen von Rüstungsgütern zugesagt. Dabei blieb allerdings offen, ob Litauen nur Ausrüstungsgüter liefern wird, die keine tödliche Wirkung haben, oder auch Waffen dazu gehören.
Mit seinen Aussagen verschärft Olekas das Auftreten seines Landes gegenüber Russland. Die baltischen Staaten, die nach dem Zerfall der Sowjetunion unabhängig wurden und inzwischen der Nato angehören, fühlen sich durch das Vorgehen Russlands in der Ukraine-Krise bedroht. Die ukrainischen Streitkräfte kämpfen im Osten des Landes gegen prorussische Rebellen, die dort Volksrepubliken ausgerufen haben. Ungeachtet einer im September vereinbarten Waffenruhe dauern die Kämpfe an.
Der Westen wirft Russland schon länger vor, die Rebellen mit Waffen und Soldaten zu unterstützen, was Moskau zurückweist. Erst am Dienstag sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Kiew, Russland habe erneut Armeekonvois zu den Separatisten geschickt. Nato-Oberkommandeur Philip Breedlove zufolge sind russische Truppen das Rückgrat der Rebellen. Sie bildeten die Separatisten aus und statteten sie aus, sagte er nach einem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko am Mittwoch. Die USA seien auch über die Militarisierung der Krim besorgt, sagte der amerikanische General.
Die Nato-Führungsmacht USA versorgt die Ukraine bereits mit Rüstungsgütern, die keine tödliche Wirkung haben. So zumindest behauptet dies die Nato. Ob das wirklich stimmt, ist ebensowenig zu verifizieren wie die Berkut-Dokumente. Auf die Frage, ob die USA ihre Politik diesbezüglich ändern könnte, sagte Breedlove: "Derzeit ist nichts vom Tisch."